Berlin. Viele Jahre gearbeitet, aber wenig verdient: Der Staat zahlt dann einen Zuschlag zur Rente. Doch die Einkommensprüfung sorgt für Ärger.
Die Grundrente soll die Lebensleistung Millionen ärmerer Rentner belohnen. Auch Ursel Statz, die in einer kleinen Gemeinde bei Kiel lebt, erhält den Zuschlag, der jedes Jahr neu berechnet wird. Statz, heute 75 Jahre alt, kommt auf fast 50 Berufsjahre als Frisörin. Mit 15 begann sie eine Ausbildung in einem kleinen Salon, später wechselte sie in einen größeren Betrieb, arbeitete eigenen Angaben zufolge aber auch gut zwei Jahrzehnte lang nicht in Vollzeit.
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So wie viele andere Bezieherinnen und Bezieher der Grundrente erhielt auch Ursel Statz Anfang des Jahres Post von der Deutschen Rentenversicherung (DRV), ein Schreiben, das sie und ihren Mann erzürnte. „Mir wird die Rente gekürzt, um fast 143 Euro im Monat. Das finde ich unerhört“, sagt sie. Mit diesem Ärger um die Kürzung beim sogenannten Grundrentenzuschlag ist Statz nicht alleine. Nach Angaben des Sozialverbands Deutschland (SoVD) hätten sich in den vergangenen Wochen zahlreiche Mitglieder mit Blick auf eine veränderte Rentenhöhe gemeldet. In vielen Fällen sei die Rentenzahlung gekürzt worden. Der Grund dafür ist, dass die Rentenversicherung den Grundrentenzuschlag neu berechnet hat.
Grundrente: Renterinnen und Rentner müssen den Zuschlag nicht beantragen
Die Neuberechnung steht DRV-Angaben zufolge turnusmäßig an. „Jährlich wird zum 1. Januar das auf den Grundrentenzuschlag anzurechnende Einkommen geprüft“, so die Rentenversicherung auf Anfrage. Die Grundrente war Anfang 2021 für Menschen eingeführt worden, die mindestens 33 Jahre lang Beiträge in die Rentenkasse gezahlt, aber unterdurchschnittlich verdient haben. Die Grundrente müssen Empfängerinnen und Empfänger nicht beantragen, sie kommt einfach so. Wer den Zuschlag erhält, ermittelt die DRV anhand von Steuerdaten der Finanzämter. Relevant dafür sind die letzten, vollständig vorliegenden Steuerdaten. Für 2024 ist das in den meisten Fällen das Steuerjahr 2021.
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Dem Sozialverband SoVD geht die Neuberechnung gegen den Strich. Zwar handele es sich um kleinere Beträge. Doch gerade bei Menschen mit kleinen Renten könnten diese einen großen Unterschied machen. SoVD-Vorsitzende Michaela Engelmeier findet dafür gegenüber dieser Redaktion deutliche Worte. „Das sorgt zu Recht für Frust bei vielen Betroffenen und zeigt einmal mehr, wie unsinnig die Einkommensprüfung bei der Grundrente ist“, sagte sie.
Grundrente: Sozialverband hat mit Blick auf die Einkommensprüfung eine Forderung
Der SoVD habe von Anfang an diese Prüfung kritisiert. „Gerade jetzt – in einer Phase der hohen Inflation – muss wenigstens die Einkommensprüfung bei der Grundrente ausgesetzt, am besten ganz gestrichen werden. Sonst führt der gut gemeinte Gedanke einer Grundrente nur zu einem weiteren Vertrauensverlust in die gesetzliche Rente – aber auch in den Staat. Und das ist, was wir jetzt bei dieser angespannten Stimmungslage im Land am wenigsten brauchen“, so Engelmeier weiter.
Der Grundrentenzuschlag kann maximal 460,60 Euro betragen. 2022 lag er durchschnittlich bei 86 Euro. Insgesamt profitierten zuletzt rund 1,1 der etwa 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner davon. CDU/CSU und SPD hatten eigentlich mehr Berechtigte erwartet. Dass der Zuschlag nun weniger Menschen erreicht, liegt an der Einkommensprüfung. Ohne den Blick in die Steuerbücher hätten dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) zufolge rund 2,3 Millionen Personen Anspruch auf einen Zuschlag gehabt. Bei gut der Hälfte (53 Prozent) der Rentner, bei denen die Voraussetzungen für einen Grundrentenzuschlag erfüllt sind, führt der Einkommenstest also dazu, dass gar kein Zuschlag gezahlt wird.
Gehts es nach der SPD, wäre es bei der Grundrente auch ohne Einkommensprüfung gegangen
Ausschlaggebend dafür sind die Freibeträge: Wer als Rentner ein zu versteuerndes Einkommen von bis zu 1.375 Euro im Monat hat, erhält die volle Höhe der Grundrente. Lebt ein Rentner in einer Ehe oder einer eingetragenen Partnerschaft, darf das gemeinsame Einkommen nicht über 2.144 Euro liegen. Wer mehr verdient, muss Abschläge in Kauf nehmen. Zur Berechnung herangezogen werden alle steuerpflichtigen Einkünfte, zum Beispiel auch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Wissenschaftler kritisieren die Einkommensprüfung schon länger als zu aufwendig.
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Debatten über mögliche Änderungen bei dem Verfahren haben nun auch den Bundestag erreicht. Die SPD bedauert die jährlichen Einkommensprüfungen. Ihre Partei habe sich immer dafür eingesetzt, dass die Grundrente bei Bedarf ohne Einkommens- oder Vermögensprüfung ausgezahlt werde, sagte die rentenpolitische Sprecherin der Sozialdemokraten, Tanja Machalet, dieser Redaktion. „Dennoch mussten wir den Kompromiss akzeptieren, um in der vergangenen Koalition überhaupt eine Grundrente verabschieden zu können“. Dass jetzt die Einkommensprüfung nicht nur zu unnötigem Aufwand für die Rentenversicherung führe, sondern auch Probleme mit sich bringe für diejenigen, die die Grundrente zum Leben bräuchten, sein leider das Ergebnis.
Grundrente: Rentner können gegen Neuberechnung Einspruch einlegen
Die Union findet die Einkommensprüfung nach wie vor richtig. Darauf zu verzichten, würde bedeuten, das Geld mit der Gießkanne zu verteilen, sagte der sozialpolitische Sprecher Stephan Stracke. Der Koalitionspartner innerhalb der Ampel-Regierung, die FDP, galt schon vor der Einführung als Kritiker der Grundrente. Die Partei fordert daher auch jetzt deren Abschaffung. „Sie ist zu bürokratisch, erreicht nicht zielgenau diejenigen, die sie benötigen, und verschlingt horrende Verwaltungskosten. Jeder vierte Euro, der für die Grundrente aufgewendet wird, landet nicht bei den Rentnern, sondern dort, wo die jährliche Neurechnung der Einkommensanrechnung stattfindet“, sagte die rentenpolitische Sprecherin Anja Schulz.
Aus Sicht der FDP werde die jährlich schwankende Rentenzahlung der Anerkennung von Lebensleistung absolut nicht gerecht. „Dass so viele Menschen nun weniger Rente erhalten als im Jahr zuvor, zeigt einmal mehr, dass die Grundrente ihr Ziel nicht erfüllt“, so Schulz. Rentnern wie Ursel Statz bleibt bei einer Kürzung nur der Widerspruch. Zu der Frage, wie lange ein solches Einspruchsverfahren dauert, machte die DRV keine Angaben.
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