Berlin. Jutta Speidel ist nicht nur eine bekannte Schauspielerin, sondern engagiert sich auch sozial. Ihre Prominenz wurde ihr dabei zum Verhängnis.
- Jutta Speidel über das, was noch wichtiger als der Erfolg ist
- Die Schauspielerin musste viele Probleme bewältigen
- Der Glamour-Faktor als TV-Star hat die Schauspielerin in viele heikle Lagen gebracht
Was würden Sie tun, wenn ein Unbekannter Sie mit einer Notiz um Hilfe bittet? In diese Lage gerät Schauspielerin Jutta Speidel in ihrem neuen Film „So weit kommt‘s noch“ (am 29. September um 20.15 Uhr im ZDF). Eine Rolle wie für sie gemacht, verrät die 70-Jährige im Interview. Denn neben ihrer Film- und Serienkarriere („Um Himmels willen“) hält Speidel ihr soziales Engagement auf Trab: Mit ihrem gemeinnützigen Verein „Horizont e.V.“ betreibt sie zwei Frauenhäuser in München. Im Interview spricht Jutta Speidel über ihre eigene Gutgläubigkeit, ihre schwierige Schulzeit und die Notwendigkeit, Pläne zu schmieden.
In „So weit kommt’s noch“ spielt ein Zettel mit dem Hilferuf eines Unbekannten eine große Rolle. Wie würden Sie reagieren, wenn Sie so eine Notiz finden würden?
Jutta Speidel: Da fragen Sie die Richtige, denn ich bin ein Profi in solchen Fragen. Ich würde mir den Zettel anschauen, überlegen, welche Behörde dafür zuständig ist, und mit der ein Gespräch führen. Aber die Figur im Film hat eine riesengroße Naivität, und mit der fällt man auf die Nase.
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Sie sprechen Ihr eigenes Engagement mit der Initiative „Horizont e.V.“ an. Waren Sie am Anfang auch naiv?
Speidel: Und wie. Aber wenn du Angst vor Fehlern hast, dann wirst du so etwas nie auf die Beine stellen. Bevor ich die Initiative 1997 gegründet habe, habe ich mich gefragt: „Ich drehe einen Film nach dem anderen, habe zwei Kinder in die Welt gesetzt – was mache ich jetzt mit meinem Leben?“ Ich wollte mich nicht an eine Dachorganisation ankoppeln, bei der man nicht mitbekommt, ob sich der Einsatz wirklich lohnt.
Stattdessen wollte ich etwas eigenes schaffen, und damit kamen viele Probleme auf mich zu. Es gab aber eben auch viele schöne Erlebnisse, die mich darin bestätigt haben, dass das, was ich mache, richtig ist. Aber ohne mein tolles Team hätte ich das das alles nicht gepackt.
Was waren denn die größten Probleme, die Sie mit Ihrer damaligen Naivität hatten?
Speidel: Wenn du eine bekannte Schauspielerin bist, dann strahlst du einen gewissen Glamour aus, und von diesem Kuchen will jeder etwas abhaben. Da läufst du Gefahr, dass du in deiner Gutgläubigkeit Leuten auf den Leim gehst, die selbst zu Ruhm kommen wollen.
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Wie naiv und gutgläubig sind sie heute?
Speidel: Viel weniger. Ich will nicht sagen, dass ich misstrauisch bin, aber ich bin ziemlich klug geworden. Ich kann gut einschätzen, ob mich jemand über den Tisch ziehen will, und das erlaube ich niemandem.
Jutta Speidel über ihren Verein: „Wir sind auf Leute hineingefallen“
Welcher Typ Personen stellt Sie bei diesem Engagement vor Probleme?
Speidel: Als ich mit „Horizont e.V.“ angefangen habe, war ich nicht auf der Suche nach mir selbst. Das war wichtig. Aber es passiert immer wieder, dass Menschen auf uns zukommen, die uns erzählen, was sie alles können. Doch teilweise wollen sie einfach nur Aufmerksamkeit, weil sie in einer großen inneren Einsamkeit leben und nichts mit sich anzufangen wissen.
