Berlin. Schauspieler Ulrich Noethen verrät, wie er sich im Urlaub aus einer gefährlichen Lage rettete und in welchen Momenten er nervös wird.
Von „Comedian Harmonists“ über „Das Sams“ bis „Neben der Spur“ – Ulrich Noethen ist eine feste Größe der deutschen Film- und Fernsehlandschaft. Am 18. Mai kehrt der 64-Jährige mit der dritten Folge seiner aktuellen Reihe, „Wendland – Stiller und der rote Faden“ (um 20.15 Uhr im ZDF), zurück. Doch sein Erfahrungshorizont reicht weit über die deutsche Krimiszene hinaus – ob der Schauspieler als heldenhafter Kapitän den Wellen trotzte, seinem Vater mit Witz und Ironie beikam oder zu Hause feste Essenszeiten durchzusetzen sucht.
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In der neuen Folge beschäftigt sich Stiller mit den „Mysterien der Jagd und des Waldes“, wie es im Drehbuch heißt. Interessieren die Sie auch?
Ulrich Noethen: Sehr sogar. Im Wald lebt die Seele auf. Ich gucke mir gerne alle Arten von Pilzen und Pflanzen an und versuche unbekannte Arten zu bestimmen. Wald ist für mich durch und durch positiv besetzt, wenn man mal absieht von den meist menschengemachten Problemen, die er hat.
Aber der Wald kann wie die ganze Natur auch gefährlich sein.
Noethen: Den Wald selbst habe ich nie als bedrohlich erlebt. Aber ich hatte einmal eine gefährliche Situation im Urlaub auf Griechenland. Wir haben ein kleines Motorboot gemietet, das man auch ohne Führerschein fahren durfte, und uns auch innerhalb der Grenzen bewegt, die man uns vorgegeben hatte. Aber auf einmal kam sehr starker Wind auf, und in dieser kleinen Nussschale haben alle Angst bekommen. Ich stand am Steuer und habe das Boot gegen Wind und überkommende Wellen in den Hafen gesteuert.
Noethen: Dieser Trick hilft dem Schauspieler, Ruhe zu bewahren
Ulrich Noethen, der heldenhafte Kapitän...
Noethen: Total heldenhaft! Und Lesen hilft! Als Jugendlicher habe ich mit Begeisterung die Meeresabenteuer von Horatio Hornblower gelesen, und mir sind Sätze eingefallen wie: „Das Schiff knüppelte hart am Wind durch die raue See“ und „Die Wellen mussten ausgeritten werden.“ Tja, und genau so habe ich es gemacht.
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Wie schafft man es, in schwierigen Situationen Ruhe zu bewahren?
Noethen: Wenn es eine Situation ist, die man so noch nie gehabt hat, versucht man, sich vergleichbare Erfahrungen ins Gedächtnis zu rufen: Wie habe ich es da gemacht? Aber ich kenne mich auch, dass ich in manchen Situationen aufgeregt und nervös bin.
Was zum Beispiel macht Sie nervös?
Noethen: Öffentliche Auftritte. Wenn ich etwas Persönliches sagen oder auf einem Podium eine Meinung von mir kundtun soll, dann möchte ich oft mehr, als mein Hirn gerade kann, und die Aufregung schiebt sich vor eine gewisse geistige Klarheit. Das mag ich nicht.
Ulrich Noethen: „Früher habe ich mich in jeden Wirrwarr hineingestürzt“
Stiller sucht im Schreiben Struktur und Halt. Sie auch?
Noethen: Ich gebe mir Strukturen. Gerade drehe ich in Krakau. Zwei Stunden, bevor ich abgeholt werde, stehe ich auf und vollziehe meine Morgenrituale. Diese Ordnung brauche ich, um gut in den Tag zu starten. Das ist in vielen Bereichen so. Wenn man als junger Mensch relativ unordentlich war, lernt man es im Laufe des Lebens zu schätzen, wenn die Dinge an ihrem Ort sind, auch wenn man die Unordnung, die sich immer wieder einstellt, ständig sisyphoshaft beseitigen muss.
