Berlin. Trump gerät unter Druck: Biden lag zuletzt finanziell vorn, und er selbst muss im Gerichtssaal erscheinen. Jetzt gelang ihm ein Coup.
Herr van de Laar, was war in den vergangenen Tagen das bemerkenswerteste Ereignis in den USA?
Julius van de Laar: Donald Trump hat finanziell massiv aufgeholt – er hat ein Fundraising Dinner in Mar-a-Lago veranstaltet und doppelt so viel eingenommen wie Joe Biden bei seinem Event mit Bill Clinton und Barack Obama, nämlich 50 Millionen Dollar. Der einfachste Platz am Tisch hat 250.000 Dollar gekostet, der teuerste 824.000 Dollar. Ein Abend von Millionären und Milliardären! Das hat Trump ordentlich Geld in die Kasse gespült. Es war ein Signal, dass die Trump-Kampagne weiterhin Energie hat.
Was sind das für Leute, die so viel Geld ausgegeben haben?
Etwa die Familie von Robert Mercer. Er hat Trump schon 2016 unterstützt. Außerdem die ehemalige Senatorin Kelly Loeffler oder Jeff Yass, ein Investor und der reichste Mann im Bundesstaat Pennsylvania, der einen großen Anteil an Trumps Netzwerk Truth Social gekauft hat. Das sind Milliardäre, die teilweise wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden sind. Sowohl bei Joe Biden als auch bei Trump muss man sagen: Es ist doch ein fatales Zeichen, wenn man sich in einem von wirtschaftlicher und finanzieller Not geprägtem Wahlkampf bei so abstrusen Abendveranstaltungen zeigt. Der Kontrast zur Lebensrealität der Menschen könnte nicht größer sein. Bei Obamas Wahlkämpfen bekam man keinerlei Informationen über solche Fundraising-Events. Wenn er nach Los Angeles geflogen ist, um mit 30 Hollywood-Stars gegessen hat, war da keine Presse erlaubt, es gab nie ein Foto. Jetzt gehen Biden und Trump raus und machen das Gegenteil. Ich halte das politisch nicht für hilfreich.
Zur Person
Julius van de Laar ist ein international tätiger Politikstratege und Kommunikationsberater. Er lebte 7 Jahre in den USA. Nach dem Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaften an der Furman University in den USA arbeitete er in den US-Präsidentschaftswahlkämpfen 2008 und 2012 als hauptamtlicher Wahlkämpfer für Barack Obama.
Warum machen sie das dann?
Weil sie es müssen. Biden musste signalisieren, dass ein bisschen Leben in seiner Kampagne steckt. Bei Trump dürfte es das Ego gewesen sein – der konnte es nicht auf sich sitzen lassen, dass Biden ihn auf seinem vermeintlich angestammten Territorium schlägt, nämlich im Business und im Geldverdienen.
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Gab es weitere wichtige Momente?
Ja, das Thema Abtreibung kocht weiter hoch. In Florida und Arizona wurde das Recht dazu per Gerichtsurteil massiv eingeschränkt. Trump hat sich dazu zu Wort gemeldet – seiner Meinung nach sollte sich die US-Regierung auf Bundesebene da raushalten. Die Bundesstaaten sollten das demnach selbst entscheiden. Er hat eben erkannt: Das Thema ist für ihn ein riesiges Problem. Allerdings steht in Florida eine Abstimmung darüber an, ob Frauen unter der Grenze von 16 Schwangerschaftswochen abtreiben dürfen. Er als Bürger Floridas wird selbst darüber abstimmen müssen – und das könnte ihm noch auf die Füße fallen.
Er hat sich in der Vergangenheit deutlicher dazu positioniert…
Ja, er hat sich immer als größter Verfechter der Anti-Abtreibungsbewegung inszeniert. Da ist auch was dran – schließlich hat er drei Richter am Supreme Court installiert, die das liberale Abtreibungsrecht aus den Sechzigerjahren zurückgedreht haben. Nur: Fakt ist auch, dass der Großteil Amerikas für das grundsätzliche Recht von Frauen auf Abtreibung ist. Trump muss verhindern, dass sich eine nennenswerte Basis gegen ihn mobilisiert – darunter auch moderate Republikaner.
Da ist ja noch Robert F. Kennedy Junior im Rennen. Was ist seine Rolle derzeit?
