Berlin. Nachrichtenmoderator Christian Sievers bringt die Katastrophen der Welt ins Wohnzimmer. Wie er es schafft, trotzdem glücklich zu sein.
Christian Sievers ist als Hauptmoderator des „heute-journals“ einer der renommiertesten deutschen Fernsehjournalisten. Für das Format „Am Puls“ beleuchtet der 54-jährige nun den „Brennpunkt Zuwanderung“ (8. August, 22.15 Uhr im ZDF und in der ZDF-Mediathek). Im Interview erklärt er, wie er mit Extremsituationen klarkommt, warum er manchmal verzweifelt und wie er es schafft, trotzdem zu entspannen.
Sie moderierten viele Brennpunkte der Zeitgeschichte – von den Anschlägen des 11. Septembers in New York bis zur Tsunami-Katastrophe. Wann sind Sie jemals aus der Fassung geraten?
Christian Sievers: Die Menschen, die uns als Nachrichtenquelle vertrauen, brauchen niemanden, der die Fassung verliert. Deshalb bemühe ich mich, jede Situation professionell zu meistern. Das Entsetzen, die Traurigkeit, die Verarbeitung kommt dann meist später, in einer ruhigen Minute. Was erstaunlicherweise hilft, ist, vor Ort zu sein. Denn an den furchtbarsten Schauplätzen dieser Welt gibt es immer auch unfassbare Mitmenschlichkeit. Da zeigt sich, wozu wir imstande sind. In jeder Hinsicht.
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Für „Am Plus“ sind Sie in die Welt der Migration eingetaucht. Welche Eindrücke haben sich da besonders eingeprägt?
Sievers: Ich habe mit Menschen in Nigeria gesprochen: 40 Grad, stickige Luft. Krankheiten und Kriminalität grassieren. Einer der schlimmsten Slums auf dieser Erde. Und diese Leute gucken einen mit leuchtenden Augen an und sagen: Wir wollen nach Deutschland. Und man weiß: Das wird so nicht klappen. Und ich habe eine Einbürgerungszeremonie in Naumburg, Sachsen-Anhalt, miterlebt. Ehemalige Migranten, die schon lange bei uns leben und arbeiten, bekommen den deutschen Pass. Ein kleiner Junge aus Syrien hält das Grundgesetz in der Hand. Sein Vater sagt, Deutschland habe die Familie gerettet. Dann singt der ganze Saal unsere Nationalhymne. Dieses Thema hat so viele Seiten. Das werde ich nicht vergessen.
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Was gibt Ihnen Hoffnung, dass Deutschland die Herausforderung „Migration“ bewältigt?
Sievers: Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Es hängt viel daran, zunächst mal diese gnadenlose Schärfe aus der Diskussion bei uns zu nehmen und sie auf Faktenbasis zu führen. Dazu wollen wir mit dieser Doku einen Teil beitragen. Hingehen. Hingucken. Zeigen, was gut läuft. Aber auch vor den Problemen die Augen nicht verschließen.
Sie sind schon seit 1989 als Moderator und Reporter aktiv. Warum ist dieser Job für Sie maßgeschneidert?
Sievers: Es gibt schon Momente, da würde ich gerne neu „schneidern“. Aber im Grunde gilt das, was ich seit meinem ersten Radio-Praktikum als Schüler gedacht habe: Das ist dein Ding. Das ist spannend, niemals langweilig. Da darfst du neugierig sein. Es ist nicht ein Job, es sind ganz viele.
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Sievers erklärt: So nah dran wie möglich, so entsteht Vertrauen
Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die klassischen Medien scheint indes zu schwinden. Wie kann man das zurückgewinnen?
Sievers: Das Vertrauen ist nach wie vor enorm hoch, gerade in unsere Arbeit, gerade, wenn es „brennt“ auf der Welt. Das zeigen alle Umfragen und unsere Einschaltquoten und Abrufzahlen. Meine Herangehensweise ist da ganz einfach: Berichten, was ist. So nah dran und unmittelbar und live wie möglich – damit sich jede und jeder dann selbst eine Meinung bilden kann. So entsteht Vertrauen und so bleibt Vertrauen erhalten.
Was empfinden Sie im Hinblick auf die junge Generation, die womöglich im Tiktok-Zeitalter nicht mehr imstande ist, komplexere Inhalte zu verstehen?
Sievers: Ich bin oft an Schulen und beantworte Fragen. Da gibt es ein enormes Interesse an unserer Arbeit. Da gibt es viel Neugier und auch viele Sorgen. Was auf unserer wilden Welt passiert, in neuen Formaten abzubilden, jenseits der Social-Media-Diät, das ist die große Herausforderung für alle, die guten Journalismus machen.
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Speziell in der jüngeren Generation scheint aber eine gewisse Weltuntergangsstimmung ausgeprägt. Inwiefern teilen Sie die?
Sievers: Ich bin grundsätzlich ein sehr optimistischer Mensch, aber ich gebe zu, es gibt Momente, die sind zum Verzweifeln. Und dennoch glaube ich an unsere Kraft als Menschen, einen guten Weg in die Zukunft zu finden.
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„heute journal“-Moderator über Israel: Worauf es wirklich ankommt
Momentan gibt Israel wieder Grund zur Sorge, dort, wo Sie fünf Jahre lang das ZDF-Auslandsstudio leiteten. Was für bleibenden Eindrücke hat das Land hinterlassen?
Sievers: Fantastische Menschen. Aber eine Gesamtlage zum Verzweifeln. Dennoch gibt es weder eine „Spirale der Gewalt“, wie oft getextet wird, noch einen „Flächenbrand“ quasi auf Autopilot. Alles hat konkrete Gründe und Hintergründe – politisch, militärisch, wirtschaftlich. Diese zu zeigen – immer wieder – ist unsere Aufgabe.
Im Gegensatz zu vielen Kollegen halten Sie Ihr Privatleben komplett abgeschottet. Warum dieser Entschluss?
Sievers: Ich mache Nachrichten, keine Personality-Show. Wird die Weltlage anders, wenn ich allen mein Wohnzimmer her zeige? Vermutlich doch eher nicht (lacht).
Können Sie zumindest verraten, wie Sie sich von den Belastungen Ihres Berufs erholen?
Sievers: Ich liebe Mini-Pensionen auf Mini-Inseln in Griechenland. Wo Sie sich nach einer Woche wie Teil der dortigen Großfamilie fühlen. Wo es keinen 5-Sterne-Standard gibt, aber einen unverbauten Blick in die Milchstraße. Und auf die Linie am Horizont über dem türkisblauen Meer. Das erdet jeden. Auch jeden Newsjunkie. Probieren Sie es aus!
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