Brüssel/Berlin. Konfliktthema bei der Reise von Kanzler Scholz nach China: Wie reagiert Peking auf geplante EU-Strafzölle für chinesische E-Autos?
Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Samstag nach China reist, erwartet ihn eine heikle Beschwerde seiner Gastgeber: Die chinesische Regierung ist empört darüber, dass die Europäische Union Strafzölle auf chinesische Elektroautos vorbereitet. Wird Chinas Elektro-Offensive in Deutschland und Europa ausgebremst, dürfte Peking mit Gegenmaßnahmen reagieren – unter denen besonders die deutsche Autoindustrie zu leiden hätte. Werden Scholz und Präsident Xi Jinping den drohenden Handelskrieg noch verhindern können?
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Die Pläne für die Strafzölle, die Chinas bislang oft preisgünstigere Autos in Europa empfindlich verteuern könnten, sind nach Informationen unserer Redaktion weit gediehen. Begründen will sie die Kommission damit, dass der chinesische Staat seinen heimischen Autobauern mit marktverzerrenden, regelwidrigen Subventionen einen Vorteil verschaffe – zum Schaden europäischer Hersteller. Eine vorläufige Entscheidung will die Kommission bis zum 4. Juli verkünden. Experten erwarten einen Ausgleichszoll um die 20, vielleicht sogar 25 Prozent.
Elektroautos können rückwirkend mit Strafzöllen belegt werden
Eine kürzlich vorgelegte Analyse des europäischen Umwelt-Dachverbands Transport & Environment (T&E) schätzt, dass ein Strafzoll von 25 Prozent „mittelgroße Fahrzeuge und SUVs teurer macht als vergleichbare europäische Modelle“. Kompakte SUVs und Oberklasse-Limousinen dürften trotzdem „etwas billiger bleiben“.
Die Antisubventionsuntersuchung hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im vorigen September angekündigt, offenbar auf starken Druck aus Frankreich. China überschwemme Europas Markt dank „riesiger“ Staatshilfen, klagte von der Leyen. Im März erklärte ihre Behörde, es gebe bereits ausreichende Hinweise für die staatlichen Subventionen in China – ab sofort würden daher alle von dort importierten Elektroautos zollamtlich erfasst. So können sie gegebenenfalls auch rückwirkend mit Strafzöllen belegt werden. In einem neuen Report bekräftigte die Kommission am Mittwoch ihre Kritik an den marktverzerrenden Subventionen und bezog sie auch auf weitere Branchen, etwa Halbleiter oder erneuerbare Energien. Zeitgleich kündigte die Brüsseler Behörde Subventionsermittlungen gegen chinesische Windkraftunternehmen an.
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Der Präsident der EU-Handelskammer in Peking, Jens Eskelund, warnte kürzlich vor der Gefahr einer Deindustrialisierung, wenn Chinas auf Export angelegtes Wachstum mit großen Überkapazitäten die Autoindustrie oder etwa auch die Solarbranche aushöhle. Noch ist es nicht so weit: Der Anteil chinesischer Marken am Stromer-Absatz in Europa liegt im einstelligen Bereich, wächst allerdings schnell – schon dieses Jahr könnte er auf elf Prozent klettern, schätzt die T&E-Analyse. Demnach läge der Marktanteil 2027 bereits bei 20 Prozent; andere Studien erwarten diese Marke für 2030.
Der chinesische Handelsminister Wang Wentao beteuerte diese Woche auf einer Europatour, der schnelle Aufstieg sei nicht Subventionen zu verdanken, sondern Innovationen und umfassenden Lieferketten. Die Regierung in Peking zeigt sich besorgt über die EU-Pläne, fordert den Verzicht auf die Strafzölle und droht schon, man werde die legitimen Interessen der chinesischen Autobauer zu schützen wissen.
BYD plant Fabrik für Fahrzeuge und Batterien in Ungarn
In der deutschen Autoindustrie stoßen die Brüsseler Pläne deshalb auf Skepsis bis offene Ablehnung. Die großen Hersteller wie Mercedes oder Volkswagen, die mehr als 30 Prozent ihrer Neuwagen in China verkaufen, fürchten als Gegenreaktion Strafmaßnahmen in China. Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der deutschen Autoindustrie (VDA), warnt, am Ende schadeten die Zölle Deutschland als Exportnation.
Zuletzt stellte Mercedes-Benz-Chef Ole Källenius klar: „Wir Unternehmen bitten nicht um Schutz.“ Entsprechend kritisch ist die Position in der Bundesregierung: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnt vor Vergeltungsmaßnahmen Pekings. Pünktlich zur China-Reise bekräftigt auch Kanzler Scholz, dass er die Strafzölle „skeptisch“ sieht. „Unsere Produkte müssen durch ihre Qualität überzeugen“, ließ Scholz über seinen Regierungssprecher Steffen Hebestreit erklären. „Schutzzölle sind etwas, das die Weltwirtschaft hemmt.“ Wenn Deutschland seine Autos auf allen Märkten der Welt verkaufen wolle, so hatte Scholz schon vor einigen Monaten erklärt, dann sei es auch offen für Autos auf seinem eigenen Markt.
Doch wird der Kanzler in Peking darauf drängen, dass China die Regeln einhält und von selbst für faire Wettbewerbsbedingungen sorgt, um Strafzölle abzuwenden. Chinas Strategie ist womöglich eine andere: Um Zollbarrieren zu umgehen, könnten chinesische Hersteller eigene Fabriken in Europa bauen. BYD Auto, Marktführer unter den chinesischen Elektroautoherstellern, macht den ersten Schritt: BYD plant schon eine Fabrik für Fahrzeuge und Batterien in Szeged in Ungarn.