London. In Großbritannien sollten Wärmepumpen die Norm werden, doch der Plan scheint zu scheitern. Was kann Deutschland aus den Fehlern lernen?
- Wärmepumpen gelten als Technologie der Zukunft
- In Großbritannien hatte man sich für ihren Einbau ehrgeizige Ziele gesetzt
- An ihnen droht die Regierung in London nun zu scheitern
An Rishi Sunaks Klima-Rückzieher ist man sich in Großbritannien mittlerweile gewöhnt. In den vergangenen sechs Monaten hat der Premierminister die Klimaziele seiner Regierung laufend aufgeweicht. So ist etwa das Verbot von neuen Benzin- und Dieselautos um fünf Jahre auf 2035 verschoben worden, gleichzeitig hat London letztes Jahr grünes Licht gegeben für neue Öl- und Gaslizenzen.
Jetzt steht offenbar die nächste Kehrtwende an. Es geht um Wärmepumpen. Eigentlich hätte im April eine neue Bestimmung in Kraft treten sollen, die Heizungshersteller in die Pflicht genommen hätte: Diese hätten dafür sorgen müssen, dass vier Prozent ihres Gesamtumsatzes aus dem Verkauf von Wärmepumpen stammen. Wer es nicht schafft – so der Plan – sollte sanktioniert werden, und zwar mit 3000 Pfund für jedes Stück, um das das Ziel verpasst wird. Aber laut Presseberichten steht die Regierung kurz davor, die Neuregelung über Bord zu werfen.
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Die Hersteller hatten sich heftig gegen die Pläne gewehrt. Sie sagten, das Ziel sei zu hoch gesteckt und würde ihnen zu hohe Kosten verursachen. Sie haben bereits Konsequenzen gezogen: Worcester Bosch und Baxi, beides zwei große Boiler-Fabrikanten, kündigten Ende letzten Jahres an, den Preis ihrer Gasboiler um 120 Pfund anzuheben, um für die Strafgelder aufkommen zu können. „Wir werden diesen Aufschlag einzig und allein dafür nutzen, um die erwartete Buße bezahlen zu können“, sagte Carl Arntzen, Vorsitzender von Worcester Bosch im Dezember. Kritiker sprechen von einer „Boiler-Steuer“, mit der die Hersteller die zusätzlichen Kosten auf die Verbraucher abwälzen.
Heizung: Experten in Großbritannien halten Vorgaben für umsetzbar
Energieexperten gehen indes davon aus, dass die Zielvorgaben durchaus umsetzbar sind: Es sei „unaufrichtig“, wenn die Hersteller sagen, ohne die höheren Boiler-Kosten könnten sie die Strafgelder nicht bezahlen, sagte Richard Lowes, Wärmepumpen-Spezialist von der Exeter University, gegenüber der „Times“. Das sei ein „völlig unplausibles Szenario“, das voraussetzen würde, dass der „Markt für Wärmepumpen auf Null zusammenschrumpft.“ So sieht es auch die Regierung: Energieministerin Claire Coutinho sagte im Dezember, es sei „extrem unwahrscheinlich“, dass die Fabrikanten die Strafe bezahlen müssten. Sie beschuldigte die Unternehmen der „Wucherei“.
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Der Umstieg auf Wärmepumpen geht in Großbritannien sehr stockend voran. Im Jahr 2023 wurden hier knapp 37.000 Geräte installiert. Das ist zwar ein Anstieg von rund 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Aber in Europa zählt das Land zu den Schlusslichtern – Frankreich beispielsweise installiert etwa zehn Mal so viele Wärmepumpen wie Großbritannien, auch Deutschland ist der Insel deutlich voraus. Dabei hat die Regierung ihr Ziel hoch gesteckt: Bis 2028 sollen jährlich 600.000 Häuser mit Wärmepumpen ausstatte. Dies soll einen entscheidenden Beitrag zum Klimaziel leisten. Aber davon ist das Land weit entfernt.
