Berlin. Der Ukraine-Krieg ist ruinös. Die horrenden Verluste russischer Panzer stören Putin nicht. Er will durchhalten. Schier um jeden Preis.
Im Osten der Ukraine toben schwere Kämpfe. Russland erzielt Geländegewinne an der Front bei Awdijiwka in der Region Donezk. Früher oder später werden die russischen Truppen die Stadt einnehmen. Darauf stellen sich die Ukrainer insgeheim wohl ein. Bisher haben sie den Russen enorme Verluste zugefügt. Allein deswegen hat es sich gelohnt, den Ort zu verteidigen. Man fühlt sich fatal an den langen, zermürbenden und blutigen Kampf um Bachmut erinnert.
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Die ukrainischen Militärs behaupten, sie hätten allein in der vergangenen Woche 81 russische Panzer außer Gefecht gesetzt. Solche Meldungen häufen sich. Sie lassen sich schwer überprüfen, sind wahrscheinlich übertrieben, aber tendenziell nicht unplausibel, weil der Angreifer in einem Krieg zumeist die größeren Verluste verkraften muss. Die Online-Plattform Statista führt Buch über die russischen Verluste im Ukraine-Krieg und kommt auf 2450 zerstörte, beschädigte, aufgegebene oder eroberte Kampfpanzer. Stand: 2. November.
Russland: Bescheidene Geländegewinne kosten Tausende Opfer
Mittlerweile hält der Krieg seit 643 Tagen an. Mit jedem Tag werden die Verluste auf beiden Seiten größer, insbesondere bei den Russen. Das muss man jedenfalls aus der Analyse des britischen Geheimdienstes auf X, vormals Twitter, herauslesen.
Demnach haben die russischen Streitkräfte seit Anfang Oktober 2023 ihre Frontlinie im Bereich Awdijiwka gerade mal um zwei Kilometer verschoben. Ein bescheidener Fortschritt – und zugleich ihr größter Erfolg seit dem Frühjahr 2023. „Er hat den beteiligten Einheiten Tausende Opfer gekostet“, geben die Briten zu bedenken. Die Ukraine habe die Kontrolle über einen etwa sieben Kilometer breiten Gebietskorridor behalten, über den sie die Stadt weiterhin versorge.
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Angesichts solcher Analysen hegen Experten schon mal den Verdacht, dass es den Russen egal ist, wie viele Soldaten oder Waffen sie verlieren. Wenn sie in die Offensive gehen, dann mit vollem Einsatz, ohne Rücksicht auf Verluste. Sie bauen darauf, dass sie mehr Menschen für den Militärdienst mobilisieren können und vor allem die größeren industriellen Kapazitäten haben. Ihre Kriegswirtschaft brummt.
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Jeder Krieg ist tatsächlich ein Kampf des Willens. Dass Kremlchef Wladimir Putin mit vollem Einsatz spielt – va banque, also alles auf eine Karte setzt –, treibt längst den ukrainischen Oberkommandierenden Walerij Saluschnyj um. Er braucht von allem mehr: Waffen, modernste Technologie, Soldaten. In einer seiner eher seltenen Interviews bemerkte er neulich, auch die Ukraine habe Probleme, Reserven aufzubauen. Der Kreis der wehrpflichtigen Männer müsse ausgeweitet werden. In diesen Tagen kommt erschwerend der plötzliche Wintereinbruch hinzu, wie Präsident Wolodymyr Selenskyj öffentlich einräumte.
Waffenstillstand ist für Putins Russland kein Thema
Weder Kiew noch Moskau veröffentlichen die Verluste ihrer Streitkräfte. Sie müssen enorm sein. Und beide Seiten finden darauf nur eine Antwort: Durchhalten. Die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) analysiert täglich Berichte und Aufnahmen sowie russische Militärblogger und Politiker. Demnach hätten sowohl der russische Außenminister Sergej Lawrow als auch mehrere Blogger erklärt, dass Russland seine Operationen in der Ukraine aufrechterhalten müsse.
Lawrow behauptete am 27. November, dass der Westen derzeit versuche, den Krieg „einzufrieren“, um Zeit zu gewinnen und die Ukraine für zukünftige Angriffe auf Russland aufzurüsten. Mehrere russische Blogger griffen das auf und erklärten, dass jeder „Waffenstillstand“ oder jede Kriegspause nur der Ukraine zugutekäme. Und solange diese Haltung vorherrscht, werden auch die Meldungen über horrende Verluste von Panzern anhalten.
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