Berlin. Die Details sind spärlich, das Projekt nicht ungefährlich: Ein deutscher Rüstungsriese betreibt bald Panzer-Werkstätten in der Ukraine.

Es vergeht derzeit kaum eine Woche, in der Rheinmetall keine Schlagzeilen macht. Am Montag teilte der Düsseldorfer Rüstungskonzern mit, der Ukraine die Aufklärungsdrohne Luna NG zu liefern. Vergangenen Mittwoch erklärte das Unternehmen, aus Belgien gekaufte Leopard-Kampfpanzer für den Krieg in der Ukraine aufzurüsten. Wiederum eine Woche zuvor konnte Rheinmetall den Spatenstich für eine neue Fabrik zum Bau von Teilen des US-Kampfjets F35 im nordrhein-westfälischen Weeze verkünden.

Das Geschäft des Konzerns brummt: Im März stieg Rheinmetall in den Dax auf, also in den Kreis der größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands. Der russische Angriff auf die Ukraine füllt dem Rüstungskonzern die Auftragsbücher und die Kasse. Die Nato-Staaten bestücken ihre Waffendepots – hinzu kommt das an die Ukraine gelieferte Gerät, das von der Bundesregierung bezahlt wird. Mit einem Umsatz von rund 7,5 Milliarden Euro rechnet Rheinmetall in diesem Jahr.

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Rheinmetall bildet ukrainische Experten für Panzer-Reparaturen in ihrer Heimat aus

Die eng getakteten Erfolgsmeldungen sind auf der Internetseite des Konzerns nachzulesen. Zu einem Projekt äußert sich das größte deutsche Rüstungsunternehmen jedoch nur knapp. „Die Situation in der Region ist äußerst sensibel und erfordert eine ausgesprochen vorsichtige Herangehensweise“, begründet ein Konzernsprecher auf Anfrage unserer Redaktion die Zurückhaltung. „Für Rheinmetall ist es oberste Priorität, die Sicherheit unserer Mitarbeiter, Kunden und Partner zu gewährleisten.“

Ein Panzer vom Typ Fuchs schwebt in der Fertigungshalle von Rheinmetall am Standort Kassel.
Ein Panzer vom Typ Fuchs schwebt in der Fertigungshalle von Rheinmetall am Standort Kassel. © picture alliance/dpa | Swen Pförtner

Es geht um das Vorhaben von Rheinmetall, schon bald in der Ukraine an der Front eingesetztes Kriegsgerät wie deutsche Leopard-Kampfpanzer direkt vor Ort zu reparieren. „Wir können bestätigen, dass wir derzeit ukrainisches Fachpersonal in Deutschland ausbilden, um Fahrzeuge instandsetzen und warten zu können“, erklärt der Konzernsprecher lediglich. „Dieses Fachpersonal kann dann die erworbenen Kenntnisse in der Ukraine weitergeben.“ Es gehe sowohl um Routine-Arbeiten als auch die Instandsetzung von Gefechtsschäden.

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Bisher wird schweres Gerät nach Litauen, Slowakei oder Polen gebracht

Bisher wurde viel von Deutschland und anderen Partnerstaaten geliefertes Kriegsgerät im Ausland repariert oder gewartet. Zum Beispiel in Litauen, wo die Bundeswehr als Reaktion auf den russischen Überfall auf die Ukraine ihre Präsenz massiv verstärkt hat. Deutschland unterstützt zudem einen „Instandsetzungs-Hub“ in der Slowakei. Die Bundesregierung vereinbarte im Frühjahr außerdem mit der Ukraine und Polen den Aufbau eines weiteren Reparaturzentrums für Leopard-Panzer in Polen nahe der Grenze zur Ukraine.

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Im Fronteinsatz ist der Verschleiß beim Material auch abgesehen von Schäden durch gegnerischen Beschuss hoch. Die Rohre von Panzern und Haubitzen müssen regelmäßig überprüft und gegebenenfalls ausgetauscht werden. Das bisherige System zur Wartung der Waffen hat allerdings Schwächen. Nicht nur war die Zusammenarbeit mit Polen in der Vergangenheit wiederholt schwierig. Der Transport von schwerem Gerät ins Ausland ist auch extrem zeitraubend und strapaziert die ukrainische Logistik.