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Wärmepumpe in Großbritannien: „Wir werden niemanden zwingen“
Es gibt eine Reihe von Gründen, weshalb die Wärmepumpen-Wende kaum Fortschritte macht. Einerseits scheint es die Regierung nicht eben eilig zu haben, trotz ihrer erklärten Ambitionen. Im September kündigte Rishi Sunak an, dass der Ausstieg aus den Gasboilern – mit denen in Großbritannien rund 80 Prozent der Haushalte heizen – von 2026 auf 2035 verschoben wird. „Wir werden nie jemanden zwingen, ihren alten Gasboiler rauszuschmeißen und durch eine Wärmepumpe zu ersetzen“, sagte der Premierminister. „Der Wechsel muss erst dann stattfinden, wenn der alte Boiler sowieso ersetzt wird, und auch dann erst ab 2035.“ So haben Hausbesitzer kaum einen Anreiz, sich um eine kohlestoffarme Alternative zu ihrem Gasboiler zu kümmern.
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Ein weiteres Problem sei die Qualität der britischen Häuser, schreibt der Akademiker Nicholas Harrington von der Universität Glasgow in einer neuen Studie. Viele Hausbesitzer, die eigentlich eine Wärmepumpe installieren wollten, stellten fest, dass dafür größere Gebäudesanierungen nötig seien – bessere Wärmedichtung etwa, oder neue Rohre. Die britische Regierung gibt zwar jedem Privathaushalt, der eine Wärmepumpe installieren will, 7500 Pfund (bis Ende Oktober waren es nur 5000 Pfund). Aber wenn man die zusätzlichen Sanierungskosten miteinberechne, sei das noch immer nicht genug, schreibt Harrington.
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Wärmepumpe: Lobbyisten machen Stimmung gegen neue Heizungsart
Dazu kommt noch etwas anderes: Lobbying durch die Gasboiler-Hersteller. Das Investivativportal DeSmog gewährte im vergangenen Sommer einen Einblick in die Methoden dieser Lobbyisten. DeSmog enthüllte, dass die Energy and Utilities Association (EUA), die unter anderem Gasboiler-Hersteller vertritt, eine Werbeagentur beauftragt hat, Wärmepumpen mittels einer PR-Kampagne in ein schiefes Licht zu rücken. Die Agentur enttäuschte nicht: Sie schaffte es, in führenden Publikationen negative Berichte und Interviews über Wärmepumpen zu platzieren, etwa in der Boulevardzeitung „The Sun“ oder im Tory-Hausblatt „Daily Telegraph“. Wärmepumpen werden darin etwa als „finanziell irrational“, „teuer und laut“, oder „sowjetisch“ gebrandmarkt.
Solch intensives Lobbying hat Folgen. Martin Freer, Energieexperte und Professor an der Universität Birmingham, sagte, der mangelnde Fortschritt bei Wärmepumpen liege teilweise daran, dass die Konsumenten etwas ratlos dastünden: „Die Eigenheimbesitzer erhalten widersprüchliche Botschaften von der Regierung und der Industrie, welche kohlenstoffarme Heizlösung die beste ist.“ In anderen Ländern gäbe es keine solche Verwirrung.
Wärmepumpe | Gasheizung | |
Energiequelle | Luft, Erde oder Wasser | Erdgas, Flüssiggas, Biomethan (Biogas), Wasserstoff (H2-ready) |
Umweltfreundlichkeit | Hoch – nutzt ausschließlich erneuerbare Energien | Niedrig – erzeugt CO2 |
Anschaffungskosten | Hoch | Niedrig |
Betriebskosten | Niedriger – gekoppelt an Strompreis | Höher – gekoppelt an Brennstoffpreise |
Wirkungsgrad | Hoch – bis zu 300 bis 400 Prozent unter optimalen Bedingungen | Niedriger – zwischen 90 bis 95 Prozent bei modernen Anlagen |
Lebensdauer | Länger – bis zu 20 Jahre | Kürzer – rund 10 bis 15 Jahre |
Installation | Komplexer – insbesondere bei Erd- und Grundwasserbohrung | Einfacher – keine zusätzliche Infrastruktur nötig |
Wartung | Geringer | Höher |
Platzbedarf | Kann höher sein – primär bei Erdwärmepumpen | Meist niedriger |
Förderung | Hoch – es gibt eine staatliche Förderung für Wärmepumpen von bis zu 40 Prozent der Gesamtkosten | Keine Förderung für klassische Gastherme – unter Umständen wird aber der erneuerbare Anteil (H2-ready) gefördert |
CO2-Preis | spielt keine Rolle | Soll in den kommenden Jahren ansteigen – die Folge: Fossile Brennstoffe werden teurer. |