Da gab es in dieser Woche einen bemerkenswerten Moment. RFK Juniors Kampagnenchefin im Bundesstaat New York hat gesagt, der gemeinsame Feind von RFK Jr. und Donald Trump laute Joe Biden. Die Kampagnenchefin, Rita Palma, war selbst am 6. Januar 2021 beim sogenannten „Sturm auf das Kapitol“ dabei, sie ist also eine Trumpianerin und ruft nun dazu auf, Joe Biden als Präsident zu verhindern. Es verwundert schon, dass RFK Junior sich eine Kampagnenchefin aussucht, die primär dieses Ziel zu haben scheint – statt RFK zum Präsidenten zu machen.
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Generell kann man sagen: Trump wird wahrscheinlich auch dieses Mal auf maximal 47 Prozent der Stimmen kommen. Er wird keine 50 Prozent erlangen. Er scheint stark darauf zu setzen, dass ein Drittpartei-Kandidat wie RFK Junior kommt und in einigen Swing States drei bis fünf Prozent der Stimmen erhält, um dort den Weg für Biden zu verbauen. Auf diese Weise könnte Trump auch mit nur 47 Prozent der Stimmen gewinnen. Ich denke, das ist der Grund, warum Trump RFK braucht.
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Es wäre nicht das erste Mal, dass ein dritter Kandidat eine wesentliche Rolle spielt…
Richtig, manche werden sich noch an Ralph Nader erinnern. Im Jahr 2000 erhielt er in Florida 97.488 Stimmen und hat damit George W. Bush die Präsidentschaft ermöglicht. 2016 gewann Trump durch die Stimmen des Electoral College vor Hillary Clinton. Aber auch da gab es die unabhängige Kandidatin Jill Stein von den Grünen, die so viele Stimmen bekommen hat, dass man argumentieren kann: Ohne ihre Kandidatur wäre vermutlich Clinton Präsidentin geworden. Es gibt also Präzedenzfälle, und deshalb nimmt das Team von Joe Biden die Kandidatur von RFK Junior durchaus ernst.
Trump steht wegen der Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels ab Montag vor Gericht. Wie groß könnte der moralische Schaden für ihn sein?
Laut einer Reuters-Ipsos-Umfrage halten 34 Prozent der Amerikaner die Anklage für politisch motiviert, für eine Hexenjagd. 64 Prozent sagen aber, es sei schon ernst zu nehmen. Da sind auch Wechselwähler dabei. Nach der Aufstellung der Jury soll der Prozess an bis zu vier Tagen pro Woche stattfinden, über mehrere Wochen hinweg. Wie die Umfragen nach Prozessbeginn aussehen, müssen wir abwarten. Während Trump im Gericht ist, wird es für ihn schwer, seine Wahlkampagne durchzuführen. Kameras sind im Saal nicht zugelassen, er wird also abends rauskommen, Statements abgeben und versuchen, den Spin des Tages unter die Leute zu bringen.
Wie werden Joe Biden und Kamala Harris auf den Prozess reagieren?
Ich gehe davon aus, dass sie nicht darauf eingehen werden – eben um den Eindruck zu vermeiden, das Weiße Haus habe etwas damit zu tun. Genauso sind sie in der Vergangenheit damit verfahren.
Am Donnerstag hat es ein vieldiskutiertes Streitgespräch in Thüringen zwischen CDU-Chef Mario Voigt und AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke gegeben. Sehen Sie Parallelen zum US-Wahlkampf?
Die Relevanz solcher TV-Duelle ist in den USA schon seit Jahren immens, das war in Deutschland immer anders. Das ändert sich aber zusehends und dem „Welt“-Chef Jan Philipp Burgard ist ein echter Coup gelungen. Die Zuschauer haben im Voigt-Höcke-Gespräch herausfinden können, wo die CDU und die AfD wirtschafts- und europapolitisch stehen. Aber natürlich auch, wie die AfD und Björn Höcke ideologisch ticken. Rhetorisch fand ich das spannend: Höcke hat sich einiges aus dem US-Wahlkampf abgeschaut. Chris Christie aus New Jersey hat irgendwann mal den Gouverneur von Florida, Marco Rubio, unterbrochen und gesagt: „Das hört sich hier alles komplett einstudiert an. Das wirkt unauthentisch.“ Genau denselben Vorwurf hat Höcke Voigt gemacht – die sogenannten „Altparteien“ würden immer nur dieselben Phrasen bringen, die Leute wollten doch endlich mal was Neues und Lösungen sehen.
Dass die AfD nach Ansicht von Beobachtern kaum Lösungen anbietet, steht auf einem anderen Blatt…
Klar. Gleichzeitig muss man sagen, dieser Einwurf Höckes wirkte jetzt nicht so frisch wie Chris Christie damals, mehr wie ein zweitklassiger Schauspieler, der versuchte, den amerikanischen Wahlkampf zu kopieren.
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