Tel Aviv. Das Rote Kreuz ist im Gaza-Krieg zwischen die Fronten geraten. Die Vorwürfe der Israelis sind drastisch. Jetzt reagieren die Helfer.
Ob es irgendwann einen neuen Deal zur Freilassung der israelischen Geiseln in Gaza geben wird? Das ist im Moment völlig unklar. Die Zahl der lebenden Geiseln wird auf rund Hundert geschätzt, darunter auch Minderjährige, ältere Menschen und chronisch Kranke.
Die Familien der Geiseln, die seit mehr als 146 Tagen auf ein Lebenszeichen warten, schauen in diesen Tagen besonders oft auf ihre Smartphones, um die Nachrichten zu checken: Kommt es demnächst zu einer Waffenruhe und in der Folge zu einer Freilassung der Geiseln?
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Der
wirft nun erneut auf dramatische Weise ein Schlaglicht auf die humanitären Bedingungen im Gazastreifen. Bis zu 100 Palästinenser sollen bei dem Vorfall im Norden des Gebietes getötet worden sein, während sie auf Hilfslieferungen warteten. Israel bestreitet eine Verantwortung an dem Desaster.
Warten auf eine Verhandlungslösung
Internationale Hilfsorganisationen schlagen seit Wochen Alarm, die Situation der Menschen ist mehr als prekär. Einer der zentralen Akteure vor Ort: das Internationale Rote Kreuz (IRC). Doch was können die IRC-Mitarbeitenden in diesem internationalen Spannungsfeld leisten? Welche Kritik gibt es an ihrem Handeln?
Die lokalen Beschäftigten des IRC kümmern sich um die medizinische Versorgung der Menschen. Doch sie warten seit Wochen ebenso gespannt auf einen Durchbruch in den Verhandlungen Israels mit der Hamas. Die IRC-Mitarbeitenden sind es, die dann dafür sorgen müssen, dass eine reibungslose Übergabe der Geiseln von der Hamas an die Israelis klappt. „Wir sind jederzeit bereit dazu“, sagt Sarah Davies, die Sprecherin des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes in Israel und den Palästinensergebieten.
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Israel: Gaza unter Beschuss – Rotes Kreuz massiv in der Kritik
Seit dem Überfall der Hamas auf Israel und dem Beginn des Dramas rund um die Geiseln steht das Rote Kreuz in der Kritik. In Israel wirft man der Rettungsorganisation vor, sich zu wenig um das Schicksal der Geiseln zu kümmern.
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Je mehr Zeit vergeht, desto größer ist der Zorn auf das Rote Kreuz. Für Unverständnis sorgt, dass deren Mitarbeiter es auch nach Monaten noch nicht geschafft haben, Zugang zu den Geiseln zu bekommen. Man hält das für den Ausdruck einer anti-israelischen Haltung der Organisation und wirft ihr vor, sich sehr wohl um Zivilisten in Gaza zu kümmern, nicht aber um israelische Gekidnappte.
Auf Demonstrationen in Tel Aviv ist die Kritik an der internationalen Nichtregierungsorganisation (NGO) ein wiederkehrendes Motiv. Protest-Transparente fragen: „Wo ist das Rote Kreuz?“
Ende Dezember reichte die israelische Organisation Shurat HaDin eine Klage gegen das Rote Kreuz ein. Im Prozess vor dem Jerusalemer Bezirksgericht wird die Organisation beschuldigt, gegen ihre gesetzliche Pflicht zu verstoßen und die gekidnappten Israelis zu vernachlässigen.
Gazastreifen: Rotes Kreuz nur ein „Taxiunternehmen“?
Die Kritik ließ nicht nach, als im vergangenen November die ersten 110 Geiseln aus der Gewalt der Hamas befreit wurden – im Gegenteil. In Jeeps, auf deren Karosserie das Logo des Internationalen Roten Kreuzes lackiert ist, wurden die befreiten Geiseln in Gaza zum Grenzübergang Rafah gebracht und dort den Israelis übergeben. Danach hagelte es Häme in den sozialen Medien. „Das Rote Kreuz ist ein Taxiunternehmen, mehr nicht“, hörte man oft in jenen Tagen.
