Berlin. Teheran schaut nervös auf Trumps Amtszeit, auch mit Blick auf die eigenen Nuklearstätten. Im Land rumort es, aus verschiedenen Gründen.

Es ist eine Warnung an den neuen US-Präsidenten Donald Trump, auch wenn dieser gar nicht beim Namen genannt wird. „Seien Sie vorsichtig, machen Sie keine strategischen Fehler und Fehlkalkulationen“, drohte Hussein Salami, Oberbefehlshaber der mächtigen iranischen Revolutionsgarden. Der Iran sei militärisch auf dem neuesten Stand und bereit für „große und langwierige Schlachten gegen den Feind und seine Verbündeten in der Region“. Die Adressaten dieser scharfen Rhetorik sind die Erzgegner der Islamischen Republik: die Vereinigten Staaten und Israel

Die martialischen Töne gehen einher mit einer Reihe militärischer Übungen im ganzen Land. Beteiligt sind sowohl die Armee als auch die Revolutionsgarden, die Schutztruppe des Regimes. Die Manöver erstrecken sich auch auf Nuklearstätten wie die Urananreicherungsanlagen in Natans oder Fordo. Marine-Einheiten trainieren in der Straße von Hormus – jener Meerenge, durch die rund ein Drittel des weltweiten Ölhandels fließt. 

Das Ziel des bis Mitte März andauernden Einsatzes ist klar: Der Iran will angesichts der zweiten Amtszeit von US-Präsident Donald Trump Macht demonstrieren. Trump hatte 2018 das internationale Atomabkommen gekündigt und unter dem Schlachtruf des „maximalen Drucks“ harsche Sanktionen gegen das Mullah-Regime verhängt. 

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Irans Kampfkraft ist erheblich gesunken

Doch die militärischen Muskelspiele des Irans können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kampfkraft des Landes erheblich geschrumpft ist. Die Israelis haben es in ihrer Vergeltungsaktion im vergangenen Oktober geschafft, die besten Flugabwehrsysteme der Iraner – die russischen S-300 – auszuschalten. Darüber hinaus ist es ihnen gelungen, mehrere Raketenfabriken für längere Zeit außer Betrieb zu setzen. Hinzu kommt, dass das Arsenal von Verbündeten wie der Hisbollah im Libanon oder der Hamas im Gazastreifen fast vollständig pulverisiert wurde und der syrische Diktator Baschar al-Assad als unverzichtbarer Allianzpartner wegbrach. 

„Die Doktrin der Iraner greift nicht mehr: Zum einen ist die eigene Luftabwehr stark geschwächt. Zum anderen gelingt es dem Iran auch mit massiven Raketen- und Drohnenangriffen nicht, Israel ernsthaft außer Gefecht zu setzen. Und drittens steht das einst massive Raketenarsenal der Hisbollah nicht mehr als Abschreckung zur Verfügung“, sagte der Militärexperte Fabian Hinz vom Berliner Büro des International Institute for Strategic Studies (IISS) unserer Redaktion. „Die Frage stellt sich daher: Was hält Israel dann noch von weiteren Attacken auf den Iran ab? Das lässt den Iran äußerst verwundbar zurück.“ 

Irans Oberster Führer Ajatollah Chamenei trifft sich mit Anhängern der religiösen Gruppe Ahl al-Bait in Teheran
Der oberste politische und religiöse Führer Ali Chamenei ist bereits 85 Jahre alt. © action press | ZUMA Press Wire / Zuma Press

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat sein Land darauf eingeschworen, eine iranische Atombombe zu verhindern – koste es, was es wolle. Ein Angriff auf die Nuklearanlagen des Mullah-Regimes ist für ihn eine Option, zumal ihm Trump mit seiner dezidiert pro-israelischen Haltung keine Steine in den Weg legen dürfte. 

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Iran: Land ist nicht nur militärisch geschwächt

Doch der Iran ist nicht nur militärisch geschwächt. Das Land hat eine Vielzahl von Problemen, die das Regime einem Stresstest aussetzen könnten. So ist die Wirtschaft im Keller, nicht zuletzt wegen der internationalen Sanktionen. Die Inflationsrate liegt bei 30 Prozent. Immer wieder kommt es zu Stromausfällen. Der Iran hat es seit Jahren versäumt, in Kraftwerke und Elektrizitätsnetze zu investieren. In Teheran haben die Bewohner von Hochhäusern Angst, in den Aufzügen stecken zu bleiben. Energieknappheit entsteht durch Missmanagement, obwohl der Iran über die weltweit zweitgrößten Gas- und die drittgrößten Ölreserven verfügt. 

