Berlin. Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz gibt ihr Amt an ihren Arbeits- und Sozialminister Alexander Schweitzer ab. Der Grund.
Sie hat es dreimal geschafft. Dreimal übernahm sie ihn Mainz die Regierung. Zunächst löste sie ihren Vorgänger Kurt Beck ab, der zurücktrat. Zweimal konnte sie sich dann bei Wahlen behaupten. Nun, nach 13 Jahren, gibt Malu Dreyer (SPD) ihr Amt als Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz ab. Knapp zwei Jahre vor der nächsten Landtagswahl macht die 63-Jährige ihrem Wunschnachfolger Alexander Schweitzer Platz.
Warum jetzt, warum führt sie die Legislaturperiode nicht zu Ende? Als die ersten Medienberichte über ihren Rücktritt am Mittwoch bekannt wurden, schnellten die Spekulationen hoch. Ist es ihre Krankheit, die Multiple Sklerose, die im Jahr 1995 bei ihr diagnostiziert wurde und die sie bei längeren Wegen in den Rollstuhl zwingt? Hängt der Rücktritt mit der Schlappe der Sozialdemokraten bei der Europawahl und den Kommunalwahlen in Rheinland-Pfalz zusammen? Es ist wohl eine Mischung aus beiden. „Ich bin 63 und ich muss mir eingestehen, es ist nicht mehr so wie mit 50“, sagte sie in einer Pressekonferenz am Nachmittag. Um ihrem Amt gerecht zu werden, müsse sie mehr Energie aufbringen als je zuvor. „Meine Akkus laden sich nicht mehr so schnell auf.“ Die vielen Wahlkampfveranstaltungen der vergangenen Wochen neben dem anstrengenden als Ministerpräsidentin haben ihr offenbar den Rest gegeben. „Mir geht die Kraft aus“, sagte sie. „Deswegen gebe ich mein Amt in andere Hände.“
Malu Dreyer: „Meine Kraft reicht nicht mehr aus, um dem Amt gerecht zu werden“
Gerüchte, sie könnte sich zurückziehen wollen, gab es schon seit einiger Zeit – auch wenn Dreyer noch beim Neujahrsempfang in der Staatskanzlei erklärt hatte, sie habe noch „sehr, sehr viel“ vor. Namen über ihre potenziellen Nachfolger kursierten bereits seit Wochen. Etwa SPD-Innenminister Michael Ebling oder die derzeitige Chefin der sozialdemokratischen Landtagsfraktion, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, die künftig auch die Partei im Land führen soll. Und natürlich fiel auch immer wieder der Name Alexander Schweitzer.
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Mit ihm arbeitet Dreyer schon zum zweiten Mal in einer Regierung zusammen. Wenn es so kommt, dann ebnet Dreyer ihrem Nachfolger einen Weg, den sie selbst gegangen ist: 2013 trat ihr Vorgänger Kurt Beck zurück und machte für sie den Weg frei. Dreyer hatte bis 2016 Zeit, sich einen Amtsbonus aufzubauen. Als sie im März 2016 erstmals als Spitzenkandidatin der SPD antrat, wurde die SPD mit 36,2 Prozent stärkste Partei, obwohl in den Umfragen die CDU vorn lag. Ihre Konkurrentin Julia Klöckner, Spitzenkandidatin der Christdemokraten, ließ sie hinter sich zurück. Wäre Dreyer damals direkt gewählt worden, hätten sich sogar 54 Prozent für sie entschieden.
Diese Zeit, sich vor Landtagswahlen einen Amtsbonus zu erarbeiten, bekommt nun auch der 50-jährige Schweitzer. „Ich bin elf Jahre Ministerpräsidentin“, sagte Dreyer. Zwei Jahre vor den nächsten Wahlen könne man sagen, es gebe keinen besseren Zeitpunkt für einen Rücktritt. „Aber das hat damit nichts zu tun“, sagte sie und betonte erneut, sie müsse sich eingestehen, dass ihre Kraft nicht mehr ausreiche, „um dem Anspruch der Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden“.
Also soll sich Alexander Schweitzer noch vor der parlamentarischen Sommerpause am 10. Juli im Landtag zur Wahl als Ministerpräsident stellen. „Er tritt in sehr große Fußstapfen“, sagte Politikwissenschaftler Uwe Jun der Deutschen Presseagentur. Dreyer habe nach wie vor sehr hohe Popularitätswerte.
Alexander Schweitzer: Mit Malu Dreyer geht eine Ära zu Ende
Auch wenn der Wechsel wie geplant funktionieren sollte: Mit Malu Dreyer zieht sich eines der wichtigsten Gesichter der SPD von einem Spitzenamt zurück. Schließlich hat sie nicht nur seit 22 Jahren Regierungserfahrung in Rheinland-Pfalz – vor ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin im Jahr 2013 war die Juristin seit 2002 Arbeits- und Sozialministerin. Sie kennt die Arbeit in einer SPD-Alleinregierung, in der Koalition mit FDP oder Grünen und jetzt, zum zweiten Mal, leitet sie eine Ampel-Regierung. Sie hat ein Misstrauensvotum überstanden und musste sich nach der Ahrtal-Katastrophe im Juli 2021 mit 136 Toten dem Untersuchungsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags stellen. Als 2019 Andrea Nahles als SPD-Chefin zurücktrat, übernahm sie einige Monate lang kommissarisch zusammen mit dem früheren hessischen SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel und der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, das Amt, bis Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans gewählt wurden. Zuvor gehörte sie zum Team der fünf Stellvertreter der Sozialdemokraten.
Dreyers Wert für die SPD brachte nun ihr Nachfolger Alexander Schweitzer auf den Punkt: „Es geht nicht weniger als eine Ära zu Ende“, sagte er. „Gemeinsam, geschlossen und freundschaftlich“ wolle er nun die Ampel-Koalition in Mainz fortführen. „Ich stehe inhaltlich und politisch dahinter“, sagte er und schloss eine Kabinettsumbildung, die über die neue Besetzung seines bisherigen Arbeitsministeriums hinausgehe, aus. Alle Kabinettsmitglieder sollten ihre Arbeit weiter machen, „das ist mein Wunsch“, sagte er und ergänzte mit Blick auf die Ampel in Berlin: „Manches, was wir hinbekommen, könnte Vorbild sein.“
Dreyer: „Am 10. Juli endet meine Amtszeit. Danach bin ich frei“
Der Jurist und Vater von zwei Söhnen und einer Tochter wolle nun so normal wie möglich mit seiner Frau den Familienalltag weiterleben, sagte er über die Auswirkungen. Seine Frau trage jedenfalls sein neues Amt „mit Fassung“.
Und Malu Dreyer? Wie geht es bei ihr weiter? Am Ende der Pressekonferenz ist ihr sichtlich die Erleichterung anzumerken, dass sie sich zum Rücktritt entschlossen hat. Sie wolle sich nun erst mal mit Mann und Familie ausruhen. Und auf keinen Fall wieder einen Vollzeitjob annehmen. In drei Wochen, am 10. Juli, sei die Neuwahl von Schweitzer. „Das ist das Ende meiner Amtszeit. Danach bin ich frei.“
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