Paris. Frankreich stuft die Abaya als religiöses Symbol ein – und verbannt es aus den Schulen. Dort sieht man die Entscheidung kritisch.
Die Frage, ob die Abaya nur eine Modeerscheinung oder doch in erster Linie ein religiöses Bekenntnis ist, erhitzt die Gemüter in Frankreich bereits seit gut zwei Jahren. Immer häufiger nämlich tauchen Mädchen in diesem langen, vorwiegend von Moslems getragenen Übergewand im Unterricht auf. Jetzt hat der junge Bildungsminister Gabriel Attal der Debatte ein Ende gesetzt und entschieden, die Abaya als religiöses Symbol einzustufen – in öffentlichen Schulen darf es nicht mehr getragen werden.
In Frankreich mit seiner strikten Trennung von Kirche und Staat sind auffällige religiöse Symbole an den Schulen bereits seit 1994 gesetzlich verboten. Aber explizit ist allein das Tragen des islamischen Kopftuchs untersagt. Ob etwa eine Kippa, ein christliches Kreuz oder eben die Abaya als auffälliges religiöses Symbol angesehen wurde, lag in der Entscheidungsbefugnis der Schulleitung. Viele Rektorinnen und Rektoren pflegten einen entspannten Umgang mit der Regelung, solange das Verhalten der Schüler nicht als demonstrativ oder provokativ angesehen wurde.
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Im Falle der Abaya aber lag der Fall anders. Lehrergewerkschaften und zahlreiche Schulleiter hatten in den vergangenen Monaten eine klare Ansage des Erziehungsministeriums gefordert. Das lag daran, dass die Abayas von immer mehr muslimischen Schülerinnen getragen wurden, ihr religiöser Symbolwert jedoch andererseits durchaus umstritten ist.
Abaya ist in der muslimischen Welt wenig verbreitet
„Letztlich sind die Absichten einer Schülerin entscheidend“, erklärt der leitende Rektor am Pariser Gymnasium La Grange aux Belles, Didier Georges, das Dilemma, „Wenn ein Mädchen mir sagte, sie trage die Abaya nicht, weil sie Moslem ist, sondern weil sie sich darin wohlfühlt, hatte ich streng genommen keine Handhabe, ihr das Kleidungsstück zu untersagen.“
Tatsächlich liegt die Einstufung der Abaya als islamische Bekleidung keineswegs auf der Hand. Getragen wird der lange, nur Kopf, Hände und Füße freilassende Überhang vorwiegend von zahlreichen Frauen in den Ländern des Maghreb. Ansonsten ist er in der muslimischen Welt wenig verbreitet.
Noch im Frühjahr lag die Entscheidung bei den Schulen
„Wäre die Abaya ein religiöses Gewand“, so die renommierte französische Religionsanthropologin Anne-Laure Zwilling, „müsste sie von jedem strenggläubigen Muslimin getragen werden. Doch dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkt im Koran oder in anderen islamischen Schriften“. Auch der französische Muslim-Dachverband CFCM vertritt die Ansicht, dass das bodenlange Gewand kein religiöses Kleidungsstück darstellt.
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Für den im Juni abgelösten Bildungsminister Pap Ndiaye war das Grund genug, noch im Frühjahr kein Abaya-Verbot ins Auge zu fassen. Er befand, dass jede Schulleitung selber für die Kleiderordnung in ihrem Etablissement verantwortlich sei. Sein Nachfolger Attal sieht das anders. Für ihn ist das Tragen einer Abaya eindeutig eine religiöse Geste und unvereinbar mit dem Laizismus, der „die Freiheit garantiert, sich durch die Schule zu emanzipieren“.
Lehrergewerkschaften und konservative Politiker wie Eric Ciotti, der Chef der Republikaner-Partei, begrüßen das bereist mit dem Unterrichtsbeginn am 4. September greifende Abaya-Verbot. Clémentine Autain von der linksradikalen Partei LFI hingegen bezeichnete es als verfassungswidrig und warnt vor einer „Kleiderpolizei“ in den Schulen.
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