Region Donezk. Der Leopard 2 galt als „unverwundbare“ Waffe. Die Ukraine wollte ihn unbedingt haben – doch im Krieg zeigt die Raubkatze Schwächen.

Andreij Nemtsev zeigt auf die notizbuchgroßen Gummiplatten, die eine der größten Schwachstellen des Giganten sind. „Das ist eines der Hauptprobleme“, sagt der Bataillons-Kommandant. Die Platten sind in der Kette des Panzers angebracht, der als einer der modernsten und schlagkräftigsten der Welt gilt. Aber wenn diese kleinen Platten verschlissen sind, kann der große Leopard 2A6 ganz ohne Feindeinwirkung außer Gefecht gesetzt werden. Das ist für Nemtsev und seine Männer ein Problem, weil sie die Platten nicht auf Lager haben. So wie viele andere Ersatzteile, die sie für den Betrieb des deutschen Vorzeigepanzers bräuchten.

Die Region Donezk im Osten der Ukraine. Die Fahrt zu dem Treffpunkt mit der Panzereinheit der 21. Brigade führt durch nahezu menschenleere Dörfer, in die der Krieg tiefe Wunden geschlagen hat. Viele vernarbte Häuserwände, viele Ruinen, die Straßen sind aufgerissen von den Ketten der schweren Panzerfahrzeuge, die über sie in den Einsatz gefahren sind.

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In einem dieser Dörfer wird am Straßenrand ein Panzer auf den Aufleger einer großen Zugmaschine gezogen. Sein Kettenlaufwerk ist beschädigt. Es ist ein Leopard 2A6, einer der achtzehn, die Deutschland im vergangenen Jahr an die Ukraine geliefert hat. Andreij Nemtsev schaut sich missmutig an, wie der Koloss auf den Aufleger gehievt wird, zieht an seiner Zigarette und stapft los, Richtung eines nahen Kiefernwäldchens. Unter den Bäumen verborgen steht ein zweiter Leopard 2A6. Er ist funktionstüchtig.

Ukraine: Leopard 2 „wesentlich besser als die russischen Panzer“

Als Deutschland und andere europäische Länder der Ukraine im vergangenen Jahr nach langem Zögern insgesamt über sechzig Leopard-2-Panzer lieferten, waren die Erwartungen hoch. Die Panzer aus deutscher Produktion könnten zum Erfolg der ukrainischen Gegenoffensive beitragen, so die Hoffnung. Es kam anders. Die Gegenoffensive scheiterte an den gut ausgebauten russischen Verteidigungsstellungen. Mindestens zwei Dutzend der Leopard-2-Panzer sollen bislang zerstört worden sein. Sie hätten „gute Leistungen erbracht, waren aber kaum die unverwundbaren Superwaffen“, heißt es in einem Bericht der außenpolitischen Fachzeitschrift „Foreign Affairs“.

Eigentlich schätzen die Ukrainer den Leopard 2.
Eigentlich schätzen die Ukrainer den Leopard 2. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Einer der Männer, die in dem Kiefernwäldchen an dem olivgrünen Stahlungetüm warten, ist Oleksandr. Der 56-Jährige hat in dem deutschen Panzer schon viele Gefechte erlebt und überlebt. Er ist der Kommandeur der vierköpfigen Besatzung. Sie waren zusammen in Robotyne, als die ukrainischen Streitkräfte im Spätsommer in der Offensive waren – und bei Awdijiwka, wo sie jetzt den russischen Vormarsch aufhalten müssen. Oleksandr ist ein wortkarger Mann, er hat sich freiwillig gemeldet, als die russische Armee im Februar vor zwei Jahren in sein Land einfiel.

Vor mehr als drei Jahrzehnten war er als sowjetischer Wehrpflichtiger in Ostdeutschland stationiert, auch damals bei der Panzertruppe. Im vergangenen Jahr war er wieder in Deutschland, im niedersächsischen Munster. Dort ist er am Leopard ausgebildet worden, fünf Wochen lang. „Er ist wesentlich besser als die russischen Panzer“, sagt Oleksandr. Der Leopard 2 kann über größere Distanz feuern, hat ein besseres Zielsystem und fährt schneller als die russischen T-64 oder T-72, die auch von den Ukrainern genutzt werden.