Die Engpässe vergrößern die Unzufriedenheit in der Bevölkerung und bieten Stoff für Unruhen. So kam es 2019 nach einem plötzlichen Anstieg der staatlich subventionierten Benzinpreise zu tödlichen Protesten in mehreren Städten. Seit dem Tod der iranischen Kurdin Mahsa Amini im September 2022 wächst der Widerstand gegen den Islam als politische Ideologie des Landes

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Experten über Iran: „Unruhen in Bevölkerung sind keine strategische Gefahr“

Experten glauben allerdings nicht, dass diese Proteste gefährlich für die Machthaber in Teheran sind. „Für eine Revolution braucht es zwei Dinge: ein schwaches Regime, das Fehler macht, und eine organisierte Opposition mit einer Führungsperson und einer Vision, die sich umsetzen lässt“, sagte Hans-Jakob Schindler, Senior Director bei der Berliner Denkfabrik Counter Extremism Project, unserer Redaktion. „Da Letzteres der gegenwärtigen Opposition fehlt, sind Unruhen der Bevölkerung keine strategische Gefahr für das Regime.“ Die politische Führung werde alles für den „Erhalt des Systems“ tun.  

Eine weitere Gefahr für die Islamische Republik ist das Risiko von Anschlägen. Mit am gefährlichsten sind die Attacken der Terrorgruppe „Islamischer Staat – Provinz Khorasan“ (ISPK), einem afghanischen Ableger des IS. In der südöstlichen Provinz Sistan-Belutschistan, die als Armenhaus des Landes gilt, wütet die sunnitische Rebellengruppe Dschaisch al-Adl. „Die Iraner ernten nun die ‚Früchte‘ des westlichen Rückzugs aus Afghanistan und Westafrika“, betont der Extremismusforscher Schindler.   

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Iran: Machtkampf steht bevor – religiöser Führer soll krank sein

Nicht zuletzt steht dem Iran ein Machtkampf über die Staatsspitze bevor. Der oberste politische und religiöser Führer Ali Chamenei ist 85 Jahre alt und soll an Diabetes leiden. Die Wahl erfolgt durch den Expertenrat, in dem 88 Geistliche sitzen. Doch anders als in der Vergangenheit kommt es das nächste Mal weniger auf die Präferenzen der religiösen Schulen an. Viel wichtiger ist, wen die einflussreichen Revolutionsgarden befürworten, die weite Teile der Wirtschaft kontrollieren. „Eine Option ist auch, dass der Iran langsam in eine Art Militärdiktatur abgleitet“, unterstreicht Schindler. Die Mullahs wären dann nur noch eine „religiöse Verbrämung des Systems“. 

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Die Frage, die westliche Sicherheitskreise vor allem beschäftigt: Wird der Iran angesichts der zunehmenden Bedrohungen sein Heil in der Atombombe suchen? Bislang handelte der oberste Führer Chamenei nach dem Motto: „Wir entwickeln die Infrastruktur, die wir für den Bau der Atombombe brauchen, ohne die Bombe selber zu bauen.“ Derartige strategische Richtungsentscheidungen seien jedoch immer auch „Ergebnisse verdeckter bürokratischer Schlachten“, unterstreicht der Iranexperte Hinz. 

Das Land besitzt vermutlich mehr als 100 Kilogramm Uran, das zu 60 Prozent angereichert ist. Der Schritt zu den kernwaffenfähigen 90 Prozent wäre laut US-Außenminister Antony Blinken rein technisch in „ein bis zwei Wochen“ möglich. Das würde zumindest für einen Atomtest reichen, der eine große politische und psychologische Wirkung hätte. Die Herstellung eines nuklearen Sprengkopfs würde allerdings noch Monate oder wenige Jahre dauern. Es wäre ein extrem riskantes Unterfangen. Nach Einschätzung von Hinz haben die USA und Israel ein sehr gutes Aufklärungsbild über die Lage im Land. „Wollte der Iran tatsächlich eine Atombombe bauen, wäre die Gefahr einer massiven Attacke auf sein Nuklearprogramm sehr hoch.“