Berlin. Mit Videospielen wollen Rechtsextreme neue Zielgruppen erreichen. Experten erklären, wie sie von „Steam“ und Co. profitieren.

Videospiele bieten ihren Konsumenten die Möglichkeit, in die unterschiedlichsten Welten einzutauchen und die verschiedensten Abenteuer zu erleben. Kein Wunder also, dass sich das Medium wachsender Beliebtheit erfreut. Doch auch immer mehr Rechtsextreme versuchen, in diesen Markt vorzudringen und ihre Ideologie dort zu verbreiten.

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Maik Fielitz ist Bereichsleiter für Demokratie-, Digital- und Rechtsextremismusforschung am Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena. Laut ihm geht es der Neuen Rechten zum einen darum, sich als „junge Bewegung zu präsentieren, die internetaffin ist und mit den Mitteln digitaler Technologien umgehen kann“. Zum anderen wolle man aber auch neue Menschen für die eigene Ideologie gewinnen: „Sie hat Gamer als eine Zielgruppe identifiziert, in der sie ihre Themen relativ einfach anschlussfähig machen kann.“

Neues Videospiel aus den Reihen der Identitären Bewgung

Um diese Zielgruppe zu erreichen, werden inzwischen auch eigene Spiele entwickelt, wie ein Anfang Februar erschienenes Werk zeigt. In diesem schießt sich der Protagonist, unterstützt von Figuren wie Jeanne d‘Arc oder dem Roten Baron, durch eine neonbunte 2D-Welt. Auf den ersten Blick wirkt das alles wie ein ganz normales Videospiel, auffällig werden vor allem die Bossgegner. Da sind eine Parodie auf die afroamerikanische Rapperin Lizzo, der „Diversitor“, der mit Adamsapfel und Brüsten auf trans Personen anspielt, und der „Fact Checker“, der bei der falschen Meinung losballert. Alles Anspielungen auf Dinge, die Rechtsextremen ein Dorn im Auge sind.

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Die virtuellen Feindbilder von sind keine Überraschung, schließlich ist es nicht das erste Spiel des Entwicklerstudios, das eng mit der rechtsextremen sogenannten Identitären Bewegung verknüpft ist. Schon 2020 erschien in Zusammenarbeit mit dem Verein „Ein Prozent“, den der Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch und verfassungsfeindlich eingestuft, ein anderes Videospiel.

Rechtsextremes Game wegen Demokratiefeindlichkeit indiziert

Die Helden dieses Spiels sind Akteure der rechtsextremen Szene, unter anderem der Identitäre Martin Sellner, jüngst durch seine Beteiligung am Treffen in Potsdam aufgefallen. Lange war das kostenlos herunterladbare Spiel nicht verfügbar, knapp drei Monate nach Veröffentlichung hat es die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert, somit darf es nicht mehr verbreitet oder beworben werden.

Martin Sellner
Der rechtsextreme Martin Sellner war einer der spielbaren Charaktere in dem inzwischen indizierten Videospiel. (Archivfoto) © DPA Images | Georg Hochmuth

Im Prüfbericht ist von einem „demokratiefeindlichen Setting“ und dem Herabwürdigen von Mitgliedern der LGBTQ-Community zu lesen. Das Spiel verweise zudem auf rechtsextreme Internetseiten und Bücher. Für Minderjährige, die queeren Personen bereits feindlich gegenüberstehen, sieht die Prüfstelle „die Gefahr der Radikalisierung“. Auch Fremdenfeindlichkeit finde sich im Spiel wieder.

Erstaunlich schnell kann man aus dem Shop der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative zu den rechtsextremen Entwicklern kommen. Dort wird Merchandise einer Memeseite vertrieben. Diese wiederum bewirbt in einem Post das neue Werk des rechtsextremen Entwicklerstudios und verlinkt auch dorthin. Von der AfD-Jugend zum neuen Videospiel braucht es nur vier Mausklicks.

Einschätzung von Experten über die Gefahr rechtsextremer Spiele

Das Entwicklerstudio sei ein Projekt der Identitären Bewegung, erklärt Fielitz. „Gaming und Aktivismus sollen hier Hand in Hand gehen.“ Der Erfolg des Projekts bleibe aber aus. Es sei zwar der Versuch der Neuen Rechten, in der Gamingkultur sichtbar zu werden, bisher habe man es aber nicht geschafft, sich dort massentauglich aufzustellen.

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Ähnlich sieht das Mick Prinz, Leiter des Projekts Good Gaming der Amadeu Antonio Stiftung. Primär seien solche Spiele „von Neonazis für Neonazis“ entwickelt worden. Versuche, damit auch Außenstehende von der eigenen Ideologie zu überzeugen, würden scheitern. Gleiches gilt für Modifikationen, also Veränderungen bestehender Spiele, bei denen beispielsweise die Wehrmacht zu einer spielbaren Fraktion wird.

Gaming & Gefahren: Nicht die Spiele selbst bieten die größte Radikalisierungsgefahr

Eine rechtsextreme Gefahr im Gamingbereich sieht Prinz allerdings an anderer Stelle: Rechtsextreme würden Gamingplattformen eher nutzen, um sich zu vernetzen und andere Menschen einzuschüchtern. So wird etwa die Plattform „Steam“, die täglich Millionen Menschen auf der ganzen Welt nutzen, laut Prinz deutlich zu wenig moderiert. Er beschreibt Gruppen, in denen sich Spieler tummeln, die ihre Profile nach SS-Offizieren benennen und in denen sich Akteure der rechtsextremen Szene bewegen. Eine Radikalisierung fände nicht durch die Videospiele statt, „sondern durch die wenig moderierten Infrastrukturen“.

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Ein prominentes Beispiel dafür, wie diese Radikalisierung auch in reale Gewalt umschlagen kann, ist der Anschlag auf das Münchner Olympia-Einkaufszentrum 2016, bei dem David S. neun Menschen tötete. Später stellte sich heraus, dass ein rechtsradikales Motiv hinter der Tat stand. Der Anschlag wurde danach auf „Steam“ gefeiert, in Gruppen, in denen auch David S. aktiv war. Die „Süddeutsche Zeitung“ fand heraus, dass in diesen Gruppen rechtsextreme Inhalte und Symbole verbreitet wurden.

Prinz appelliert daher für eine stärkere und proaktive Moderation seitens der Gamingplattformen. Auch auf der Livestreamingseite „Twitch“ beobachtet er, dass rechte Akteure immer öfter eine Plattform bekommen. Vor einigen Jahren sei dies noch nicht der Fall gewesen.