Berlin. Kapitän Karsten Börner erlebte mit, wie die „Bayesian“ im Sturm unterging. Im Interview berichtet er von der dramatischen Rettungsaktion.
In Italien wird er als „capitano eroe“, als heldenhafter Kapitän, gefeiert. Der Hamburger Karsten Börner hat 15 der 22 Menschen an Bord der vor Palermo gesunkenen Luxusyacht „Bayesian“ in Sicherheit gebracht. Börners Schiff „Sir Robert Baden Powell“ lag mit sieben deutschen Gästen an Bord nahe Palermo vor Anker, als in den frühen Morgenstunden der Wirbelsturm ausbrach.
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„Ich habe gesehen, wie die ‚Bayesian‘ mit ihrem 75 Meter hohen Mast unter dem Sturm zuerst umkippte und dann sank“, berichtet der 69-Jährige im Gespräch mit dieser Redaktion. Es sei gegen 5 Uhr morgens gewesen und noch dunkel. Mit seinem Offizier sei Börner, der mit seinem Schiff unter niederländischer Flagge Kreuzfahrten für kleine Gruppen im Mittelmeer anbietet, in ein Beiboot gestiegen und zur Yacht gefahren.
„Die Szene war schrecklich“, sagt er. „Menschen riefen um Hilfe, Kinder weinten. Wir haben 15 Personen zu uns in das Beiboot geholt und dann die Küstenwache alarmiert. Nachdem die Überlebenden an Bord unseres Schiffes gegangen sind, haben wir uns noch auf die Suche nach den anderen gemacht – leider vergebens.“
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Kapitän nahm Schiffsbrüchige an Bord: „Waren alle sehr mitgenommen“
Die sechs Passagiere, die noch vermisst werden, befanden sich vermutlich in den Kabinen und konnten sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen. Zu den Geretteten zählen auch ein kleines Mädchen. „Sie waren alle sehr mitgenommen. Ich habe zwar bereits in der Vergangenheit Menschen vor Schiffbrüchen in Sicherheit gebracht, bei keinem haben wir jedoch so viele Personen gerettet“, erzählt Börner.
Mehrere Stunden lang hat der Kapitän die Fragen der Staatsanwälte von Palermo beantwortet, die zu dem Fall ermitteln. Die deutschen Gäste an Bord seines Schiffes gingen nach der Tragödie von Bord, da für sie die Kreuzfahrt in Palermo zu Ende ging. Börner nimmt am Mittwoch neue Gäste an Bord und steuert dann Sardinien an.
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Die dramatische Nacht vor Palermo wird er aber lange nicht vergessen. „Als der starke Wind begann, wollten wir Zuflucht im kleinen Hafen Arenella in Palermo suchen, aber wir hatten dafür keine Zeit mehr. Als das Gewitter in all seiner Gewalt ausbrach, haben wir die Motoren laufen lassen und konnten so das Schiff stabil halten“, erklärt der Kapitän. Die „Bayesian“ hatte keine Chance.
Rettung grenzte an ein „Wunder“
„Wir sind alle sehr glücklich, dass wir zumindest diese 15 Personen retten konnten. Das ist ein Wunder, vor allem wenn man die schwierige Wetterlage bedenkt“, berichtet Karin Volkening (63), Geschäftspartnerin von Börner, die sich ebenfalls an Bord der „Sir Robert Baden Powell“ befand. „Der Kapitän und sein Offizier waren heldenhaft.“
Drei aus Rom und Sardinien eingetroffene Tauchereinheiten arbeiten inzwischen an der Bergung der „Bayesian“ und suchen weiter nach den Vermissten. Zu ihnen zählen der britische Tech-Milliardär Mike Lynch, seine 18-jährige Tochter Hanna, der Morgan-Stanley-Präsident Jonathan Bloomer und Chris Morvillo, ein Anwalt der Großkanzlei Clifford Chance, die Lynch in einem Verfahren in den USA vertreten hatte, sowie deren Ehefrauen.
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Der 59-jährige Lynch gilt als „britischer Bill Gates“. Er hatte seine Softwarefirma Autonomy 2011 für elf Milliarden Dollar an den US-Computerriesen Hewlett-Packard (HP) verkauft. HP hatte ihn danach wegen Betrugs verklagt. Der Vorwurf: Lynch soll Akten gefälscht und Umsätze geschönt haben. Mehr als ein Jahr stand er de facto unter Hausarrest, wurde aber im Juni von einer Jury in San Francisco freigesprochen. Lynchs Frau Angela Bacares, die auch als Eigentümerin des gesunkenen Schiffes gilt, erlitt bei dem Unglück Verletzungen. Sie traf den britischen Botschafter in Italien, Hon Lord Llewellyn, der den Überlebenden Unterstützung zusicherte.
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