Erfurt/Berlin. Damit nicht die Kandidaten der Rechtsextremen an die Macht kommen, rufen Linke zur Wahl der CDU auf. Doch einer macht da nicht mit.

Es kommt nicht oft vor, dass CDU-Wahlkämpfer ausgerechnet die Linken in ihr Abendgebet einschließen. An diesem Sonntag aber ist vieles anders. Die AfD war bei der Kommunalwahl in Thüringen so erfolgreich, dass sie in vielen Orten kurz davor ist, Bürgermeister und Landräte zu stellen. Damit das nicht passiert, kommt es bei den Stichwahlen parallel zur Europawahl jetzt zu erstaunlichen Allianzen. Linke und CDU? Da geht auf einmal was.

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CDU-Mann gegen AfD-Mann: Gleich in mehreren Thüringer Landkreisen kommt es am Sonntag zum Duell. Beispiel Altenburg, Beispiel Greiz: Um sicher zu verhindern, dass die Kandidaten der rechtsextremen Partei in den beiden Landkreisen an die Macht kommen, brauchen die Gegenkandidaten mehr als die Stimmen aus dem eigenen politischen Milieu. Nötig ist die Hilfe der Konkurrenz. In beiden Kreisen ist ausgerechnet die Linkspartei so stark, dass ihre Anhänger den CDU-Leuten zum Sieg verhelfen könnten. Und nun?

Linke-Chef Schirdewan: Wir müssen diejenigen unterstützen, die einen Sieg der AfD verhindern können

Das Signal aus der Berliner Parteizentrale der Linken ist eindeutig: Leute, wählt den CDU-Mann! Sicher, sagt Parteichef Martin Schirdewan, die Entscheidung liege bei den Kreisverbänden, „aber es besteht Einigkeit darüber, die Kräfte zu unterstützen, die einen Sieg der AfD am ehesten verhindern können“. Heißt in vielen Fällen: die CDU-Kandidaten. Demokraten müssten gemeinsam alles tun, um zu verhindern, dass Demokratiefeinde an die Schalthebel der Macht gelangten.

Wahlplakate im Saale-Holzland-Kreis: Hier kommt es am Sonntag zum Duell zwischen AfD und CDU.
Wahlplakate im Saale-Holzland-Kreis: Hier kommt es am Sonntag zum Duell zwischen AfD und CDU. © Funkemedien Thüringen | Julia Grünler

Auch im Saale-Holzland-Kreis heißt das Duell in der Stichwahl CDU gegen AfD. Unionskandidat Johann Waschnewski ist alles andere als ein glühender Gegner der AfD, die viel beschworene Brandmauer zu den Rechtsextremen lehne er auf kommunaler Ebene ab, sagte der CDU-Mann vor der Wahl. Dennoch bekommt er jetzt Unterstützung gerade auch von der Linken: Im ersten Wahlgang hatte Linke-Kandidat Markus Gleichmann knapp 16 Prozent erreicht – genug, um dem CDU-Mann in der Stichwahl zur Mehrheit zu verhelfen. Gleichmann verbreitet seitdem in sozialen Netzwerken einen Aufruf einer zivilgesellschaftlichen Initiative, die zur Wahl eines Landrats einer demokratischen Partei aufruft. Das ist auch die Linie des Landesverbandes.

CDU-Mann Spahn: Die demokratische Mitte muss zusammenstehen, über Parteigrenzen hinweg

Doch nicht jeder zieht mit. Im Wartburgkreis stehen sich am Sonntag ebenfalls CDU und AfD gegenüber. Linke-Kandidat Sascha Bilay könnte seine Anhänger mobilisieren und so dem CDU-Mann möglicherweise ins Amt helfen. Er will es aber nicht: „In Kenntnis seiner Grundhaltung uns gegenüber kann ich auch als unterlegener Bewerber für das Landratsamt keine Empfehlung aussprechen, ihn zu wählen.“