Experte: „Es ist sinnvoll, die Instandsetzung von Panzern näher an die Front zu bringen“

Die Ukraine bemüht sich derzeit, mit einer Offensive von Russland besetztes Gebiet zurückzuerobern. Jeder kaputte Panzer bedeutet in der aktuellen Phase eine Schwächung des ukrainischen Militärs. „Für die Ukraine ist es sehr sinnvoll, die Instandsetzung etwa von Panzern näher an die Frontlinie zu bringen“, sagt der Militärexperte Nico Lange dieser Redaktion „Es geht einfach zu viel Zeit verloren, wenn Gerät für Reparaturen über hunderte von Kilometern mit dem Zug nach Polen, Litauen oder in die Slowakei gebracht werden muss – und danach auch wieder zurück.“

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Dasselbe gelte für die reguläre Wartung wie den Rohrtausch bei Artilleriegeschützen: „Je näher das an der Front erledigt werden kann, desto besser“, fügt Lange hinzu, der bis 2022 Chef des Leitungsstabes im Bundesministerium der Verteidigung war.

Rheinmetal-Chef Papperger: Wollen nach der Sommerpause den Betrieb beginnen

Wo und an wie vielen Orten sollen die Reparaturen stattfinden? Wie viele Panzer können repariert werden? Und wann geht es los? Rheinmetall-Chef Armin Papperger verriet kürzlich im „Spiegel“: „Wir wollen nach der Sommerpause mit dem Betrieb beginnen.“ Zu weiteren Details äußert sich Rheinmetall aus Sicherheitsgründen kaum. Es sei beabsichtigt, „in der Ukraine Instandsetzungs- und Fertigungsstätten zu betreiben“, erklärt der Konzernsprecher lediglich. „Die Ukraine verfügt historisch über eine leistungsfähige Rüstungsindustrie, so dass gute Rahmenbedingungen vorherrschen.“

Ein Mitarbeiter von Rheinmetall arbeitet an einem Panzer vom Typ Fuchs in der Fertigungshalle von Rheinmetall am Standort Kassel.
Ein Mitarbeiter von Rheinmetall arbeitet an einem Panzer vom Typ Fuchs in der Fertigungshalle von Rheinmetall am Standort Kassel. © picture alliance/dpa | Swen Pförtner

Dies schätzt auch Sicherheitsexperte Lange so ein, der von 2006 bis 2012 das Auslandsbüro der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Kiew leitete und die Ukraine gut kennt. „In der Ukraine gibt es traditionell eine große Rüstungsindustrie, starke Maschinenbauunternehmen und somit gut ausgebildetes Personal“, sagt Lange. „Deutsche Unternehmen finden also in der Ukraine gute Voraussetzungen, um solche Kooperationen zur Instandsetzung von Panzern und anderem Militärgerät aufzubauen.“

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Russland droht Rheinmetall: Werk wäre ein „legitimes Ziel“

Mit einer Präsenz in der Ukraine macht sich der deutsche Rüstungsriese allerdings zum möglichen Ziel russischer Angriffe. Der Konzern hatte vor einigen Monaten bereits angekündigt, in der Ukraine gemeinsam mit dem dortigen Staatskonzern Ukroboronprom eine Rüstungsfabrik zu bauen. Im ersten Schritt seien Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an Einsatzfahrzeugen geplant, hieß es, später auch die Fertigung von gepanzerten Fahrzeugen, etwa von Fuchs-Transportpanzern, von Lynx-Schützenpanzern sowie von Panther-Kampfpanzern. Russland drohte dem deutschen Unternehmen daraufhin: „Das Werk für gepanzerte Fahrzeuge von Rheinmetall wird ein legitimes Ziel in der Ukraine sein, wenn es gebaut wird“, sagte die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau.

Entsprechend vorsichtig geht Rheinmetall deswegen mit den Informationen zu den geplanten Reparaturbetrieben um. Dem Vernehmen hat ein weiteres deutsches Unternehmen ähnliche Pläne. Auf Anfrage wird dies von der Firma jedoch nicht kommentiert. „Natürlich können solche Reparatur- und Wartungsbetriebe in der Ukraine zum Ziel russischer Angriffe werden, unabhängig von einer deutschen Beteiligung oder nicht“, beschreibt Militärfachmann Lange die Lage vor Ort. Deswegen müssten diese Zentren entsprechend geschützt werden, aber das mache die Ukraine bereits mit vergleichbaren Einrichtungen. Lange fügt hinzu: „Das ist ein unternehmerisches Risiko, das deutsche Firmen damit eingehen.“

Militärfachmann: Engagement deutscher Firmen macht langfristig Sinn

Aus der Sicht von Lange ist das Engagement deutscher Rüstungskonzerne in der Ukraine aber nicht nur für das laufende Kriegsgeschehen, sondern auch langfristig von Bedeutung. „Deutschland und die Nato-Partner diskutieren über Sicherheitsgarantien für die Ukraine, das ist zu einem großen Teil Militärhilfe. Dabei geht es auch darum: Was wird für die Ukraine produziert, was kann dauerhaft in der Ukraine hergestellt werden?“, sagt der Experte. „Insofern ist das ein erster Schritt, jetzt schon Kooperationen aufzubauen.“

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