Den Haag/Brüssel. Er will den „Nexit“ und schätzt Putin: Nach seinem Wahlsieg in den Niederlanden hat der Rechtspopulist vor allem ein Ziel: regieren.
Er gilt als Islamfeind, Fremdenhasser, Rechtspopulist, Provokateur. Geert Wilders will den „Nexit“, den Austritt der Niederlande aus der Europäischen Union. Der 60-Jährige, der Europa schockiert, ist zugleich eine sehr schillernde, für manche Niederländer faszinierende Figur – so wie in den USA Donald Trump, mit dem der „Holland-Trump“ gern verglichen wird. Bei den Parlamentswahlen in den Niederlandenerzielte Wilders einen Erdrutschsieg, jetzt will er regieren. Wer ist der Wahlsieger, was sind seine Ziele und wie stehen seine Chancen?
Wahlsieger Wilders: Das ist jetzt sein Anspruch
Wilders verdoppelte mit seiner Partei für die Freiheit (PVV) das Stimmergebnis im Vergleich zur vorigen Wahl, er liegt mit 35 von 150 Parlamentssitzen klar vorn – deutlich vor der bisher regierenden, rechtsliberalen Volkspartei VVD (24 Sitze), dem sozialdemokratisch-grünen Bündnis von Ex-EU-Kommissar Frans Timmermans (25 Sitze) und der konservativen Partei NSC von Piet Omtzigt (20 Sitze). Für ein Bündnis konservativer und rechter Parteien würde es rechnerisch reichen – vor der Wahl hatten VVD und NSC das ausgeschlossen, am Donnerstag hielten sie sich plötzlich alle Optionen offen. Die Koalitionsverhandlungen dürften aber schwierig werden und lange dauern. „Es wird harte Arbeit, aber wir sind bereit zu regieren“, sagt der Wahlsieger.
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Rechtspopulist Wilders: Er ist ein Einzelgänger
Wilders, der in Venlo nahe der deutschen Grenze in einer katholischen Familie mit drei Geschwistern aufwuchs, ist ein Einzelgänger. Schon rein äußerlich fällt er aus dem Rahmen mit den auffällig gefärbten Haaren und einer meist wilden Tolle. Das garantiert Aufmerksamkeit – und schafft schon optisch Distanz zum politischen Establishment. So hatte sich vor ihm schon der ermordete Rechtspopulist Pim Fortuyn inszeniert, bei dem eine rasierte Glatze und ungewöhnliche Krawatten zum Markenzeichen gehörten.
An Fortuyns Wähler richtete sich Wilders von Anfang an, nachdem er sich von der rechtsliberalen VVD getrennt hatte: Dort war der Angestellte der Sozialversicherung, der ein Jura-Studium nicht abschloss, erst Referent, dann Abgeordneter gewesen. Er verschaffte sich mit Islamkritik Aufmerksamkeit und brach mit der VVD 2004, weil er die geplanten EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vehement ablehnte. Wilders gründete seine eigene „Partei für die Freiheit“, eine rechte und dezidiert islamfeindliche Partei. Er ist das einzige Mitglied. Nach vielen Morddrohungen steht Wilders unter ständigem Polizeischutz, wohnt in wechselnden Sicherheits-Häusern, weshalb er seine Frau Kristzina, die aus Ungarn stammt, mitunter für einige Zeit nicht sieht. Gerichtsprozesse gegen Drohbriefschreiber, die ihn zur Zielscheibe erklären, sind für die niederländische Justiz zur Routine geworden.
Niederlande: Wilders führt einen Feldzug gegen den Islam
Wilders politischer Antrieb ist der Kampf gegen den Islam. Er will den Koran verbieten, alle Moscheen und Islam-Schulen schließen. Muslimische Frauen, die ein Kopftuch tragen, sollen eine jährliche Abgabe von tausend Euro bezahlen – verächtlich spricht Wilders von „Kopflappen“. Er sieht in den „Hass-Bärten“ muslimischer Männer, in Burkas und Moscheen eine Verschmutzung des öffentlichen Raumes. Wilders sagt, er sei durch den Mord am islam-kritischen Regisseur Theo van Gogh geprägt worden – und durch einen Aufenthalt in einem israelischen Kibbuz, dem Dutzende Reisen nach Israel folgten.