Wie kommen Sie mit dem Chaos zurecht, das sich bei Dreharbeiten einstellen kann?
Noethen: Es gibt ja auch ein herzerfrischendes, kreatives Chaos. Früher habe ich mich gerne in jeden Wirrwarr mit hineingestürzt. Aber im Lauf der Zeit habe ich gelernt, dass für bestimmte Situationen bestimmte Menschen zuständig sind und dass es wahrscheinlich besser ist, sich im Moment ruhig in die Ecke zu setzen, bis das geklärt ist. Stichworte: Aufgabenverteilung und Kompetenz.
Nur wenn meine Expertise wirklich gefragt ist, etwas zur Lösung beizutragen, tue ich das gerne. Bei chaotischen Situationen muss man einfach lernen, durchzuatmen. Denn auch das geht vorüber. Deshalb muss man nicht allzu viel Angst davor haben. So gehe ich mit dem eigenen Unsinn und Unvermögen genauso entspannt um wie mit dem anderer Leute.
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Stiller schreibt, dass der Mensch nach Ordnung strebt und deshalb sein Glück findet, wenn er die Dinge reguliert...
Noethen: Wenn ich mich recht erinnere, dann sollte der Satz eine Kritik an der überbordenden Regulierungswut zum Ausdruck bringen. Ich fürchte, ich habe ihn mit all seinen Implikationen bis heute nicht richtig verstanden. Ich sage den Autoren immer: Stiller ist Polizist und kein Philosoph. Lasst ihn aus seinem Leben erzählen, konkret, sodass man in der kleinen Skizze vielleicht einen Widerschein der größeren Erzählung finden kann.
Schauspieler Noethen: So testete er seine Grenzen aus
Wie stehen Sie zu Regulierungen allgemein? Sie wuchsen ja in einer Pastorenfamilie auf, in der es vermutlich relativ streng zuging.
Noethen: Ich würde nicht behaupten, dass es in Pastorenfamilien grundsätzlich streng zugeht. Und ich würde lieber sagen: Regeln. Ich weiß Regeln zu schätzen, aber sie können einem auch wahnsinnig auf die Nerven gehen. Ich war das jüngste von fünf Kindern und hatte eine gewisse Narrenfreiheit. Natürlich hatte ich schnell verstanden, dass mein Vater beanspruchte, der Chef zu sein.
Aber während meine Geschwister mehr oder weniger den direkten Konflikt mit ihm gesucht haben, habe ich versucht, diese Auseinandersetzungen eher subversiv zu führen, und habe meine Grenzen mit Witz, Satire, Ironie ausgetestet. Wobei mein Vater, der inzwischen erfahrener war, es mir auch leichter gemacht hat als meinen Geschwistern.
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Sie sind selbst Familienvater. Setzen Sie hier auf feste Regeln?
Noethen: Meine Erwartungshaltung gegenüber Regeln, die zu befolgen wären, hat sich stark abgeschwächt. Viele von den Regeln, die man geliebt oder von denen man überzeugt war, sind Relikte aus anderen Zeiten und Umständen. Bei näherem Besehen entpuppen sie sich oft als überholt und mindestens fragwürdig. Auch wenn sie vielleicht einmal ihre Berechtigung hatten – sie passen einfach nicht mehr. Ich bemühe mich um eine gewisse Elastizität: Was ist adäquat und was ist idiotisch?
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Welche Regel etwa ist adäquat?
Noethen: In unserem Haushalt studieren verschiedene junge Menschen, die kommen und gehen nach ihrem eigenen Rhythmus. Aber das gemeinschaftliche Essen halte ich für eine Familie für wesentlich. Ich bin kein großer Freund des unverbindlichen Zusammenwohnens, wie in manchen WGs. Also, das versuche ich hinzukriegen – die Mahlzeiten „im Kreise der Familie“.