Washington. Der Präsidentschaftskandidat will bei Schwangerschaftsabbrüchen auch Wechselwähler gewinnen – und geht damit ein großes Risiko ein.
Viel Feind, wenig Ehr‘: Donald Trumps Versuch, die aufgeheizte Abtreibungsdebatte in den USA vor der Präsidentschaftswahl im November mit einem argumentativen Trick beizulegen, ist nach hinten losgegangen.
Radikale Abtreibungsgegner zeigten sich tief enttäuscht darüber, dass der republikanische Präsidentschaftskandidat in einem vierminütigen Video kein landesweites Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen propagiert hat. Demokraten und Liberale sehen in Trumps Eigenlob, das 2022 vom Obersten Gerichtshof nach 50 Jahren gekippte landesweite Recht auf Schwangerschaftsabbrüche bis zur 24. Woche persönlich durch die Installierung von drei erzkonservativen Richtern orchestriert zu haben, neues Wahlkampffutter für den 5. November.
Das Resultat der höchst umstrittenen Entscheidung ist ein gesetzgeberischer Flickenteppich, der Frauen je nach regionaler Verortung de facto Schwangerschaftsabbrüche selbst bei Inzest und Vergewaltigung unter Strafandrohung verbietet. Während sie in liberalen Bundesstaaten wie New York oder Kalifornien legal bis zur 15. Woche abtreiben dürfen.
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Trumps lavierende Verteidigungsrede dieser Uneinheitlichkeit, die nach Angaben von Betroffenen viel Leid und Unsicherheit erzeugt, entspricht politischen Zweckmäßigkeitserwägungen. Ein nationales Abtreibungsverbot, davon ist der 77-Jährige überzeugt, könnte ihm und den Republikanern im Kongress im November den Sieg kosten; weil die Amerikaner mehrheitlich ein Recht auf „abortion“ befürworten. Gleichzeitig darf Trump christlich-fundamentale Wählerinnen und Wähler nicht verprellen, die zu seiner politischen Stammkundschaft zählen.
Der Versuch, beide Seiten zu befriedigen, indem er den umstrittenen Status quo für sinnvoll und wegweisend erklärt, musste nach Angaben von Analysten in US-Medien zwangsläufig scheitern. Zumal Trump taktische Fehler beging.
Persönlich hält Trump überhaupt nichts von einem landesweiten Abtreibungsverbot
Persönlich sprach er sich intern in den vergangenen Woche für ein Recht auf Abtreibung bis zur 16. Woche aus und betonte die Wichtigkeit, bei Inzest und Vergewaltigung Abtreibungen generell zu erlauben. In seinem Heimatbundesstaat Florida gilt aber ab 1. Mai ein beinhartes Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen ab der 6. Woche. Den Primat der Bundesstaaten, nach Gusto zu entscheiden, will Trump aber unangetastet lassen. Will er wirklich?
Anti-Abtreibungs-Lobby-Gruppen (und Präsident Joe Biden) sind sich sicher, dass Trump im Fall seiner Wiederwahl einen nationalen Abtreibungsbann unterzeichnen wird, wenn ihm der Kongress ein entsprechendes Gesetz vorlegt.