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Rotkreuz-Sprecherin Sarah Davies versteht diese Kritik. Was die Angehörigen der Geiseln durchmachen, sei „der schlimmste Schmerz, den man im Leben erfahren kann. Ich kann mir nicht annähernd vorstellen, wie es ist, Tag für Tag mit diesem Horror zu leben.“ In dieser Lage sei es logisch, dass man diese Frustration auch gegen die NGOs vor Ort richte.
Die Sprecherin bittet aber um Verständnis: „Was die Leute auf den Videos der Freilassung zu sehen bekommen, ist nur ein Bruchteil dessen, was wir in Gaza tun.“ Der größte Teil der Arbeit finde hinter den Kulissen statt, um das Vertrauen zu den Konfliktparteien nicht zu gefährden. „Neutral zu bleiben ist so wichtig, damit man uns noch weiterhin vertraut.“
Rotes Kreuz in Israel: „Arbeiten mit bewaffneten Gruppierungen zusammen“
Damit ist auch die Hamas gemeint. „Wir arbeiten mit bewaffneten Gruppierungen auf der ganzen Welt zusammen, das ist Teil unseres Jobs“, sagt Davies. Anders sei humanitäre Arbeit nicht zu leisten. Offene Kritik an der Hamas hört man vom Roten Kreuz daher kaum. Sehr wohl aber den Aufruf, „alle Geiseln sofort freizulassen“. Ein Aufruf, der bislang verhallt ist.
In den Augen der Kritiker ist das, was man im Roten Kreuz „neutral“ nennt, hingegen oft „passiv“ genannt. Seit mehr als 140 Tagen haben die Rotkreuz-Helfer die Geiseln nicht besucht. In Israel wird das als stille Duldung der Hamas-Verbrechen verstanden.
Das Rote Kreuz hingegen verteidigt sich gegen diese Vorwürfe und sagt. „Wir wollen die Geiseln ja besuchen, wir wollen sie versorgen, ihnen Medikamente bringen“, sagt Davies – „aber wir können nicht, solange es keine Einigung der Konfliktparteien gibt.“ Erstens wisse man gar nicht, wo die Hamas die Geiseln festhält – das ändere sich auch ständig. Und selbst, wenn man es wüsste, „würden wir das Leben der Geiseln gefährden, wenn wir ohne klare Abmachung zu ihnen vordringen“, sagt Davies.
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Israel: So läuft Übergabe von Geiseln ab
Mit der israelischen Armee pflege man „konstruktive Beziehungen“, sagt die Sprecherin des Roten Kreuzes. Das sei wichtig, da die Übergabe der Geiseln eine enge Abstimmung auch mit dem Militär erfordert.
Grundsätzlich ist der Ablauf so: Nach der Einigung über einen Geisel-Deal gibt die Hamas der Organisation den Aufenthaltsort der freizulassenden Geiseln bekannt. Dort werden sie vom Roten Kreuz abgeholt und medizinisch erstversorgt. Zuvor müssen aber erst alle Routen gesichert und von möglichen Sprengkörpern wie nicht gezündeten Granaten befreit werden. An der Grenze werden die Geiseln dann übergeben.
„Es ist für viele Menschen schwer nachzuvollziehen, dass wir kaum öffentlich Standpunkt beziehen“, sagt Davies zum Vorwurf, dass das Rote Kreuz keine klaren Worte zum Hamas-Terror finde. „Wir kommunizieren unsere Einwände direkt, hinter verschlossenen Türen, im Gespräch mit den Konfliktparteien“, sagt Davies. „Das ist für viele nicht ganz einfach zu verstehen. Aber so arbeiten wir seit 160 Jahren in vielen Regionen der Welt.“
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