Berlin. Militärexperte Masala hält die Diskussion über ein Einfrieren des Ukraine-Krieges für „völlig übertrieben“ – und nennt einen Ratschlag.

Herr Masala, wie ist aktuell die Lage an der ukrainischen Front?

Carlo Masala: Sie ist unverändert kritisch. Im Osten halten die Ukrainer die Stellungen, so gut sie können. Sie sehen sich einem großen Druck durch die Russen ausgesetzt. Auch der Munitions- und Personalmangel hält unverändert an.

Einfach erklärt: Warum hat Russland die Ukraine überfallen?

Wie ist das neue Hilfspaket für die Ukraine zu bewerten?

Da geht es vor allem um die Munition – es ist zwar das, was die Ukraine braucht, aber nicht in dem erforderlichen Maß. Man muss bedenken: Wenn es irgendwo Munition gibt, heißt das nicht zwingend, dass die Staaten sie verkaufen wollen. Wenn sie sie verkaufen wollen, muss man erst mal mit ihnen verhandeln. Da vergeht einfach Zeit.

Putin startet jetzt in eine fünfte Amtszeit, sechs weitere Jahre liegen vor ihm. Was erwarten Sie von dieser Zeit?

Innenpolitisch kann ich nichts dazu sagen. Außenpolitisch ist Putin da bisher sehr klar gewesen: Er sieht sich gestärkt, er sieht sich auch in der Ukraine auf der Gewinnerstraße. Da ist keine substanzielle Veränderung zu erwarten.

Carlo Masala

Er ist einer der bekanntesten Militärexperten in Deutschland. Masala (Jahrgang 1968) lehrt Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München. Er beantwortet unserer Redaktion jede Woche die wichtigsten Fragen rund um den Konflikt in der Ukraine.

Rolf Mützenich hat in der vergangenen Woche im Bundestag das Einfrieren des Krieges gefordert. Was würde das für die Ukraine in naher Zukunft bedeuten?

Einfrieren heißt erst mal gar nichts – man müsste erst mal Verhandlungen über das Einfrieren führen. Denken Sie an den Korea-Krieg: Der begann 1950, ab 1951 wurde verhandelt, 1953 wurde eine Vereinbarung getroffen. Bis dahin gingen die Kämpfe weiter. „Einfrieren“ bedeutet daher noch lange nicht, dass die Menschen in Sicherheit leben. Ein wichtiger Punkt ist außerdem: Einen Konflikt kann man nur mit Akteuren einfrieren, die daran ein Interesse haben. Es deutet im Moment nichts darauf hin, dass Russland ein Interesse daran hat. Dass aber irgendwann mal verhandelt werden würde, war von Anfang an klar – niemand hat je ernsthaft geglaubt, dass dieser Krieg für die Ukraine militärisch zu gewinnen sein könnte. Die Frage ist nur: Trägt Russland alles davon, was es gewonnen hat? Oder muss es Kompromisse eingehen? An diesem Punkt sind wir noch nicht.

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Wo sehen Sie die deutsche Debatte darüber im Moment?

In Teilen der deutschen Bevölkerung und in Teilen der SPD bricht sich die Stimmung Bahn, dass man doch nach zwei Jahren Krieg mal aufhören müsse und dass das so nicht weitergehen könne. Rolf Mützenich verleiht dem Ausdruck, denke ich. Gleichzeitig hat er eine Rolle rückwärts gemacht: Zuerst sprach er vom Einfrieren. Dann sprach er von humanitären Waffenpausen, lokal und zeitlich begrenzt. Später sagte er, es sei ja klar, dass Putin im Moment darauf nicht eingehen würde. Er ist also selbst massiv zurückgerudert.

Mützenich ist SPD-Fraktionschef. Wie wahrscheinlich ist es, dass er ein Einfrieren des Krieges ohne Kenntnis des Bundeskanzlers fordert?

Das kann ich nicht einschätzen. Es gibt Berichte, wonach Scholz über Mützenichs Formulierung nicht so glücklich war. In einem Podcast hat er sich dezidiert noch einmal gegen diese Bezeichnung „Friedenskanzler“ gewendet. Es sieht ein bisschen danach aus, als wäre das nicht abgesprochen gewesen. Aber sicherlich war es seitens des SPD-Fraktionsvorsitzenden ein Testballon, wie die öffentliche Debatte nach seinen Äußerungen verläuft.

Und, wie verläuft sie?

Die deutsche Diskussion treibt aktuell ins Hysterische. Völlig übertrieben. Wenn ich das richtig gelesen habe, hat Frau Strack-Zimmermann Herrn Mützenich jetzt in eine Reihe gestellt mit Sahra Wagenknecht und Björn Höcke. Wir sind mitten in einer rein innenpolitischen Debatte angelangt, die eigentlich nichts mit dem zu tun hat, was in der Ukraine benötigt wird und wie dieser Krieg verläuft.

Wie kommen wir da wieder raus?

Indem sich alle mal am Riemen reißen und aufhören, innenpolitische Punkte auf dem Rücken der Ukrainer zu machen.