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Seine Hetzreden erklärt das allerdings nicht. Er schimpft, Muslime machten Europa zu einer „Kolonie Arabiens“, ihr islamischer Glaube sei eine „zurückgebliebene Kultur“ und „das größte Problem der Niederlande“. Den Koran vergleicht Wilders mit Adolf Hitlers „Mein Kampf“, den Islam nennt er „faschistisch“. Doch setzte er sich im Wahlkampf eine rhetorische Tarnkappe auf, um bürgerliche Wähler nicht zu verschrecken – eine Praxis, die vor ihm schon andere Rechtspopulisten in Europa begannen.
Seine Islam-Hetze verkniff sich Wilders und erklärte: „Der Islam ist kein prioritäres Thema, wenn es an Fragen des Regierens geht.“ Stattdessen thematisierte er etwa den Wohnungsmangel oder die Inflation. Weil er eine Art Charme-Offensive startete und plötzlich deutlich gemäßigter auftrat, gaben ihm niederländische Medien den Spitznamen „Geert Milders“. Doch die Muslime in den Niederlanden – eine Million von insgesamt gut 17 Millionen Bürgern – sind alarmiert, muslimische Verbände beklagten noch in der Wahlnacht eine neue Unsicherheit.
Wahlsieger Wilders will die Migration stoppen
Den Zuzug von Asylbewerbern in die Niederlande will Wilders komplett stoppen, ihre Einreise schon an der Grenze zu Deutschland verhindern. Konsequenterweise fordert er die Wiedereinführung ständiger Grenzkontrollen. Wer es dennoch als Migrant ohne Einreisegenehmigung in die Niederlande schafft, soll festgenommen und gleich wieder abgeschoben werden. Auch EU-Bürger sollen erst eine Arbeitserlaubnis beantragen, wenn sie in den Niederlanden arbeiten wollen – ein klarer Bruch mit EU-Recht.
Raus aus der EU: Wilders will den „Nexit“
Wilders ist erklärter Gegner der Europäischen Union. Das Wohl der Nation könne nicht innerhalb der Europäischen Union verteidigt werden, erklärt er in seinem Programm. Deshalb fordert Wilders ein Referendum, in dem die Bürger über die niederländische EU-Mitgliedschaft beziehungsweise über den Austritt, den „Nexit“, abstimmen sollen – so wie die Briten 2016 über den Brexit abstimmten. Der britische Brexit-Propagandist Nigel Farage reagierte nach der Wahl entsprechend euphorisch: „Wir könnten ziemlich nahe dran sein an einem Nexit.“
Geert Wilders schätzt Wladimir Putin
Über den russischen Präsidenten Wladimir Putin hat sich Wilders wiederholt bewundernd geäußert, Putins Regierung gelobt – ganz auf der Linie anderer Rechtspopulisten in Europa. Wilders warnt vor einer „hysterischen Russenphobie“. Er führte in Moskau auch ohne Regierungsamt schon Gespräche mit Vertretern der russischen Regierung, was man ihm in den Niederlanden allerdings übel nahm, weil sich der durch eine russische Luftabwehrrakete verursachte Abschuss einer in Amsterdam gestarteten Passagiermaschine über der Ukraine 2014 mit 298 Todesopfern tief ins kollektive Gedächtnis eingegraben hat.
Zuletzt ging Wilders etwas auf Distanz zu Putin, bezeichnete den Ukraine-Krieg als Fehler. Für die ukrainische Regierung ist Wilders Wahlsieg trotzdem ein Grund zur größten Beunruhigung. Im Wahlkampf lehnte er weitere Waffenlieferungen an die Ukraine ab – auch die noch von Premier Mark Rutte versprochene Lieferung von F-16-Kampfjets, die in Kiew dringend erwartet werden, würde es dann nicht mehr geben.
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