Berlin. Faeser verbietet das Sprachrohr der Demokratieverächter. Damit geht die Ministerin ein großes Risiko ein – denn ein Fehler wäre fatal.
Es ist ein toxisches Gemisch, das unsere Demokratie bedroht: Hass gegen Migranten, Minderheiten und Andersdenkende gepaart mit von der Corona-Pandemie verstärkter Verschwörungsgläubigkeit. Hinzu kommen Verherrlichung des kriegerischen Imperialismus von Russlands Staatschef Wladimir Putin und eine in Widerstandsrhetorik gipfelnde Ablehnung des Staates und seiner Vertreter auf allen Ebenen.
Teile der Gesellschaft driften ab in eine Szene, die eine Erosion unseres Zusammenlebens herbeisehnt und diese Stimmung willfährig befeuert. Ein bedeutender Akteur dieses Milieus ist das Magazin „Compact“, das Innenministerin Nancy Faeser nun verboten hat. Die Zeitschrift ist nicht nur Sprachrohr und Vernetzungsplattform der Szene von der AfD bis zur Identitären Bewegung, das Magazin befeuert auch aggressiv Verschwörungsgeschwurbel und Umsturzfantasien.
Faeser verbietet „Compact“-Magazin: Razzia bei Jürgen Elsässer
„Compact“ lebt von dem Gebräu am rechten Rand. „Wir wollen dieses Regime stürzen“, warb das Magazin auf seiner Internetseite. Führende Politikerinnen und Politiker werden dort zur Zielscheibe von Hetze. Der Verfassungsschutz hat „Compact“ wegen solcher Inhalte schon länger im Blick. Das Geschäft mit der Wut lief lange gut für Chefredakteur Jürgen Elsässer, mutmaßlich auch finanziell. Damit soll nun Schluss sein.
Faeser greift mit Verbot eines Mediums zu scharfem Schwert
Das Verbot zeige, dass die Bundesregierung auch gegen die „geistigen Brandstifter“ vorgehe, die den demokratischen Staat „überwinden“ wollten, begründet Faeser das Verbot. Sicherheitsbehörden treibt nicht ohne Anlass die Sorge um, dass aus Radikalität in Worten, ob im Netz oder auf Hochglanzpapier, gewaltsames Handeln wird. Gefährliche Planungen aus Kreisen der sogenannten Reichsbürger wurden zuletzt mehrfach aufgedeckt – etwa zu einer Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach oder zu Umsturzplänen gegen den Staat.
Gegen die Feinde der Demokratie muss sich eine Gesellschaft entschlossen wehren, in Debatten, an der Wahlurne – aber auch mit den harten Mitteln des Rechtsstaats, die Faeser in ihrer Amtszeit bereits mehrfach genutzt hat. Dazu zählen Verbote von Vereinen, Organisationen und gegebenenfalls auch Parteien, die sich gesichert einen Umsturz der demokratischen Ordnung zum Ziel gesetzt haben. Mit dem Verbot eines Mediums greift die Innenministerin zu einem scharfen Schwert – das allerdings wie ein Skalpell mit höchster Präzision geführt werden muss.
„Compact“-Verbot darf nicht wieder vor Gericht kassiert werden
Die Meinungsfreiheit ist zurecht ein hohes Gut, das einen besonderen Schutz genießt. Wer hier eingreift, muss seine Schritte achtsam wägen. Nach Bekanntwerden des Verbots und der morgendlichen Razzia bei „Compact“-Chef Elsässer war der Aufschrei in rechten Kreisen groß, von einem Schlag gegen die Presse und einem Angriff auf die Meinungsfreiheit war die Rede. Das ist nicht verwunderlich, schließlich geht der Szene ein bedeutendes Medium mit einer Auflage von gedruckten 40.000 Exemplaren und einer großen Verbreitung im Netz verloren.
Ein Besuch in der AfD-Hochburg: „Wir lieben Russland hier“
Es ist allerdings zu hoffen, dass Faeser ihren Schlag gegen das Compact-Unternehmen, neben dem Heft gehört dazu unter anderem ein Videokanal im Netz, präzise vorbereitet hat. Nichts wäre schlimmer für ihren Einsatz für die Demokratie, als wenn das Verbot des Heftes vor Gericht kassiert wird. Es darf keinen Anlass für das Triumphgeheul der Verächter dieses Staates geben. Der Kampf gegen die Feinde der Demokratie muss entschlossen geführt werden – und zielgenau.
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