Berlin. Einem ukrainischen Scharfschützen gelang ein besonderer Schuss. Noch nie wurde ein Soldat so getroffen. Alles über Sniper.
Sie reden darüber, als ginge es um Sport. Sie führen akribisch Buch, als wollten sie ins Guinnessbuch. Sie feiern den Schützen, als hätte Cristiano Ronaldo sein 1000. Tor geschossen. Aber die Bestmarke, von der hier die Rede sein soll, ist äußerst befremdlich, markiert sie doch einen tödlichen Rekord. Ein ukrainischer Scharfschütze soll einen russischen Soldaten aus 3800 Meter Entfernung erschossen haben.
Es ist eine makabre Randnotiz aus einem Krieg, der nun schon mehr als 20 Monate tobt – und Teil einer düsteren Propaganda-Schlacht, in der immer wieder Kriegsgerät, Kampftaktiken oder das tödliche Handeln einzelner Soldaten verherrlicht werden, als gehe es um sportliche Höchstleistungen und nicht um das Töten von Menschen. Dennoch ist es relevant, es gehört zur modernen Kriegsführung dazu. Schließlich haben derartige Verschiebungen auf dem Schlachtfeld entscheidenden Einfluss auf den weiteren Verlauf des Kriegs
Der Todesschuss kursiert im Netz, genauer gesagt: ein Video davon aus der Zielrohr-Perspektive. Man sieht, wie ein Soldat fällt. Überprüfen lassen sich die Zusammenhänge nicht. Wir wissen nicht, ob es sich so ereignet hat, nicht wann und auch nicht wo genau im Ukraine-Krieg – angeblich im Raum Donezk.
Gemeldet hat es der Sicherheitsdienst (SBU). Der Schütze soll aus seinen Reihen kommen und ein Multikaliber-Gewehr aus heimischer Entwicklung verwendet haben. Typ: Volodar Obriyu, übersetzt „Herr des Himmels“. Die staatliche Nachrichtenagentur Ukrinform zitiert aus der Erklärung: „Die Scharfschützen des SBU schreiben die Regeln des internationalen Scharfschützenwesens neu und zeigen beispiellose Fähigkeiten, um auf beachtlichen Distanzen zu operieren.“
Die Ukraine hat solche Erfolgsmeldungen nötig. Die Offensive gegen Russland ist gescheitert. Beide Seiten sind gefangen in einem Stellungskrieg, und dieser Stillstand auf dem Schlachtfeld hilft eher Kremlchef Wladimir Putin als den ukrainischen Truppen, wie selbst ihr Oberkommandierender Walerij Saluschnyj neulich einräumte.
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Grundsätzlich ist der schaurige Rekord nicht unplausibel. Scharfschützen spielen gerade in einem Stellungskrieg ihre Stärken aus – oder auch wenn sich die Gefechte in Städte verlagern, also beim Häuserkampf wie aktuell im Gaza-Konflikt. Auf den Ukraine-Krieg trifft beides zu: Die schwersten Kämpfe tobten gerade in Städten wie Bachmut und Awdijiwka.
Scharfschützen: Sniper operieren unsichtbar, lautlos, präzise und tödlich
Der bisherige Rekordhalter aus dem Jahr 2017 war ein Kanadier. Er stellte ihn im Irak-Krieg auf, als er in der Nähe von Mossul einen IS-Kämpfer aus 3540 Metern tötete. Zuvor hatte der britische Scharfschütze Craig Harrison 2009 in Afghanistan einen Taliban-Krieger aus 2475 Metern getroffen. Nun also 3800 Meter, ein Schuss über 38 Fußballfelder, eine unglaubliche Entfernung, die Kugel ist sekundenlang unterwegs.
Für so einen Schuss braucht man eine gute Ausbildung, große Fachkenntnisse, viel Talent und nicht zuletzt Glück. Aber aus 1 bis 1,5 Kilometern können die Sniper, wie sie genannt werden, mit ihren Präzisionswaffen schon häufiger treffen. Ein Schuss wie aus dem Nichts, er kann einen Angriff stoppen, in jedem Fall Panik und Chaos beim Gegner auslösen. Über die ukrainischen Scharfschützen heißt es denn auch, dass sie gezielt Jagd auf russische Generäle machten.
Seit dem Bosnien-Krieg setzt die Bundeswehr auch auf Sniper
Wohl jede Armee rekrutiert Scharfschützen, auch die Bundeswehr. Der Impuls dazu kam wohl bei der Belagerung von Sarajevo im Bosnien-Krieg. Hier erlangte eine Straße, die ein Industriegebiet mit der Altstadt verbindet, traurige Berühmtheit, weil aus vielen Hochhäusern serbische Scharfschützen auf alles abfeuerten, was sich bewegte. Aus der Erfahrung auf der „Sniper Alley“, wie der Boulevard bald genannt wurde, zog die Bundeswehr den Schluss, dass man den Heckenschützen etwas entgegensetzen müsse und selbst Scharfschützen brauche.
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Scharfschützen arbeiten im Idealfall im Team. Der Spotter misst die Zielentfernung, berechnet Neigung, Wind und andere Faktoren und leitet den Schützen, der dann den Schuss ausführt. Sie sind immer auf sich allein gestellt; unsichtbar, lautlos, präzise. Sie müssen nicht nur gut schießen können, sondern auch großen Druck aushalten: lange Märsche, Schlafmangel, Durst und Hunger. Wer bei der Bundeswehr in die engere Auswahl kommen will, muss zum Beispiel einen Lauf über 7000 Meter mit 20 Kilogramm Gepäck in unter 52 Minuten schaffen.
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Sniper: Ein Finne erlangte Berühmtheit, sein Spitzname: „der weiße Tod“
In der Ukraine sorgen Sniper regelmäßig für Schlagzeilen, auch viele ausländische. Zu einer Berühmtheit wurde eine ukrainische Scharfschützin mit dem Kampfnamen Jeanne d‘Arc. Wie sie dem ZDF erzählte, war sie im Zivilleben Schmuck- und Modedesignerin und kehrte der Front nach sechs Monaten den Rücken, als sie schwanger wurde.
Es gibt aus dem Ukraine-Krieg viele solcher Geschichten, wie zum Beispiel die des Scharfschützen, der mit einer Kugel gleich zwei Soldaten ausgeschaltet und innerhalb von fünf Minuten insgesamt fünf Männer getötet haben soll. In diesem Milieu werden befremdliche Rekordlisten geführt, nicht nur über die Entfernung, sondern auch über die Zahl der Abschüsse. Simo Häyhä ist einer der Berühmtesten. Der Finne soll im Winterkrieg (1939–1940) zwischen Russland und Finnland 705 russische Soldaten erschossen haben. Er verdiente sich einen makabren Spitznamen. Sie nannten ihn „The White Death“, den weißen Tod.
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