Berlin. Nach „Verbotene Liebe“ war Valerie Niehaus in etlichen Produktionen zu sehen. Auf ihre neueste Rolle bereitet sie sich besonders vor.
Valerie Niehaus‘ Weg ins Showgeschäft begann mit der Seifenoper „Verbotene Liebe“. Heute kann die 49-jährige Schauspielerin auf eine Vielzahl von Rollen zurückblicken, wie zuletzt das Format „Letzte Ausfahrt Glück“. Mit der „heute-show HISTORY“ (am 12. Juli um 22.30 Uhr im ZDF) zeigt sie, dass sie auch historische Themen auf humorvolle Art aufbereiten kann. Niehaus ist eine Frau mit großem Interesse an Politik und Geschichte, vor allem auch für die der ehemaligen DDR.
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Würde es Sie eigentlich reizen, in der Vergangenheit zu leben?
Valerie Niehaus: Nicht so sehr. Ich bin nun mal jetzt hier, und da bin ich gerne. Ich bin in der Barockstadt Fulda aufgewachsen, und als Kind habe ich mir oft vorgestellt, wer in diesen Häusern gewohnt hat. Was haben die Leute gemacht? Jetzt weiß ich: Die Reichen haben den ganzen Tag Tee getrunken und Karten gespielt, und die anderen haben im Dreck gewühlt und sind hoffentlich bald gestorben, da kann ich doch nicht ernsthaft hinwollen.
Mich interessieren die Verbindungen zur Gegenwart, wie wir sie auch in unserem Magazin aufzeigen. Gerade war ich in London, wo ich den Nachbau von Shakespeares Globe besichtigt haben. Der Guide hat mir erzählt, was es bedeutete, damals ins Theater zu gehen. Das fasziniert mich, aber ich sehe das eben aus dem Blickwinkel der Gegenwart.
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Valerie Niehaus verrät: Diesen historischen Persönlichkeiten wäre sie gerne begegnet
Wären Sie nicht gerne Augenzeugin von bestimmten historischen Ereignissen gewesen?
Niehaus: Ich wäre gerne zwei, drei Jahre älter gewesen, um die Wiedervereinigung bewusster mitzuerleben. Ich war damals 15, und meine Wahrnehmung bewegte sich eher zwischen Tennisplatz und Klavierunterricht.
Wie schaffen Sie selbst es, etwas zum Thema Geschichte zu wissen?
Niehaus: Es gibt eine ganze Menge von Büchern, die mir die Welt erklären. Von „Politikwissenschaft für Dummies“ bis zu Michael J. Sandels „Das Unbehagen in der Demokratie“. „The Timetables of History“ ist ein tolles Buch, das ich schon seit dem Studium habe. Es zeigt, welche Entwicklungen in verschiedenen Bereichen, von Kunst bis Technik, parallel in bestimmten Jahren stattgefunden haben. Das muss man wissen, wenn man sich die Frage stellt, warum sich die Menschen so oder so verhalten haben. Diese Frage muss ich ja auch beantworten, wenn ich eine Filmfigur spiele. Solche Bücher helfen mir dabei, selbst wenn sie nicht leicht zu lesen sind. Dafür muss ich Raum und Zeit haben. Und mein Kopf und Herz sind leider nicht immer frei dafür.
Inzwischen liegt der Fokus auch auf bedeutenden Frauen in der Geschichte. Welchen wären Sie gerne begegnet?
Niehaus: Allen. Von Katharina der Großen bis zu Mata Hari. Und eben auch vielen namenlosen Frauen, denen wir in dieser Show eine Stimme geben. Mich würde zum Beispiel interessieren, wie die Suffragetten ihre politischen Ziele durchgesetzt haben. Das betrifft auch grausame Personen, die ich fragen würde: Wie kannst du all das mit deiner Ethik vereinbaren?
Haben Sie Leitbilder in der Geschichte?
Niehaus: Da fallen mir vor allen Dingen Menschen ein, die sich gegen die Brutalität anderer aufgelehnt haben – von Gandhi bis Mandela. Die hinnahmen, wegen ihrer politischen Überzeugungen Gewalt zu erleben. Aber das müssen auch gar keine herausragenden Persönlichkeiten sein. Man nehme nur die Leute, die 1989 in der DDR auf die Straße gegangen sind. Das waren ganz normale Menschen.
Valerie Niehaus: „Ich nehme mich da als eingeschüchtert wahr“
Wie mutig wären Sie?
Niehaus: Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall hätte ich erst mal wahnsinnige Angst, und ich glaube, dass diese Menschen sich auch so gefühlt haben. Aber sie haben trotzdem gegen eine Unrechtsituation protestiert. Das bewundere ich total.
Ihr Mut erklärt sich vielleicht aus der Energie, die man in so einer großen Menge spürt. So etwas erlebt man auf Demos. Ich kenne das auch von Konzerten. Wenn 60.000 Leute etwas gemeinsam hören, entsteht eine unglaubliche Kraft, die zum Guten und zum Schlechten führen kann. Letztes Jahr war ich bei Depeche Mode im Berliner Olympiastadion, und wenn alle Leute diese Musik leben, lieben und mitsingen, dann ist das richtig bewegend. Ich war ziemlich geflasht.
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Auf welchen politischen Demonstrationen waren Sie?
Niehaus: 2015, als Pegida aufkam, war ich regelmäßig unterwegs und habe die Aktion „Auf ein Wort“ mitgestartet, wo ich mich mit einem Wort fotografieren ließ, das für einen Wert stand – in meinem Fall „Empathie“. Ich habe auch an vielen anderen Demonstrationen gegen rechts teilgenommen und auch zu Beginn des Ukrainekriegs. Aber es gibt dazu einen sehr passenden Song von Kraftclub: „Wittenberg ist nicht Paris“. Da geht es darum, dass es sehr leicht ist, Nazis an den Orten zu bekämpfen, wo es keine gibt.
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Und Sie tun das auch an anderen Orten?
Niehaus: Eben nicht. Wenn ich im Urlaub spazieren gehe, und mir kommt einer im Thor-Steinar-Shirt entgegen, hätte ich da den Mut, zu sagen: „Wollen wir uns mal kurz über dein T-Shirt unterhalten?“ Ich nehme mich da als eingeschüchtert wahr. Das geht vielleicht vielen so. Und das ist Mist, denn eigentlich sollten wir aufeinander zugehen und genau solche Fragen stellen. Vielleicht könnten wir Schlimmstes abwenden, wenn wir dem anderen sagen: „Kannst du mir deine Position erklären.“ Ich fände es toll, wenn ich das hinkriegen würde. Nur das ist eben eine größere Herausforderung, als im Schutz einer Demonstration aufzutreten.