Berlin. Fotovoltaik, Windkraft, E-Mobilität: Wie gut meistert die Regierung den Kampf gegen die Erderhitzung? Wissenschaftler ziehen Bilanz.

Die Bundesregierung muss ihr Tempo bei der Energiewende deutlich steigern, um die deutschen Klimaschutzverpflichtungen einzuhalten. „Während Deutschland bei der Fotovoltaik auf einem guten Weg ist, liegt der Ausbau bei der Windkraft an Land derzeit noch deutlich unter dem Zielpfad. Den größten Nachholbedarf gibt es bei der Elektromobilität und bei der Herstellung von grünem Wasserstoff.“ Diese gemischte Bilanz zur Halbzeit der regulären Legislaturperiode der Ampel-Regierung hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Studie gezogen, die dieser Redaktion vorliegt. „Um die gesetzten Ziele bis 2030 zu erreichen, ist noch ein erheblicher Fortschritt nötig.“

Wenn die Regierung die Anstrengungen erhöhe und konsequent handele, könnten die gesetzten Ziele aber noch erreicht werden, ist der DIW-Ökonom und Mitautor, Wolf-Peter Schill, überzeugt. Und dies auch nach dem Karlsruher Haushalts-Urteil. „Die Finanzierung der für die Transformation wesentlichen Maßnahmen kann durch einen Mix von Maßnahmen auf der Ausgaben- und Einnahmenseite gesichert werden“, so Schill. „Dazu gehört neben einer Fokussierung und stärker bedarfsabhängigen Ausgestaltung von Fördermaßnahmen auch eine Stärkung der CO2-Bepreisung, sowie möglicherweise auch eine Modifikation der Schuldenbremse.“ Das kritisieren die DIW-Ökonomen:

Energiewende

Zur Energiewende gehört ein Bündel von Maßnahmen. Das Problem: Viele Projekte erfordern längere Planungs- und Umsetzungszeiten, das Tempo könne nicht sofort erhöht werden, so die Ökonomen. Positiv sei, dass im Zuge der Energiekrise nach Beginn des Ukraine-Kriegs die Ziele für den Ausbau der Photovoltaik und Windkraft nochmal erhöht wurden.

Photovoltaik

Der Ausbau der Photovoltaik geht am besten voran. „Sie liegt deutlich über dem Plan“, urteilen die DIW-Ökonomen. Das Ausbauziel für 2023 wurde bereits im August erreicht. Aktuell sind rund 80 Gigawatt (GW) an Leistung installiert und damit 33 Prozent mehr als zum Beginn der Koalition (60 GW). Die Leistung soll bis 2025 rund 105 GW betragen und sich dann bis 2030 nochmal auf 215 GW mehr als verdoppeln. Der Zubau liegt im Vergleich zu allen Vorjahren auf Rekordniveau. Er wird vor allem von kleineren Anlagen auf Dächern, aber auch Balkonkraftwerken getragen. Die Integration dieser Anlagen in das Stromsystem sollte eine höhere Priorität erhalten, empfiehlt die Studie. Da die Ziele für die nächsten Jahre noch höher gesetzt sind, muss sich das Ausbautempo beschleunigen. Die Hälfte soll auf Freiflächen erfolgen.

Windkraft

Bei der Windkraft an Land liegt der Ausbau hinter den Zielen zurück, so das DIW. Aktuell sind hier rund 61 GW installiert, nur rund neun Prozent mehr (5 GW). Die Leistung soll auf 76 GW bis zum Ende der regulären Legislaturperiode und bis 2030 weiter um 50 Prozent auf 115 GW ausgebaut werden. „Zum Erreichen der Ziele ist eine deutliche Steigerung erforderlich“, mahnen die Wissenschaftler. Pro Jahr müssten rund 7 GW hinzukommen.

„Angesichts langer Planungs- und Genehmigungsdauern für neue Windparks erscheint das Erreichen des 2030-Ziels unsicher.“ Der Ausbau hänge entscheidend davon ab, wie schnell Genehmigungen beschleunigt und umgesetzt würden. Die Offshore-Windkraft auf See hat sich seit 2021 nur gering um 0,6 GW auf 8,4 GW installierte Leistung erhöht. Ein größerer Zubau ist erst nach 2029 geplant. Dafür wurden 2023 Ausbaukapazitäten über 8 GW versteigert.

Der Windkraftausbau an Land kommt nur schleppend voran.
Der Windkraftausbau an Land kommt nur schleppend voran. © picture alliance/dpa | Patrick Pleul

Wärmepumpen

Bis 2030 sollen sechs Millionen Wärmepumpen installiert sein. Aktuell sind es 1,7 Millionen, 500.000 mehr als zum Regierungsstart. Während die Nachfrage zunächst boomte, ist derzeit ein starker Rückgang der Nachfrage eingetreten. Grund dafür war auch die Debatte um das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG). Nach dem „Heizungsgesetz“ dürfen Gas- und Ölheizungen nun doch noch bis Juni 2028 installiert werden. Das Ziel, ab 2025 nur noch Heizungen mit mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energie zu installieren, wurde aufgegeben. Die Ökonomen empfehlen, den Verkauf fossiler Heizgeräte so schnell wie möglich zu beenden.

Elektromobilität

Die E-Mobilität hängt dem Ziel von 15 Millionen E-Autos bis 2030 noch weit hinterher. Aktuell sind rund 1,3 Millionen E-Autos in Deutschland zugelassen, gut doppelt so viele wie 2021. Der Anteil der Neuzulassungen von E-Autos mit 17 Prozent müsste sich verdreifachen, so die Ökonomen. Bis 2025 sei ein Bestand von rund vier Millionen Elektroautos erreichbar. Die öffentlichen Ladepunkte hätten sich von 60.000 auf 100.000 erhöht. Damit wachse die Ladeinfrastruktur jedoch nur genauso schnell wie die E-Fahrzeugflotte, so die Studie. Doch laut Koalitionsvertrag sollte der Ausbau dem Bedarf vorausgehen. Die Ökonomen sehen mehrere Gründe für das langsame Wachstum der E-Pkw-Flotte: Das Modellangebot der Industrie sei zu begrenzt. Zudem müsste der Anteil gewerblicher E-Autos schneller steigen.

Wasserstoff

Bei der Herstellung von grünem Wasserstoff steht der Ausbau noch am Anfang. Bis 2030 soll die Elektrolyseleistung von 10 GW erreicht werden – derzeit liegt er noch unter 0,1 GW und damit bei nur einem Prozent des Ziels. Mit einer nationalen Wasserstoffstrategie wurde 2023 zumindest ein Plan zum Ausbau der Infrastruktur vorgelegt, so das DIW. Dazu zählen der Bau eines Wasserstoff-Kernnetzes und der Hochlauf von Wasserstoff-Importen. „Beim grünen Wasserstoff gibt es derzeit zwar noch kaum konkrete Anlagen, aber das Tempo im Bereich der Infrastrukturplanung und -entwicklung ist vergleichsweise hoch.“