Berlin. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm macht einen Sparvorschlag, der Zündstoff birgt – aber den Haushalt deutlich entlasten könnte.
Das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts erschüttert die Republik – und über allem schwebt die Frage: Wo sparen? Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat, ist eine der wichtigsten Wirtschaftsberaterinnen der Bundesregierung. Im Interview erklärt sie, wer jetzt Abstriche machen muss.
Das Finanzministerium sperrt fast den gesamten Bundeshaushalt. Schließt es damit über das Ziel hinaus?
Veronika Grimm: Nicht unbedingt. Es ist nun wichtig, Spielräume für die Konsolidierung des Haushalts für das Jahr 2024 zu erhalten. Daher wäre es ungünstig, wenn einzelne Ministerien durch das Eingehen von Verpflichtungen für die kommenden Jahre die Spielräume der Bundesregierung immer enger machen würden. Es ist ja auch nicht so, dass nichts mehr möglich ist. Es wird eben nur eingehend geprüft, ob tatsächlich Dringlichkeit besteht. Und Ausgaben im laufenden Jahr dürften nicht betroffen sein. Wichtig ist, dass man sich nun schnell einigt, wie für 2024 konsolidiert wird. Jeder wird Abstriche machen müssen, da die Erklärung einer Notlage für 2024 bei aktuellem Sachstand nicht haltbar sein dürfte.
Wer muss jetzt um sein Geld bangen?
Grimm: Alles, was bereits gesetzlich fixiert ist, hat Gültigkeit. Subventionen, für die es seitens der Bundesregierung noch keine vertragliche Verpflichtung gibt, könnten hingegen infrage stehen. Beim WSF, dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds, werden die bereits 2023 geleisteten Zahlungen, etwa für die Strom- und Gaspreisbremse, nicht zur Disposition stehen. Man muss sich aber durchaus überlegen, wie man sie rechtlich absichert. Bei einer Bewertung von Optionen für das Jahr 2023 – etwa, ob man eine Notlage begründen kann – wird auch die Expertenanhörung im Haushaltsausschuss eine Rolle spielen. Für 2024 dürften die Spielräume im WSF aber minimal sein.
Wo sehen Sie Sparpotenzial?
Grimm: Bei Subventionen für Unternehmen und Haushalte im Rahmen der Heizungsförderung. Ich glaube, man sollte stärker auf die CO2-Bepreisung als Leitinstrument für den Klimaschutz umstellen und im Gegenzug die Förderprogramme zurückfahren. Die Klimatransformation so stark auf Förderprogramme aufzubauen, ist ohnehin nicht durchhaltbar. Außerdem könnte man bei Subventionen für fossile Energieträger in Rotstift anlegen. Oder auch bei Agrarsubventionen.
Wie denken Sie über Kürzungen im Sozialbereich?
Grimm: Man muss jetzt aufpassen, dass man keine Schnellschüsse macht. Prinzipiell sind Einsparungen bei den Renten möglich. Zum Beispiel die Rente ab 63 oder die Mütterrente könnte man zur Disposition stellen. Und bei der Anpassung von Bestandsrenten könnte man weniger Aufwüchse vorsehen. Das wird übrigens schon lange gefordert, unabhängig von dieser Haushaltslage.
Was sagen Sie jenen, die um den sozialen Zusammenhalt fürchten?
Grimm: Im Zuge der Transformation zur Klimaneutralität gilt es, die soziale Balance in den Mittelpunkt zu stellen. Im Transfersystem muss man zielgenau denjenigen helfen, die bedürftig sind und die Erwerbsanreize stärken, um so vielen Menschen den Weg aus der Armut zu ebnen. Erhöht man die CO2-Preise, so sollte man die Einnahmen in Form eines Klimageldes pro Kopf an die Menschen zurückgeben. Haushalte mit niedrigen Einkommen haben niedrige CO2-Fußabdrücke und würden daher im Schnitt sogar mehr Spielräume haben. „Pro Kopf“ bedeutet außerdem, Familien mit mehreren Kindern profitieren stärker. Auch das wäre gut.
Wie wäre es mit höheren Steuern?
Grimm: Das ist eine schwierige Entscheidung. Ich glaube, wir brauchen eine Steuerreform, die die Unternehmenssteuern von den Einkommensteuern entkoppelt und dann auch die Einkommensbesteuerung anpasst. Aber das macht man nicht von heute auf morgen. Es ist wichtig, Entscheidungen über zusätzliche Steuern nicht zu überstürzen und damit die Wachstumschancen zu dämpfen. Das wäre höchst kontraproduktiv.
Ist die Schuldenbremse in Stein gemeißelt?
Grimm: Solange es keine Zweidrittel-Mehrheit für die Anpassung gibt, ja. Die sehe ich nicht.
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