Berlin. Die Hollywood-Schauspielerin Natalie Portman über ihre erste Serie, Frauenbilder – und was sich immer noch dringend ändern muss.
Natalie Portman war gerade mal 12, als sie in Luc Bessons „Léon – Der Profi“ ihr Leinwanddebüt gab. Ein Film über die Beziehung einer 12-Jährigen und einem Auftragskiller, der damals gefeiert wurde, aber in der Sexualisierung Minderjähriger so schlecht gealtert ist, dass die Schauspielerin ihn selbst unangenehm findet. Er war jedoch das Sprungbrett für ihre Karriere. Dreimal war die 43-Jährige für einen Oscar nominiert, für „Black Swan“ hat sie ihn 2011 bekommen.
In der Apple TV-Serie „Lady in the Lake“ ist sie jetzt das erste Mal in einer Serie zu sehen. In der Romanadaption spielt sie eine jüdische Hausfrau in Baltimore 1966, die zur Investigativ-Journalistin wird. Die Serie ist ein Sittenbild dieser Zeit und erzählt die Geschichte zweier völlig unterschiedlicher Frauen, deren Leben miteinander verwoben scheint.
Warum hat es so lange gedauert, bis Sie Ihr Seriendebüt gegeben haben?
Natalie Portman: Wenn wir ehrlich sind, kamen schon in den letzten 20 Jahren die besten Rollen immer vom Fernsehen bzw. von Serien. Aber eine Serie hat oft einen ganz anderen Ansatz. Man muss viel mehr Zeit investieren. Ein Filmdreh dauert ein paar Wochen, maximal ein oder zwei Monate. Hier waren wir über sieben Monate beschäftigt. Das ist eine ganz andere Verpflichtung.
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Was hat Sie dann doch überzeugt?
Portman: Ich habe einfach auf die richtigen Leute gewartet, das richtige Angebot. Als die Produzenten der Serie auf mich zukamen und mich mit der Regisseurin Alma Har’el bekannt machten, konnte ich einfach nicht Nein sagen. Es klingt überheblich, aber ich meine es genauso. Ich empfinde die Serie als großes Geschenk.
Was genau sehen Sie als Geschenk?
Portman: Allein meine Figur. Eine Frau spielen zu dürfen, die eine Entscheidung trifft für sich selbst und nicht für ihr Umfeld. Die für sich und ihre Bedürfnisse einsteht und damit erstmal baden geht, weil sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist und kein Auge mehr dafür hat, was um sie herum passiert, ist selten. Beide Frauen in der Serie versuchen, sich von den damals gängigen Konventionen zu befreien.
Die Serie erzählt gleich zwei Emanzipationsgeschichten.
Portman: Ja, aber die Frauen sind mehrdimensional, haben nicht nur eine Charaktereigenschaft. Wie das sonst üblich ist, gerade im Kino. Sie sind in erster Linie Frauen. In unterschiedlichen Rollen. Sie sind eben auch Mütter, Ehefrauen, Liebhaberinnen, Freundinnen, Töchter, Arbeiterinnen. Alles zusammen. Wir nehmen uns über sieben Stunden Zeit, um komplexe Figuren zu erschaffen und in deren Leben einzutauchen. Wann hat man das schon mal!
Sie spielen ihre Figur sehr uneitel.
Portman: Für mich ist das eine absolute Notwendigkeit. Wenn ich mein eigenes Ego und mein eigenes Aussehen vor das meiner Rolle stellen würde, würde ich die Figur überhaupt nicht greifen können. Natürlich ist das schwer, denn bevor ich überhaupt vor die Kamera trete, sitze ich ja erst mal zwei Stunden in der Maske vor einem Spiegel und starre mir selbst ins Gesicht. Ich muss mir schon da immer wieder sagen, dass es nicht um mich gehen wird, sondern um meine Rolle. Das ist ein Verwandlungsprozess, jeden Morgen aufs Neue. Aber darum geht es mir: meine Rolle vor meine eigene Eitelkeit zu stellen, vor mein eigenes Ego.
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Was müssen Figuren haben, um Ihr Interesse zu wecken?
Portman: Mittlerweile müssen sie möglichst weit weg von meinem eigenen Leben sein. Darin liegt doch der Reiz der Schauspielerei. Dass ich mich mit etwas beschäftige, was ich nicht schon jeden Tag zu Hause habe. Ich liebe es, in andere, fremde Leben einzutauchen. Wenn mir das gelingt, bin ich glücklich.
Die Serie spielt in den 1960ern. Hat sich für Frauen seitdem viel verändert?
Portman: Ich würde nicht sagen viel, aber zum Glück doch einiges. Wir sind aber immer noch am Anfang. Allein die Tatsache, dass Frauen noch immer Probleme haben, Kinder und Karriere unter einen Hut zu bekommen, spricht doch für sich. Die Probleme haben sich etwas verschoben, aber im Kern sind sie noch immer die gleichen.
Zeitgeschichte wird oft über Männer erzählt. Sie tauchen mit Ihrer Figur als Journalistin in die von Männern dominierte Welt des Zeitungmachens ein. Wie hat sich das für Sie angefühlt?
Portman: Ich hatte das große Glück, mit einigen Kollegen sprechen zu können, die damals in Baltimore gearbeitet haben. Sie haben mir bestätigt, wie selten Frauen im Newsroom waren, wie unfair sie behandelt wurden, mit welchen Vorurteilen ihnen begegnet wurde. Wie all das ihre ganz normale Arbeit erschwert hat. Dabei liegt das ja noch gar nicht so lange zurück. Wie schön aber, dass es eine Veränderung gibt, dass wir endlich damit anfangen, Zeitgeschichte auch mit einem weiblichen Blick erzählen zu können. Eine Perspektive, die viel zu lange und viel zu oft unter den Tisch gefallen ist.
Wie wichtig ist Ihnen, neben der Schauspielerei, das Produzieren von Filmstoffen?
Portman: Ohne könnte ich nicht mehr. Ich habe oft das Gefühl, dass ich durch meine Rolle als Produzentin überhaupt erst erwachsen geworden bin. Als Schauspielerin wird man ständig und überall bevormundet, wie ein Kind behandelt. Es werden ständig Wünsche erfüllt, die man so vielleicht gar nicht hatte, alle Probleme lösen sich oft wie von Geisterhand in Luft auf. Als Produzentin bin ich diejenige, die sich um die Probleme kümmert. Das finde ich bestärkend. Ich bin alt genug, ich kann mich um meine eigenen Probleme kümmern. Ich brauche niemanden, der mich bemuttert und umsorgt.
„Lady in the Lake“: 7 Folgen, auf Apple TV+.
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