Berlin. Deutschland liefert Waffen an Saudi-Arabien, die auch in der Ukraine gebraucht werden. Das birgt laut dem Experten ein großes Problem.

Er zählt zu den bekanntesten Militärexperten in Deutschland: Carlo Masala. Der 55-Jährige lehrt Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München. Er beantwortet unserer Redaktion jede Woche die wichtigsten Fragen rund um die beiden Konflikte in der und in Nahost.

Herr Masala, in der Nacht zum Freitag haben die USA und Großbritannien die jemenitischen Huthi-Rebellen am Roten Meer angegriffen, um auf den Terror gegen internationale Handelsschiffe zu reagieren. Wird dies die Rebellen zum Einlenken bewegen?

Es ist in der Tat eine Ausweitung des Konflikts, von der ich nicht glaube, dass sie die Huthi zum Einlenken bewegt.

Wie kann es jetzt in der Region weitergehen?

Die entscheidende Frage wird sein, wie sich der Iran zu diesen Anschlägen positioniert. Sollte Teheran seine Aktivitäten im Roten Meer weiter aufrechterhalten, dann werden dies auch die Huthi tun. Wir stehen hier vor einer möglichen größeren regionalen Ausweitung des Krieges zwischen Israel und der Hamas.

Lassen Sie uns einen Blick nach Saudi-Arabien werfen. Die Bundesregierung liefert jetzt Luft-Lenk-Waffensysteme vom Typ Iris-T nach Riad. Wofür kann und soll die saudische Regierung diese Lenkflugkörper einsetzen?

Ich glaube, es geht gar nicht um die Frage des Einsatzes, sondern es geht um die Frage: Warum liefern wir jetzt wieder verstärkt Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien? Da geht es um mehrere Aspekte. Zum einen will man Saudi-Arabien politisch signalisieren: Wir wertschätzen es sehr, dass ihr eure Annäherung an Israel nach den terroristischen Anschlägen der Hamas vom 7. Oktober nicht aufgegeben habt, sondern weiterhin daran festhaltet. Zum anderen ist Saudi-Arabien bei zwei Gefahrenquellen gewissermaßen ein Partner: nämlich mit Blick auf den Iran und die Aktivitäten, die die Huthi gerade im Roten Meer durchführen. Aus diesem Komplex heraus erklärt sich, warum jetzt wieder verstärkt Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien gehen.

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Wird es bei der Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien bleiben?

Zumindest kann man festhalten, dass Saudi-Arabien diese Annäherung nach dem 7. Oktober nicht aufgekündigt hat, sondern weiterhin daran festhält. Unterm Strich muss man sehen: Über die Abrams Accords und die Annäherung einiger arabischer Staaten an Israel entsteht dort in der Region so etwas wie eine antiiranische Allianz. Das, was die Saudis und die Israelis schon länger wirklich verbindet, ist die gleiche Bedrohungswahrnehmung gegenüber dem Iran. Und: Die Saudis wissen genau, dass Israel in der Region derjenige Staat ist, der am entschlossensten vorgehen würde, sollte der Iran Nuklearwaffen produzieren.

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Bei den Grünen regte sich nach Bekanntwerden der Iris-T-Entscheidung harsche Kritik an dem Vorgehen, deutsche Waffen an das saudische Regime zu liefern. Kritiker monieren die Lage der Menschenrechte in Saudi-Arabien. Schwule, Frauen, der Auftragsmord an dem Journalisten Kashoggi in Istanbul, die Beteiligung am Jemen-Krieg …

Saudi-Arabien ist natürlich noch immer ein totalitäres Regime. Die Kritik an der saudischen Operationsführung im Jemen ist auch berechtigt. Allerdings muss man sagen, dass Saudi-Arabien eigentlich oder zumindest bis zum 7. Oktober in einem Verhandlungsprozess mit den Huthi-Rebellen war. Die nun geäußerte Kritik ist schon berechtigt. Aber sie verkennt, dass sich die Parameter in dieser Region durch den Hamas-Überfall auf Israel entscheidend geändert haben.

Braucht die Ukraine die Iris-T-Systeme nicht eigentlich viel dringender?

Man sollte nicht mit Begriffen wie „Wer braucht was dringender?“ operieren. Aber das führt uns vor Augen, dass wir von allem zu wenig haben, um in zwei Konflikten gleichzeitig Unterstützung zu liefern. Wir haben mit der Ukraine und Israel zwei Konfliktherde, die im Zentrum unseres strategischen Interesses stehen, aus unterschiedlichen Gründen. Und wir haben eine Begrenztheit in der Munition. Und das ist natürlich das große Problem.

Zeichnet sich beim Munitionsmangel allmählich eine Trendwende ab?

Wir haben viele Bekundungen und Entwicklungen, die darauf hindeuten, dass wir als Europäer jetzt langsam bei der Munitionsproduktion in die Gänge kommen. Ich würde aber nicht sagen, man sieht schon die Trendwende. Da will ich Resultate sehen. Fragen Sie mich in zwei Monaten wieder.

Professor Masala erklärt den Krieg