Berlin. Rabbi Teichtal spricht im Interview über das Sicherheitsgefühl von Juden in Deutschland und den Kampf gegen den Hamas-Terror in Israel.

Rabbiner Yehuda Teichtal, Jahrgang 1972, lebt seit 1996 in Berlin, wo der gebürtige New Yorker die Jüdische Gemeinde Chabad Berlin gründete und seither leitet. Der orthodoxe Rabbiner und Familienvater spricht im Interview mit unserer Redaktion über die Auswirkungen des Hamas-Terrors in Israel auf das jüdische Leben in Deutschland.

Herr Teichtal, die schrecklichen Dinge, die in Israel vorgefallen sind, haben wir in Deutschland alle in den Nachrichten gesehen. Wie fühlen Sie sich in diesen Tagen?

Yehuda Teichtal: Zwei Gefühle begleiten mich jeden Tag. Auf der einen Seite ist die Lage so, dass sich viele Menschen Sorgen machen. Gleichzeitig sind wir voller Zuversicht: Wenn die Gesellschaft zusammensteht, werden wir in Zukunft zusammenbleiben. Für die jüdische Gemeinschaft in Berlin und Deutschland ist es eine sehr schwierige Zeit.

Es ist uns allen bekannt, dass an keinem einzigen Tag seit dem Zweiten Weltkrieg so viele Juden ermordet wurden wie am 7. Oktober. Wir wissen inzwischen von mehr als 1400 ermordeten Menschen. Knapp 200, darunter Frauen und Kinder, sind noch in Geiselhaft. Es ist schrecklich. Nicht nur, weil es passiert ist, sondern weil es eine sofortige Wirkung auf jüdisches Leben in Deutschland hat. Für sehr viele Menschen hat sich ihr Leben am 7. Oktober entscheidend verändert.

Viele Menschen zeigen bei Mahnwachen und Demonstrationen ihre Solidarität. Was kann der Einzelne darüber hinaus tun?

Teichtal: Was jeder tun kann: Ob auf dem Spielplatz, beim Einkaufen, beim Spaziergang im Park oder im Gespräch mit Nachbarn muss sich jeder deutlich positionieren. Wenn jemand in der U-Bahn beschimpft wird, wenn jemand etwas Menschenfeindliches sagt, dann muss man dagegen protestieren. Dazu sind alle aufgerufen. Es geht um ein Berlin, in dem alle Menschen mit Respekt und Toleranz leben können. Wenn wir es nicht schaffen, dann wäre es ein megagroßes kollektives Versagen. Wir wollen doch eine weltoffene, positive Stadt sein. Das kommt nicht nur von oben.

Natürlich müssen die Behörden, die Führungskräfte, die Politiker alles dafür tun, dass das jüdische Leben geschützt wird. Aber es gibt auch eine gesellschaftliche Verantwortung. Von den Terroristen der Hamas ist eine unglaubliche Gewalt verübt worden. Wir haben eine Familie hier in Berlin, deren Großmutter im Kibbuz von Kfar Aza wohnt. Sie hat mit eigenen Augen gesehen, wie eine junge Frau vergewaltigt und ermordet wurde. Die Terroristen tanzten auf dem Kopf der Leiche. Kleinkinder und Babys wurden ihren Müttern entrissen und ermordet.

Es ist wichtig, zu verstehen: Dies ist kein Krieg gegen die Juden. Dies ist ein Krieg gegen uns alle. Jene, die heute gegen Juden sind, sind morgen gegen Frauen, übermorgen gegen Homosexuelle und schließlich gegen alle Menschen in der Demokratie.

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In der Öffentlichkeit wird auch über die humanitäre Lage im Gazastreifen, die Entwicklungshilfe für Palästinenser oder die Siedlungspolitik Israels gesprochen. Mit welchen Gefühlen verfolgen Sie die Debatten?

Teichtal: Als Rabbiner in Berlin spreche ich zuerst über das jüdische Leben hier in der Stadt. Aber ich möchte eine Perspektive klarstellen: Die Hamas hat versucht, so viele Menschen wie möglich zu töten. Israel versucht, so viele Menschenleben wie möglich zu schützen. Man gibt vorher mit Flugblättern bekannt, dass die Menschen bitte das Gebiet im Norden von Gaza in Richtung Süden verlassen sollen. Wenn Israel nicht auf dieses Massaker reagiert, geht der Terror einfach weiter.

Ich vermisse in manchen Medien das klare Bild der Situation. Es sind nicht zwei Seiten im Konflikt. Wir sprechen von mehr als 1400 ermordeten Israelis, darunter viele Frauen und Kinder. Das waren Zivilisten. Das war Terror wie bei der IS. Und bei Al-Qaida hat damals keiner gesagt, man solle mit Osama bin Laden am Tisch sitzen und mit ihm den Frieden besprechen.

Sollten die Zahlungen an die Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland eingestellt werden

Teichtal: Solange man nicht absolut sicher sein kann, dass die deutschen Steuergelder nicht in die Hände von Terroristen kommen, haben wir eine gemeinsame Pflicht und Verantwortung, lückenlos nachvollziehen zu können, dass das Geld in die richtigen Hände kommt.

Das komplette Interview mit Rabbiner Yehdua Teichtal lesen Sie bei der „Berliner Morgenpost“.