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Der bekannte Neonazi Tommy Frenck vom „Bündnis Zukunft Hildburghausen“ bekam bei der Kommunalwahl 24,9 Prozent der Stimmen und steht jetzt in der Stichwahl.
Der bekannte Neonazi Tommy Frenck vom „Bündnis Zukunft Hildburghausen“ bekam bei der Kommunalwahl 24,9 Prozent der Stimmen und steht jetzt in der Stichwahl. © picture alliance/dpa | Michael Reichel

Umgekehrt steht auch die Union in einigen Landkreisen vor der Frage, ob sie anderen Kandidaten gegen rechtsextreme Bewerber helfen soll. „Es ist für uns klar, dass wir die unterstützen, die für unsere Thüringer Werte und den Zusammenhalt der Gesellschaft stehen“, sagt CDU-Landeschef Mario Voigt unserer Redaktion. Seine Partei unterstütze da, wo sie nicht in die Stichwahlen gekommen sei, Kandidaten von SPD, FDP und freien Wählergemeinschaften. Das wird vor allem in Hildburghausen brisant, wo mit Tommy Frenck ein bekannter Neonazi in der Stichwahl steht. Frenck erreichte gegen den Kandidaten der Freien Wähler den zweiten Wahlgang, die CDU schaffte es nicht in die Stichwahl.

Die Berliner CDU-Spitze steht hinter Voigt: Es sei genau richtig, wenn die Thüringer CDU dort SPD und FDP unterstütze, wo keine CDU-Kandidaten in der Stichwahl stünden, sagte Präsidiumsmitglied Jens Spahn unserer Redaktion. „Diese Verantwortung erwarten wir auch umgekehrt. Die demokratische Mitte muss in solchen Fällen zusammenstehen, über Parteigrenzen hinweg.“ Dass mancher CDU-Mann diesmal dringend ausgerechnet die Stimmen aus der Anhängerschaft der Linkspartei braucht – das bleibt unausgesprochen.

Grüne und FDP: In der Unistadt Jena kommt es zum Duell

Anders sieht die Lage bei den Grünen aus: Mit Ausnahme der Unistadt Jena, wo die Kandidaten von Grünen und FDP in der Stichwahl gelandet sind, haben sie keinen eigenen Wahlkämpfer mehr im Rennen. Der Appell aus Berlin ist aber eindeutig: „Eine wehrhafte Demokratie ermöglicht es, Verfassungsfeinde gemeinsam parteiübergreifend zurückzuweisen“, sagte Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt unserer Redaktion. „Dort, wo bei der anstehenden Stichwahl in Thüringen ein Demokrat gegen einen Verfassungsfeind antritt, empfehle ich den demokratischen Parteien, sich gegenseitig beizustehen.“ In Nordhausen ging die Rechnung im vergangenen Herbst auf: Ein breites, lagerübergreifendes Bündnis konnte den AfD-Mann als Oberbürgermeister verhindern.

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In vielen Parteizentralen geht jedoch auch eine große Sorge um: Was, wenn die Appelle am Ende das Gegenteil bewirken? Was, wenn die lagerübergreifenden Hilfsaktionen der AfD helfen? „Wir gegen die anderen – das kann auch gerade diejenigen mobilisieren, die man nicht mobilisieren will.“ So denken nicht wenige. Im Landkreis Sonneberg hatten im vergangenen Sommer alle Parteien den CDU-Bewerber gegen die AfD in der Stichwahl unterstützt. Dennoch wurde am Ende Robert Sesselmann Deutschlands erster AfD-Landrat.

Insgesamt finden an diesem Sonntag In Thüringen Stichwahlen um zwölf Landratsämter und um die Bürgermeisterposten in Jena, Gera und Erfurt statt. Sechsmal heißt das Duell CDU gegen AfD, zweimal treten SPD-Bewerber gegen AfD-Kandidaten an. In den kreisfreien Städten hatte die AfD keine Chance, verpasste in allen fünf kreisfreien Städten den Einzug in die Stichwahlen.