Kommandant sagt, die Ukrainer setzen Leopard 2 falsch ein

„Die Chance zu überleben, ist im Leopard größer“, sagt Oleksandr. Aber es gebe deutlichen Verbesserungsbedarf. Er zeigt auf die Seite des 60 Tonnen schweren Fahrzeugs. „Die ist sehr ungeschützt, brauchen wir zusätzliche Panzerung.“ Warum diese Zusatz-Panzerung, mit der beispielsweise viele US-amerikanische Schützenpanzer in der Ukraine ausgerüstet worden sind, nicht geliefert wird, kann er sich nicht erklären.

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Bataillonskommandant Nemtsev hält eigentlich auch große Stücke auf den deutschen Panzer: „Er eignet sich gut für Gefechte aus dem Hinterhalt, für die Zerstörung gepanzerter feindlicher Ziele auf große Entfernung“, sagt er. Besonders in der Dunkelheit sei der Panzer effektiv, weil seine Nachtsichtgeräte besser als die der russischen Panzer seien. „So kann man den Feind aus der Ferne treffen, während er uns nicht mit Gegenfeuer treffen kann.“

Vor allem bei Angriffen aus dem Hinterhalt gut: der Leopard 2.
Vor allem bei Angriffen aus dem Hinterhalt gut: der Leopard 2. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Wenn er richtig verwendet werde, sei der Leopard 2 eine sehr gute Waffe. Aber die Ukrainer setzen ihn nicht richtig ein, räumt er ein. Anstatt aus dem Hinterhalt zu attackieren, nutzen sie den Panzer für direkte Angriffsoperationen. Sie können nicht anders, weil sie keine anderen Kampfpanzer in ihrem Bataillon haben.

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„Dadurch werden alle konstruktiven Vorteile dieser Maschine zunichtegemacht“, erklärt der Kommandant. Nicht nur die Seiten, auch das Heck und die Oberseite des Panzers sind nicht ausreichend gepanzert. „In der Nähe von Awdiiwka wurde einer der Leopards von einer gewöhnlichen RPG-7, einer Waffe aus dem letzten Jahrhundert, getroffen“, erzählt Nemtsev. Die größten Schwierigkeiten bereitet ihm und seinen Männern aber der Ersatzteilmangel.

Leopard 2 in der Ukraine: „Wir haben keine Ersatzteile“

Es fängt mit unscheinbaren Dingen an. Wie den Gummiplatten an den Ketten. Die Platten dämpfen die Erschütterungen, wenn der Panzer über Straßen und Felder fährt. Ohne sie leidet die sensible Elektronik, mit der der Panzer vollgestopft ist. Die Platten verschleißen schnell. Eigentlich kein großes Ding, sie können binnen einer Stunde ausgewechselt werden. Aber es gibt sie einfach nicht. „Wir haben nur das, was im vergangenen Sommer geliefert wurde“, klagt der Kommandant.

Schwachstelle der deutschen Raubkatze: das Heck.
Schwachstelle der deutschen Raubkatze: das Heck. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

„Das Ersatzteilproblem ist gelöst. Wir haben keine Ersatzteile“, sagt er und lacht bitter. Möglicherweise liege das daran, dass die Leopards nie zuvor in einem wirklichen Kriegseinsatz gewesen seien. Die Kalkulationen stimmten nicht. „In Friedenszeiten verbraucht man hundert Gummiplatten in einem Monat. Wir verbrauchen hundert in ein, zwei Tagen. Das ist nur ein Beispiel.“ Sie bergen beschädigte Panzer oft nur, um sie auszuschlachten. „Kannibalismus“, nennt Nemtsev das.

Was den Bataillonskommandanten besonders ärgert, ist, dass er das Gefühl hat, von den westlichen Partnern nicht ernst genommen zu werden. „Wir liefern Informationen über Kampfschäden und Kampfeinsätze. Aber ich sehe nicht, dass irgendjemand auf diese Informationen hört. Das heißt, wir sprechen, aber niemand hört uns.“ Er wirkt in diesem Moment ratlos.