Berlin. Weder muslimisch, christlich noch jüdisch: Drusen verstehen sich als eigene Religion. Sie leben in Israel, Syrien und dem Libanon.

Im sogenannten „Nahen Osten“ leben viele verschiedene Religionsgemeinschaften, was in der Geschichte zu zahlreichen Konflikten geführt hat. Viele Minderheiten wurden ausgelöscht, verfolgt oder zwangskonvertiert. Den Drusen gelang es jedoch, zu überleben. Doch wer sind sie eigentlich? Eine Sekte, Muslime oder doch ein eigenes Volk?

Die Drusen sind eine kleine religiöse Gemeinschaft, die sich im 11. Jahrhundert vom Ismailitentum, einer Strömung des schiitischen Islams, abspaltete. Sie leben überwiegend in Israel, Syrien und dem Libanon. Die Glaubensgrundsätze der Drusinnen und Drusen beinhalten Elemente des Islams, aber auch Einflüsse aus dem Christentum, dem Judentum und der altgriechischen Philosophie. Drusen sehen sich allerdings nicht als Muslime und werden als eigenständige Religionsgemeinschaft betrachtet. Das Wort „Druse“ selbst kann mit „Bekenner der Einheit Gottes“ übersetzt werden.

Drusen in Israel

Drusinnen und Drusen leben hauptsächlich in Syrien, dem Libanon und in israelischen Gebieten. Dort sind sie vor allem in dem von Israel seit 1967 eroberten und 1981 annektierten Gebiet der Golanhöhen und in der Region Galiläa ansässig – oft in engen, gut organisierten Gemeinschaften.

In Syrien und Israel sind sie für ihre angebliche Loyalität und ihre Integration in die jeweiligen Staatsstrukturen bekannt. In Israel dienen viele Drusen im Militär und haben die israelische Staatsangehörigkeit. Sie unterliegen als einzige arabische Minderheit in Israel der Wehrpflicht.

Nahostkonflikt - Golanhöhen
Trauernde Angehörige der drusischen Minderheit umringen die Särge einiger der Kinder und Jugendlichen, die bei einem Raketeneinschlag auf einem Fußballplatz in den israelisch kontrollierten Golanhöhen getötet wurden. © DPA Images | Leo Correa

Auf den Golanhöhen haben jedoch die meisten Drusen das Angebot, die israelische Staatsangehörigkeit anzunehmen, abgelehnt. Die meisten Einwohner sind syrische Staatsbürger. Völkerrechtlich gehört das Gebiet trotz der Annexion weiterhin zu Syrien. Hinzu kommt, dass die Drusen durch verwandtschaftliche Verhältnisse oft stark mit Syrien verbunden sind.

Allerdings ändere sich das Zugehörigkeitsgefühl durch den seit 2011 andauernden Krieg in Syrien. Immer mehr junge Drusen und Drusinnen gehen zum Studium nach Tel Aviv oder Jerusalem. So zumindest zitiert die „Tagesschau“ Salah Tarif. Er ist ein israelischer Politiker drusischer Herkunft und wurde 2001 zum ersten nichtjüdischen Minister in der israelischen Regierung unter Ariel Scharon ernannt.

Drusen im Libanon und Syrien

Im Libanon sind die Drusen eine der anerkannten religiösen Gruppen und spielen eine größere politische Rolle. Im Land sind sie vor allem in den mittleren Gebieten ansässig. Während des Libanesischen Bürgerkrieges (1975 bis 1990) verfügten die drusische Minderheit und ihre progressiv-sozialistische Partei über eine der stärksten Milizen. Dazu haben Drusen im Libanon das Recht auf Selbstverwaltung und ihre eigene Personenstandsgesetzgebung.

Nahostkonflikt - Golanhöhen
Angehörige der drusischen Minderheit trauern während der Beerdigung ihrer Verwandten in dem Dorf Madschd al-Schams auf den israelisch kontrollierten Golanhöhen. © DPA Images | Leo Correa

In Syrien leben die Drusen unter anderem in „Dschebel ad-Duruz“ (auch Gebirge der Drusen) oder auf dem Hermon an der Grenze zum Libanon. Trotz ihrer Bemühungen um Neutralität sind die Drusen nicht gegen die Herausforderungen des Krieges immun. Ihre Gemeinden leiden unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten, Mangel an Ressourcen und gelegentlichen Angriffen extremistischer Gruppen.

Auch in Jordanien und in der Diaspora, insbesondere in Nordamerika und Europa, gibt es kleinere drusische Gemeinschaften. Insgesamt werden sie auf etwa eine Million Menschen geschätzt.

Mehr von Israel-Korrespondentin Maria Sterkl

Woran glauben Drusinnen und Drusen?

Ihre Lehren basieren auf den Schriften des Fatimidenkalifen Al-Hakim bi-Amr Allah und seines persischen Predigers Hamza ibn Ali. Sie glauben an göttlich inspirierte Imame, die vollkommene Menschen sind und das Göttliche widerspiegeln. Dazu vertreten sie die Auffassung, dass die Geschichte der Religionen in Zyklen verläuft, an deren Ende ein Imam zurückkehren wird, um das Reich Gottes auf Erden zu errichten. Der letzte dieser Imame war Al-Ḥākim, der 1021 verstarb.

Die Gläubigen unterscheiden sich in „Wissende“ („Uqqal“), denen der Glaube vollständig zugänglich ist, und „Unwissende“ („Juhhal“), die nur einen begrenzten Zugang zu den heiligen Schriften haben. Dabei können Männer sowie Frauen zu den Eingeweihten gehören.

Ein zentrales Element des drusischen Glaubens ist der Glaube an die Reinkarnation. Das heißt, sie glauben, dass die Seele eines Menschen nach dem Tod in einen neuen Körper übergeht, was einen Zyklus der kontinuierlichen spirituellen Weiterentwicklung ermöglichen soll.

Zum Drusentum kann seit 1043 nicht konvertiert werden – Druse oder Drusin wird man durch Geburt. Ihre Gemeinschaft ist durch strenge Endogamie geprägt. Hochzeiten außerhalb der Glaubensgemeinschaft sind selten und oft nicht anerkannt.

Traditionelle Kleidung der Drusen

Nicht alle Angehörigen der drusischen Minderheit sind an ihrem Äußeren zu erkennen. Traditionell tragen viele drusische Männer lange weiße Hosen und schwarze Westen, oft kombiniert mit einer weißen Kopfbedeckung. Ältere Männer oder religiöse Führer tragen manchmal besondere Kopfbedeckungen wie Turbane.

Drusische Frauen sind oft mit langen weißen Kopftüchern aus Seide oder Baumwolle bekleidet, die Mandeel genannt werden und leicht durchsichtig sein können. Dazu tragen sie lange, schwarze oder dunkelblaue Hemden und Röcke, die den Körper bedecken. Die Kleidung kann je nach Region und religiöser Zugehörigkeit variieren.

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