Regensburg. Auch wenn sich die Lage in Teilen entspannt, beginnt für die Menschen die Aufräumarbeit. Wie sich die Menschen dennoch Mut machen.
Im hohen Gras, von der Straße kaum wahrnehmbar, erinnern am Dienstag zwei Grabkerzen an den toten Feuerwehrmann. Dahinter fließt die Ilm. Gemeinsam mit drei Kameraden hatte der Feuerwehrmann am Samstag in den reißenden Fluten versucht, mit einem Boot die Insassen eines von den Wassermassen umringten Gebäudes zu befreien. Doch der Trupp kenterte. Der Körper des 42-Jährigen wurde noch in der Nacht tot aus dem Fluss geborgen.
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Der Feuerwehrmann aus Ehrenberg im bayerischen Landkreis Pfaffenhofen ist eines von mittlerweile mindestens fünf Opfern, die durch das Hochwasser ihr Leben verloren haben: Drei Menschen aus Baden-Württemberg und Bayern scheinen in ihren Kellern überrascht worden. Nachdem die Feuerwehr in den letzten Tagen das Wasser ausgepumpt hatte, entdeckte sie die toten Körper. Am Montag hatte eine 57-jährige Frau im Allgäu noch einen Notruf abgesetzt, nachdem sie von der Straße abgekommen war. Als die Einsatzkräfte ankamen, war die Frau in ihrem Auto bereits ertrunken.
Hochwasser in Bayern: „Die schlimmste Katastrophe ist der Tod des Feuerwehrmannes“
Im Landkreis Pfaffenhofen sitzt der Schock tief. „Die schlimmste Katastrophe ist der Tod des Feuerwehrmannes“, sagt Landrat Albert Gürtner. Die Feuerwehrfamilie, wie er es nennt, sei vor Ort und kümmere sich um die Angehörigen. Auch Gürtner selbst will die Familie am Nachmittag besuchen und Trost spenden. Der Ort ist mittlerweile von den Wassermassen befreit. Bei der Freiwilligen Feuerwehr Ehrenberg räumt ein letzter Feuerwehrmann, sichtlich angeschlagen, in der Feuerwache noch ein paar Dinge auf, bevor er das Tor schließt.
Anderswo im Süden ist die Hochwasserlage an diesem Dienstag weiter angespannt. Besonders die Orte an der Donau bereiten sich auf das Schlimmste vor: In Regensburg mussten in der Nacht zu Dienstag noch zweihundert Menschen evakuiert werden, nachdem die künstlichen Dämme auf dem durchtränkten Boden nicht mehr sicher stehen konnten. In Passau, kurz vor der tschechischen Grenze, wird am Dienstagnachmittag der Pegelhöchststand von zehn Meter erwartet. Die Innenstadt wurde für den Autoverkehr vorsorglich gesperrt.
„Wir bleiben weiter konzentriert“, sagt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) über die Lage in seinem Bundesland. Im bayrischen Landkreis Rosenheim stürzten Teile einer Burgruine mit schlammigen Erdmassen in die Tiefe. Im Landkreis Miesbach ist ein ganzes Tal von der Außenwelt abgeschnitten.
Wo die Einsatzkräfte jetzt anpacken müssen
Im Landkreis Pfaffenhofen dagegen trauen sie sich, aufzuatmen: „Das Schlimmste ist aus heutiger Sicht überstanden“, sagt Landrat Gürtner. Der Deutsche Wetterdienst hat sämtliche Unwetterwarnungen aufgehoben. Der Katastrophenlage entspannt sich, die Überflutungen in den höheren Lagen gehen unter blauem Himmel langsam zurück.
Doch ist das Wasser weg, beginnen die eigentlichen Aufräumarbeiten. Gürtner steht in der Einsatzzentrale in Reichartshausen. Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks, der Feuerwehr, der Polizei, der Bundeswehr und des Roten Kreuzes telefonieren, besprechen Einsatzpläne und fahren unter Blaulicht in betroffene Orte. Bis zu 5000 Mitarbeiter sind im Landkreis Pfaffenhofen im Einsatz. Im angrenzenden Manching fahren die ganze Nacht über LKW zu einem Depot, in dem tausende Sandsäcke lagern. Vereinzelt müssten Brände gelöscht werden, die durch Kurzschlüsse verursacht werden, erklärt Gürtner. Die Hauptaufgabe für die Einsatzkräfte heißt aber: Straßen reparieren und Keller leerpumpen.
