Washington. Im Fall seiner Wiederwahl will der Ex-Präsident Hunderttausende Einwanderer zuerst in Lager stecken – und dann nach Mexiko deportieren.
Konspirative Treffen, wie es in Deutschland Rechtsextremisten, Neonazis und AfD-Funktionäre neulich in einem Potsdamer Hotel veranstalteten, um über die millionenfache Deportation von Ausländern zu diskutieren, braucht Donald Trump nicht. Der republikanische Ex-Präsident und Favorit auf die Kandidatur für die Wahl im November redet ganz öffentlich über das, was Kritiker einen Anschlag auf Amerika nennen – falls der 77-Jährige denn gewählt werden sollte.
Vor wenigen Tagen sagte der Ex-Präsident bei einer Veranstaltung des Senders Fox News im Bundesstaat Iowa: „Wir werden die größte Abschiebungsaktion in der amerikanischen Geschichte durchführen.“ Ein Satz, der ihm zum ersten Mal im vergangenen Herbst über die Lippen kam. Damals wurden Pläne aus Denkfabriken und Helfershelfer-Organisationen bekannt, die aus sicht demokratischer Kongress-Abgeordneter eine „Breitband-Attacke auf das Einwanderungsland Amerika schlechthin darstellen”.
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So plant Trump das systematische Durchkämmen der USA nach illegalen Einwanderern und deren Familien: auch nach langjährig in den USA lebenden Menschen – etwa jenen, die keine Ausweisdokumente besitzen, aber meist ordentlichen Jobs nachgehen. Jobs, die Amerikaner nicht machen wollen (etwa in der Landwirtschaft). Und jenen, die regelmäßig Steuern in den Vereinigten Staaten zahlen. Sie alle sollen in Richtung Mexiko abgeschoben werden.
Trump will an der Grenze Übergangslager bauen lassen
Um die Menschen koordiniert außer Landes zu bringen, sollen in Texas entlang der Grenze große Übergangslager gebaut werden. Der Süd-Bundesstaat wird von den Republikanern regiert. Gouverneur Greg Abbott vertritt in der Einwanderungsfrage ähnlich radikale Positionen wie Trump, der bereits 2016 bei seiner Kandidatur erklärte, Mexiko schicke vor allem Kriminelle und Vergewaltiger über die Grenze. Hintergrund ist, dass die Zahl der Illegalen in den USA derzeit auf mehr als zwölf Millionen Menschen geschätzt wird.
Trump will die „deportations“ zügig durchführen lassen, das heißt: ohne Anhörung der Betroffenen vor einem Gericht. Um die Maßnahmen durchzusetzen, sollen notfalls Soldaten der Nationalgarde und Polizeibeamte aus republikanisch geführten Bundesstaaten rekrutiert werden.
Um zu verhindern, dass Demokraten im Kongress die Verfahren verzögern, indem sie Finanzmittel für zusätzliche Grenzbeamte blockieren, will Trump zu Beginn einer zweiten Präsidentschaft vorbeugend mehr Geld in den Haushalt des Verteidigungsministeriums einstellen. Von dort soll die Neuauflage der „Operation Wetback” (Nasser Rücken) dann finanziert werden.
Trump will Eisenhowers „Operation Wetback“ kopieren
1954 ließ der damalige Präsident Dwight Eisenhower über eine Million Mexikaner, die zuvor als Gastarbeiter über das „Bracero-Programm“ nach Kalifornien gebracht wurden, um leere Arbeitsstellen zu besetzen, erst internieren und danach über die Grenze zurückschaffen. „Wetbacks“ ist die Bezeichnung für Menschen, die in die USA kommen, indem sie durch den Grenzfluss Rio Grande schwimmen.
Weitere Bausteine einer radikal verschärften Einwanderungspolitik in einer zweiten Amtszeit: Trump will eine aus der Corona-Zeit eingesetzte Regel „Title 42“ reaktivieren, um Asylgesuche von Flüchtlingen auf der Basis von gesundheitlichen Risiken abzulehnen. Etwa mit der Begründung, sie brächten Tuberkulose und andere ansteckende Krankheiten in die USA.
Auch Bevölkerungsgruppen, denen aus humanitären Gründen der befristete Aufenthalt in den USA gestattet wurde, wären in einer zweiten Trump-Präsidentschaft akut bedroht – darunter Tausende Afghanen, die nach der Machtergreifung der Taliban 2021 flüchteten und in den USA Schutz fanden. Visa-Bewerber müssten sich, wenn es nach Trump ginge, künftig einem Gesinnungstest unterziehen. Dazu sollen die US-Konsulate die ideologische Orientierung der Antragsteller testen. Leute mit islamischem Hintergrund oder Israel-kritischer Grundeinstellung müssen damit rechnen, abgelehnt zu werden.
Trump: Migranten „vergiften das Blut unseres Landes”
Mit all diesen Details hält Trump und seinen Wahlkampagne nicht hinter dem Berg, obwohl klar ist, dass die genannten Schritte nahezu allesamt vor Gericht landen werden. Stephen Miller, der Trump in seinen ersten Präsidentschaft von 2017 bis 2021 in Einwanderungsfragen beriet und als hartleibig-rechtsextremer „Architekt“ der Verschärfung gilt, hat die Abschiebungspläne in Interviews mit US-Medien offen und mit Enthusiasmus beschrieben. „Trump wird das riesige Arsenal der Staatsmacht auf Bundesebene entfesseln, um die spektakulärste Razzia gegen illegale Einwanderung durchzusetzen.”
Flüchtlingsverbände wie FWD werfen Trump „fremdenfeindliche Demagogie” vor. Was Trump vorhabe, werde die Bürgerrechte von Millionen Einwanderern verletzen, die Wirtschaft beschädigen und nahezu jeden Aspekt des Leben in Amerika zerstören”, sagte der Präsident der Lobby-Gruppe, Todd Schulte, der „New York Times”. Demokraten in Washington erinnern daran, dass Trump schon vor acht Jahren eine harte Tour gegen illegale Einwanderung angekündigt hatte. “Am Ende waren die Abschiebungszahlen unter Präsident Obamahöher als die von Trump”.
Ein Grund: Trump habe seinerzeit kein homogenes Team an den Schaltstellen von Heimatschutzministerium, Justizministerium und Kongress gehabt, um seine Pläne durchzusetzen. „Den Fehler wird er kein zweites Mal machen”, sagte ein Abgeordneter aus Maryland. Um die angebliche Dringlichkeit einer historischen Abschiebungsaktion zu verdeutlichen, hat Trump zuletzt seine Rhetorik gegenüber Migranten verschärft. „Sie vergiften das Blut unseres Landes”, sagte er und verglich die Armutfsflüchtlinge, die in die USA kommen, mit dem Kino-Serienkiller Hannibal Lecter. „Das ist das, was gerade in unsere Land kommt.“
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