Paris. Die Provence ist bei Urlaubern beliebt. Doch ein Schädling droht, die Landschaft zu zerstören. Die Bauern haben Angst um ihre Ernte.
Von Juni bis August blüht in der Provence der Lavendel. Lilablaue Felder, die sich bis zum Horizont erstrecken und einen betörenden Duft ausströmen, locken jeden Sommer Tausende Touristen in die südfranzösische Region. Doch in diesem Jahr drohen viele so lange Gesichter zu ziehen wie Corentin Duval, der auf seinem Hof unweit des im Departement Drôme gelegenen Dorfs Châtillon-en-Diois zwei Wochen früher als üblich mit der Ernte begonnen hat.
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„Ich habe Angst, dass sonst nicht mehr viel zu pflücken bleibt“, meint Duval und deutet mit einer wegwerfenden Geste auf die langen Reihen seiner Lavendelpflanzen, von denen sich ein Teil in ein tristes Graubraun verfärbt hat. Mit etwa 20 Prozent Ernteverlust hatte der 47-jährige Landwirt ursprünglich gerechnet, wegen der Trockenheit. Aber es wird sehr viel schlimmer kommen. Das ahnte Duval bereits, als er Ende Juli Insekten auf seinen Feldern entdeckt hatte.
Raupe kam durch heiße Winde nach Frankreich
Dabei handelt es sich um eine Nachtfalterart, deren gefräßige Raupen eine Lavendelpflanze in fünf Tagen zugrunde richten können. „Wenn ich die Hälfte der Blüten noch rechtzeitig einbringen kann, darf ich mich glücklich schätzen“, klagt Corentin Duval. Schuld an der Misere ist der Scirocco, ein heißer Wind, der von der Sahara in südöstlicher Richtung gen Mittelmeer weht. Er brachte die Nachtfalter im Juli mit sich nach Südfrankreich – wie zuletzt in den Sommern der Jahre 2018 und 2019.
Um welche Art es sich dieses Mal genau handelt, soll nun ermittelt werden. Die rund 3000 Bauern, die in der Provence Lavendel anbauen, wissen eigentlich, was in solchen Fällen zu tun ist: Sie stellen Pheromonfallen auf, um die Insekten einzufangen, bevor die Weibchen ihre Eier ablegen. Eine erprobte Methode, bloß hat sie diesmal nicht funktioniert. Aus bislang unerfindlichen Gründen ließen sich die meisten der Falter nicht in die Duftfallen locken. Und die Zeitspanne, die Erfolg verspricht, ist kurz, denn zwischen der Eiablage und dem Schlüpfen der Raupen vergehen nur wenige Tage.
Lavendel in Frankreich: „Ausmaß der Schäden ist nicht abzusehen“
Alain Aubanel, der dem Verband der Lavendel-Bauern vorsteht, bestätigt Duvals pessimistische Prognose. Ihm zufolge droht zumindest im Departement Drôme eine regelrechte Katastrophe, da dort Hunderte Felder „befallen“ sind und einige Landwirte sogar um ihre gesamte Ernte fürchten müssen. Das Ausmaß der Schäden ist laut Aubanel noch gar nicht abzusehen, da die Raupen eben nicht nur die Blüten – sprich die Ernte – fressen, sondern oft die gesamte Pflanze. Bei Nachschubmangel setzen die Tierchen auch Tomaten-, Mais-, Salbei- oder Kichererbsenpflanzen auf ihr Menü.
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In der Provence wird jedoch so viel Lavendel angebaut, dass es kaum soweit kommen dürfte. Vorerst jedenfalls reguliert die Raupen-Invasion eher eine Überproduktion, die in den letzten drei Jahren zu einem empfindlichen Preisverfall der Lavendelblüten geführt hat. Für die von ihr betroffenen Landwirte freilich ist das kein Trost. Grund genug für Aubanel, sich in ihrem Namen an die französische Regierung zu wenden und eine staatliche Soforthilfe einzufordern.
Lavendel gilt als Aushängeschild der Provence
In der Provence wird Lavendel schon seit der Antike angebaut. Sorten gibt es viele, am weitesten verbreitet sind der sogenannte Echte Lavendel, der vor allem in bergigen Regionen wächst und als besonders wertvoll gilt, weil er nur alle paar Jahre geerntet werden kann. Dagegen kann der Lavandin jährlich eingeholt werden. Lavendel spielt als Duftstoff eine wichtige Rolle in der Parfum-Herstellung und in der Heilkunde.
Sein Duft wirkt auch insektenabweisend, weshalb der Lavendel – oft als Säckchen im Kleiderschrank – zur Abwehr von Motten genutzt wird. Lavendelblüten haben zudem beruhigende, blähungswidrige und gallentreibende Eigenschaften. In Tablettenform, als Öl oder als Spray werden sie zur Beruhigung, auch in Form von Aromatherapie, und zur Förderung der Verdauung eingesetzt. Nicht zuletzt eignet sich Lavendel als Gewürz zum Verfeinern von Speisen. Ihr Lavendel bietet den Bewohnern der Provence immer wieder auch Grund zum Feiern: Die traditionellen Lavendelfeste bringen Einheimische und Gäste zusammen.