Berlin. In einer Kiesgrube entdeckt ein ehrenamtliches Grabungsteam ein fast komplettes Riesenwal-Skelett. Der Fund gilt als äußerst selten.

Die Ur-Nordsee erstreckte sich vor Millionen von Jahren über weite Teile Deutschlands. Bis heute finden Paläontologen und Hobby-Gräber an Orten wie Steinbrüchen zahlreiche Fossilien, die von der bewegten Erdgeschichte erzählen. So ist zuletzt Mitgliedern eines ehrenamtlichen Grabungsteams in einer Kiesgrube in Schleswig-Holstein ein spektakulärer Fund gelungen.

Östlich von Hamburg im Kreis Herzogtum Lauenburg legten sie ein fast vollständig erhaltenes Skelett eines rund 3,50 Meter langen Zahnwals frei, der vor rund elf Millionen Jahren in der Ur-Nordsee gelebt hat. Entdeckt wurde das Skelett den Angaben zufolge von Wolfgang Höpfner, dem Zwillingsbruder von Gerhard Höpfner, der das Grabungsteam seit mehreren Jahren leitet.

Gemeinsam hat das Team inzwischen auf einer Fläche von rund sechs Quadratmetern den Schädel samt Zähnen, das Schulterblatt und eine Reihe von Wirbeln – kurz ein fast komplettes Skelett – geborgen. Der Fund sei wegen seines guten Erhaltungszustandes eine Seltenheit, hieß es. 

Walfund in Schleswig-Holstein: Ehrenamtliche Gräber finden komplettes Skelett

Die Kiesgrube in Groß Pampau gilt weltweit als bedeutende Fundstätte für Fossilien aus dem etwa elf Millionen Jahre zurückliegenden Erdzeitalter des Miozän. Die „Lübecker Nachrichten“ hatten zuvor darüber berichtet.

Die Ur-Nordsee ist das Ergebnis einer langen geologischen Entwicklung. Ihr Ursprung reicht zurück in das späte Perm vor etwa 260 Millionen Jahren, als das sogenannte Zechsteinmeer große Teile Nordwesteuropas bedeckte. Dieses flache Binnenmeer hinterließ durch Verdunstung mächtige Salz- und Gipsablagerungen, die bis heute die geologische Struktur des Nordseebeckens prägen.

In den folgenden Erdzeitaltern wechselten Phasen der Überflutung und Trockenheit. Besonders während der Kreidezeit vor etwa 100 Millionen Jahren erstreckte sich ein ausgedehntes Meer über das Gebiet. Hier lagerten sich mächtige Sedimentschichten ab, die später bedeutende Erdöl- und Erdgasvorkommen bildeten.

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Vorfahren der modernen Wale lebten in Ur-Nordsee

Die Ur-Nordsee und ihre Vorgängermeere boten im Laufe der Erdgeschichte auch Lebensraum für zahlreiche Meerestiere, darunter frühe Wale. Während der Überflutungsphasen nach der Kreidezeit, insbesondere im Tertiär (vor etwa 66 bis 2,6 Millionen Jahren), entwickelten sich die Vorfahren moderner Wale, die damals in diesen Gewässern lebten.

Im Quartär (ab vor etwa 2,6 Millionen Jahren) prägten Eiszeiten und Klimaschwankungen die Region. In den Kaltzeiten sank der Meeresspiegel um bis zu 120 Meter, wodurch große Teile der heutigen Nordsee trockenlagen. In dieser Zeit existierte das Doggerland, eine Landbrücke zwischen Großbritannien und dem europäischen Festland. Dieses fruchtbare Gebiet war während der Mittelsteinzeit ein wichtiger Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen.

Mit dem Ende der letzten Eiszeit vor rund 12.000 Jahren begann der Meeresspiegel durch das Abschmelzen der Gletscher zu steigen. Vor etwa 8.000 Jahren führte das Storegga-Ereignis, ein massiver Unterwasser-Erdrutsch, zu einem Tsunami, der große Teile von Doggerland unbewohnbar machte. Doggerland verschwand vollständig unter den Fluten und die Nordsee nahm ihre heutige Gestalt an.