Wir haben alle eine Aufgabe, aber um die herauszufinden, musst du dich mit dir selbst beschäftigen. Viele Menschen wollen das nicht. Die möchten, dass jemand von außen kommt und sagt: „Du bist eine tolle Frau oder ein toller Mann. Dich brauche ich.“ Aber es ist uns passiert, dass wir auf solche Leute hereingefallen sind, und das kann uns wieder passieren, obwohl wir inzwischen die entsprechenden Antennen dafür haben.
Haben Sie selbst jemals die Bestätigung von außen gesucht?
Speidel: Nicht wirklich. Denn ich bin in einem Haus aufgewachsen, wo meine Eltern sagten: „Wir können dir gerne Rat geben, aber wenn du richtigen Mist baust, dann musst du dich selbst wieder herausschaufeln.“
Wann haben Sie zum Beispiel Mist gebaut?
Speidel: Ich hatte wahnsinnig viel Fantasie und so bin ich in Welten geschlüpft, von denen ich nicht erkannte, dass sie nicht stimmten.
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Was waren das für Welten?
Speidel: Das waren speziell Schwindeleien in der Schule, die mich in Teufels Küche gebracht haben. Ich kann mich an keine Beispiele mehr erinnern, aber der Großteil des Unterrichts hat mich zu Tode gelangweilt, und so habe ich Dinge erfunden.
Speidel über Lebensweg: „Ich habe geguckt, was für mich stimmt“
Wie bewerten Sie jetzt mit 70 Ihren Lebensweg?
Speidel: Ich denke, alles hat sich gefügt. Ich war immer wachsam und habe geguckt, was für mich stimmt. Natürlich sind mir Fehler passiert oder ich war zu faul, aber insgesamt habe ich alles ganz richtig gemacht. Wenn ich mit „Horizont e.V.“, meinen zwei Kindern und den Enkelkindern einen kleinen Fußabdruck hinterlasse, bin ich zufrieden.
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Was war Sie eigentlich wichtiger: das familiäre Glück oder das Engagement für „Horizont e.V.“?
Speidel: Die Prioritäten sind veränderbar. Mal lag die Priorität auf „Horizont“ und mal auf Familie und Beruf. Dann klinke ich mich aus und mache nur ein bisschen mit. Ich habe es jedenfalls geschafft, „Horizont“ parallel zu meinen Kindern hochzuziehen. Aber das ging nur im Miteinander.
Die Arbeit als Künstlerin ist für Sie also schon noch wichtig?
Speidel: Einer muss ja die Brötchen nach Hause bringen. Kinder sind teuer, Lebensraum kostet auch sein Geld. Dieser Kreislauf geht immer weiter. Nur wenn du eine gute berufliche Basis hast, kannst du diese Herausforderungen meistern.
Speidel: „Wenn du aufhörst, Pläne zu haben, ist es dein eigenes Ende“
Machen Sie sich eigentlich Sorgen um die Zukunft?
Speidel: Klar, denn die ist momentan wahnsinnig ungewiss. Aber es hilft nicht, den Kopf in den Sand zu stecken. Meine Haltung ist: Nutze den Tag. Man muss immer auch Pläne haben. Wenn du aufhörst, Pläne zu haben, ist es dein eigenes Ende.
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Es gibt aber auch den Spruch: „Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, dann erzähle ihm deine Pläne.“
Speidel: Natürlich weiß ich im Hinterkopf, dass etwas dazwischen kommen kann. Doch wenn etwas nicht so funktioniert, wie man es sich vorstellt, dann kannst du daraus lernen. Wenn du zum Beispiel einen Stoff verfilmen willst, der nicht in den Zeitgeist passt, wirst du damit Probleme haben.
Dann musst du die Chuzpe haben, zu sagen: „Ich lege das jetzt ad acta und dann schaue ich, ob das vielleicht in drei, vier Jahren doch interessant ist.“ So ist mir das mit meinem Roman gegangen. Ich hätte nach den vielen Absagen sagen können, ich werfe das in den Müll. Aber ich habe einfach gewartet bis der richtige Verlag kam.