Tokio. Ins Weltall gelangen bisher nur wenige. Doch in Japan entsteht ein Aufzug, der die Raumfahrt schnell und erschwinglich machen soll.

Man kennt solche Szenen aus Romanen, Filmen oder Videospielen: Jemand tritt in einen Aufzug, die Türen schließen, der Aufzug beschleunigt. Und erst wenn er im Weltraum angekommen ist, öffnen die Türen, der Passagier steigt aus. Wie selbstverständlich wird zwischen Planeten gependelt.

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So ein Weltraumlift gehört zu den großen Träumen der Science-Fiction. Dass ein entsprechendes Konstrukt – zumindest in der Theorie – auch im echten Leben möglich wäre, haben Wissenschaftler schon in den 1960er-Jahren postuliert. Dazu bräuchte man einen Anker auf der Erde, ein Gegengewicht im All und ein Zugsystem, an dem entlanggefahren werden kann. Und seit einem guten Jahrzehnt gibt es nicht mehr nur visionäre Forschende, die von einem Weltraumfahrstuhl träumen, sondern auch Unternehmen, die das Ganze in die Tat umsetzen wollen.

Weltall: Bis 2050 soll der Lift zu den Sternen stehen

Bis 2050 will der japanische Baukonzern Obayashi Welt und All durch einen Fahrstuhl verbinden. Für die Raumfahrt wäre es eine Revolution, mit der jede Reise in den Weltraum deutlich günstiger würde als bisher. Keine teuren Raketen wären mehr notwendig, die Unmengen an Benzin schlucken. Stattdessen, so die Vorstellung bisher, könnte eine Gondel über Solarpanels mit Sonnenenergie betrieben werden.

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Das federführende Unternehmen ist in Japan ein prominenter Name. Obayashi hat unter anderem den Tokyo Skytree gebaut – mit 634 Metern der höchste frei stehende Fernsehturm der Welt. Für den Lift ins All hat es sich in der Japanischen Weltraumliftgesellschaft organisiert, der schon rund 130 Institutionen angehören, darunter Behörden, Forschungsinstitute und anderen Unternehmen.

Auch der Tokyo Skytree (mittig) wurde schon vor durch Obayashi errichtet. (Archivfoto)
Auch der Tokyo Skytree (mittig) wurde schon vor durch Obayashi errichtet. (Archivfoto) © picture alliance / Kyodo | picture alliance / Kyodo

Auch wenn der Weltraumaufzug nach Größenwahn klingen mag, ist eines sicher: Wenn so ein Projekt irgendwo gelingen kann, dann wohl in Japan. Nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg schrieben die siegreichen USA dem Land eine Verfassung, die die Kriegsführung und ein Militär formal verbietet. Seither zählt es zu einer Art kompensiertem Nationalstolz, in die Raumfahrt zu investieren. Neben den USA, der EU, China und Russland zählt der ostasiatische Industriestaat zu den wichtigsten Raumfahrtnationen – und hat es Anfang dieses Jahres als fünfte Nation der Welt geschafft, ein Raumschiff auf dem Mond zu landen.

Ganz Japan fiebert dem Weltraumaufzug entgegen

Die japanische Weltraumbehörde JAXA fördert die Beteiligung von Betrieben aus allen möglichen Sektoren. So hat etwa ein Spielzeughersteller einen besonders widerstandsfähigen Lander entwickelt. Mehr als 1000 Betriebe haben sich um Förderungen beworben. Das Interesse am Weltall ist also groß in Japan. Und die Möglichkeiten, die sich durch einen Weltraumlift ergäben, wären enorm. Durch die großen Kosteneinsparungen würde Weltraumtourismus erschwinglich. Außerdem gehen Experten davon aus, dass viele Asteroiden über wertvolle Rohstoffe verfügen. Auch mit der Idee vom Bergbau im All wird schon geliebäugelt.

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Allerdings scheint sich das Vorhaben mit der Gondel zu verzögern. Als Obayashi im Jahr 2012 sein Projekt ankündigte, war vom Baubeginn im Jahr 2025 die Rede. Vor kurzem fragte das Wirtschaftsportal „Business Insider“ beim Unternehmen nach, ob es bei diesem Zeitplan bleibe. Yoji Ishikawa, der das Projekt verantwortet, bemerkte demnach, dass die Bauarbeiten im kommenden Jahr noch nicht starten werden. Man sei mit „Forschung und Entwicklung, grobem Design, der Erstellung von Partnerschaften und Bewerbung des Vorhabens“ beschäftigt.

Welche Schwierigkeiten gibt es beim Weltraumlift?

Die größte Herausforderung ist nicht nur das nötige Geld – schätzungsweise 100 Milliarden US-Dollar. Unklar sind vor allem die für den Seilzug zu verwenden Materialien. Für die Installation eines Lifts wird ein insgesamt rund 100.000 Kilometer langes Kabel nötig sein, das leicht und gleichzeitig elastisch genug ist, um bei den auftretenden Zugkräften durch all die atmosphärischen Schwankungen hindurch schwere Lasten zu tragen.

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Große Hoffnungen ruhen seit einigen Jahren auf Graphen, einem in wabenförmigen Mustern angeordneten Kohlenstoff. Aufgerollt entstehen aus Graphen Nanoröhren, die als besonders stabil gelten. Ob der Stoff aber stabil genug ist, wird unter Wissenschaftlern noch diskutiert. Und selbst wenn er es wäre: Bisher konnten im Labor nur Kohlenstoffnanoröhren von einigen Zentimetern Länge hergestellt werden. Ins All ist es also noch ein weiter Weg – weiter, als man vor einem guten Jahrzehnt dachte.

Wer tüftelt noch am Weltraumlift?

Dabei gibt es eine Aussicht, die den Traum vom Fahrstuhl in den Weltraum ein Stück realistischer machen könnte. Nicht zuletzt wegen der Möglichkeit des Rohstoffabbaus im All haben sich auch schon einige andere Staaten dafür interessiert. So kündigte China vor einigen Jahren an, fünf Jahre früher als Japan einen eigenen Lift fertigstellen zu wollen. Auch Kanada hat ein eigenes Projekt begonnen und die USA haben Forschungen zur Umsetzung angestoßen. Das Ganze könnte irgendwann Fahrt aufnehmen.

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Forschungspapiere zum Thema werden ohnehin immer wieder veröffentlicht. Eines davon, erschienen 2021 im akademischen Journal „Acta Astronautica“, hat eine besonders interessante Schätzung vorgelegt. Matthew Peet, Professor für Raumfahrttechnik an der US-amerikanischen Arizona State University, hat darin errechnet, dass bestimmte Liftsysteme eine Reise zum Mars binnen 40 Tagen ermöglichen könnten. Machen wir also bald Urlaub auf dem Mars? Bis es so weit ist, wird wohl noch mehr als ein Vierteljahrhundert vergehen. Bis zum Mars aller Voraussicht nach sogar deutlich mehr.