Im Wasser gefangen: „Der Hund konnte 30 Stunden sein Geschäft nicht machen“
So auch in Pichl, einem kleinen Ort südlich von Ingolstadt, der am Montagabend wegen eines Dammbruchs des Flusses Paar noch in Teilen überflutet war. Tags darauf rückt das Technische Hilfswerk an, klappert die Häuser ab und stellt die ratternden Pumpen an. Derweilen räumen die Bewohner ihre vier Wände aus, türmen Müllberge in ihren Vorgärten auf.
„Der Hund konnte 30 Stunden sein Geschäft nicht machen“, sagt Sascha Kasten, Einwohner von Pichl mit einem Augenzwinkern. Während andere die Ortschaft am Abend noch verlassen hatten, harrte er mit seiner Familie die ganze Nacht in den oberen Stockwerken aus. „Das war am Abend schon ein übles Gefühl“, berichtet er, weil er nicht wusste, wie hoch das Wasser steigen würde. Am nächsten Tag wirkt er gefasst – wie viele Menschen in den Hochwassergebieten. Nach vorne blicken, ist die Devise.
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In der Luft liegt der Gestank des ausgelaufenen Heizöls
Er wohne nur zur Miete, erzählt er. Aber die „Bude ist jetzt Kernschrott“. „Der Öltank ist vollgelaufen und das zieht dann die Wände hoch.“ Beim Betreten des Hauses sticht ein dieselähnlicher Gestank in die Nase. Der Boden ist rutschig und durch die Kellerluke ist der zerborstene Öltank durch die schwarze Brühe nur zu erahnen.
„Wir hatten bis zum Schluss gehofft, dass das Erdgeschoss nicht vollläuft“, berichtet Kasten. Doch es sollte anders kommen. Sogar die heiß geliebte erste Harley-Davidson des tätowierten Berufsfeuerwehrmanns ist Schrott. Wie es nun weitergeht? Das wisse er nicht. Da die Wände durchnässt sind und die Rohre rosten, müssten sie „spätestens zur kalten Jahreszeit raus“.
Georg Scharl wohnt seit 60 Jahren in Lindach – jetzt ist sein Haus unerreichbar
Es sind Gedanken, die für Georg Scharl noch in weiter Ferne liegen. Der 60-jährige Kranführer wollte in der nächsten Woche eigentlich seinen Geburtstag nachfeiern. Jetzt steht er hundert Meter vor dem Ortsschild von Lindach. Einen Schritt weiter, und er betritt die braune Brühe, die seinen Geburts- und Heimatort komplett überflutet hat. Er blickt in Richtung seines Hauses. „Ich glaube, ich will es gar nicht sehen“, sagt er. Seine Nachbarn versuchen unterdessen, mit Traktoren und Anglerhosen ihre Gehöfte zu erreichen. Bis zur Hüfte reicht ihnen das Wasser. Auch sein Bruder watet gerade durch die Fluten.
Innerhalb von 20 Minuten sei das Wasser gekommen, erinnert sich der 60-Jährige an den Montagabend. „Gestern Abend um 21 Uhr haben wir noch die Kühe vom Nachbarn gerettet.“ In 60 Jahren habe er nichts Vergleichbares erlebt.
Im Gegensatz zur Ortschaft Pichl stehen hier in Lindach keine Einsatzfahrzeuge, keine schweren Maschinen parat. Der Ort scheint wie ausgestorben. Sogar bis zur Wasserkante kommen Anwohner und Beteiligte nur mit Erlaubnis der Polizei. Auch Scharl macht sich Sorgen um seinen Heizöltank. Dieser sei zwar zu 90 Prozent gefüllt, weswegen er dem Druck besser standhält. Doch wie hoch der Schaden an seinem Haus ist? Bis er das weiß, wird es noch dauern. Denn wann der Pegel wieder sinkt, ist auch Tage nach dem Starkregen nicht abzusehen. Scharl hat erstmal bei Bekannten Unterschlupf gefunden. Auf ungewisse Zeit.
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