Berlin. Olympiasiegerin Heike Drechsler spielt sich derzeit in der Soap „Rote Rosen“ selbst. Hier spricht sie über ihre eigene Vergangenheit.

  • Heike Drechsler taucht in einem Gastauftritt in „Rote Rosen“ auf
  • Die heute 59-Jährige spricht im Interview über das Älterwerden
  • „Dankbar, dass Gesamtdeutschland einen Weg fand“

Heike Drechsler, eine der erfolgreichsten Leichtathletinnen aller Zeiten, wechselt ins Showbusiness. Zumindest vorübergehend. In drei Folgen von „Rote Rosen“ (am 7.,8. und 10. Mai jeweils um 14.10 Uhr in der ARD) trainiert die zweifache Weitsprung-Olympiasiegerin die Siebenkämpferin Leyla. Privat hat die 59-Jährige aber noch größere Herausforderungen gemeistert als den Sport. Besonders ragt dabei die Wendezeit heraus, wie sie im Interview erzählt. Mit der Gelassenheit, die sie inzwischen entwickelt hat, kann sie es jetzt sogar ertragen, wenn sie im Rennen überholt wird.

Wie kommt es dazu, dass Sie in „Rote Rosen“ nun als Schauspielerin auftreten – wobei Sie sich ja selbst spielen?

Heike Drechsler: Ich suche immer wieder neue Herausforderungen und bin sehr neugierig. Deshalb habe ich spontan ja gesagt, als man mich angefragt hat.

Im ARD-Format „Rote Rosen“ spielt Heike Drechsler sich selbst und hilft Leyla (Alinda Yamaci, r.) bei der Vorbereitung für Olympia.
Im ARD-Format „Rote Rosen“ spielt Heike Drechsler sich selbst und hilft Leyla (Alinda Yamaci, r.) bei der Vorbereitung für Olympia. © Studio Hamburg Serienwerft | Ard

Sie helfen in der Folge einer jungen Siebenkämpferin bei der Olympiavorbereitung. Würden Sie sich wünschen, Sie wären noch so jung, um an so einem Wettbewerb teilzunehmen?

Drechsler: Wer hätte gerne keinen leistungsfähigen Körper? Aber der hat für mich immer noch einen hohen Stellenwert. Ich liebe Bewegung bis heute, was mir sehr viel Energie und Lebensfreude gibt. Ich habe auch keine Angst vor dem Altwerden. Gestern war ich bei einem Teamlauf dabei, und im Zieleinlauf konnte ich an vielen jungen Leuten vorbei sprinten. Das war sehr befriedigend.

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Was machen Sie sonst noch in Ihrer Freizeit? Schauen Sie beispielsweise Serien wie „Rote Rosen“?

Drechsler: Ich gehe gerne in Konzerte und ins Kino. In der Familie ist es meine Mutter, die „Rote Rosen“ schaut. Wenn ich sie besuche, dann gucke ich automatisch mit. Sie war auch total stolz, dass ich da mitgespielt habe.

„Als die Wiedervereinigung kam, haben wir beide am Telefon geheult“

Mit welchem Fernsehprogramm sind Sie aufgewachsen?

Drechsler: Meine Uroma hatte Westfernsehen, bei ihr haben wir immer „Dallas“ geschaut. Groß geworden bin ich im Internat in der Sportschule. Wir hatten einen Fernsehraum, wo wir immer auf Westfernsehen umgeschaltet haben. Aber es musste immer einer aufpassen, ob die Erzieherin kommt.

Hatten Sie damals daran gedacht, dass es zu einer Wiedervereinigung kommen könnte?

Drechsler: Das war unvorstellbar. Bei internationalen Wettkämpfen hatten wir Kontakte zu Athleten aus der Bundesrepublik, auch wenn man sich dabei nicht ertappen lassen durfte. Aber das war eine andere Welt für uns. Meine beste Freundin, die mit mir auf der Sportschule war, stellte drei, vier Jahre vor der Wende einen Ausreiseantrag und erlebte im Vorfeld alle möglichen Schikanen.

Denn sie wollte zu ihrem westdeutschen Freund, von dem sie auch schwanger war, aber alles dauerte so lange, dass das Kind in der DDR zur Welt kam. In einer Nacht- und Nebelaktion ließ man sie schließlich doch ausreisen. Wir hielten dann weiter Kontakt, auch wenn wir uns nicht sehen durften. Als die Wiedervereinigung kam, haben wir beide am Telefon geheult.

Heike Drechsler über Wende: „Ich musste begreifen, was eigentlich die DDR war“

Wie haben Sie selbst die Wendezeit erlebt?

Drechsler: Es war am Anfang schon auch ein bisschen ein Schock, zumal ich eben vom DDR-Sport geprägt war. Ich bin sehr dankbar, dass ich in Gesamtdeutschland nochmal einen Weg fand, um meinen Sport erfolgreich auszuüben. Aber ich war damals 24, war stolze Mutter geworden und das hat mir alles Energie gegeben. Ich weiß nicht, wie ich als 60-Jährige damit hätte umgehen müssen.

Die Wendezeit war aber insgesamt eine Riesenherausforderung. Ich musste auch lernen, mit der Presse umzugehen, musste begreifen, was eigentlich die DDR war, und ich musste mich selbst verstehen lernen. Das war ein sehr harter Weg und Lernprozess.

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Sie waren ja vorher bei Wettkämpfen im Westen. Welche Eindrücke ragen da heraus?

Drechsler: Ich habe eher auf die Menschen geachtet. Und die waren alle nett und sympathisch. Meinen ersten Aufenthalt im Westen hatte ich 1981 bei den Leichtathletik-Junioreneuropameisterschaften in Utrecht. Man hat uns in einem tollen Hotel untergebracht. Alles war beeindruckend, alles roch besser.

Unsere Jungs haben dann im Fernsehen gewisse Bezahlkanäle entdeckt, die sie bis in die Morgenstunden geschaut haben. Verbotene Sachen schmecken einem eben am besten. Und da wir kein Geld hatten, mussten unsere Funktionäre alles bezahlen. Das war eine große Peinlichkeit, und die Jungs wurden alle zusammengepfiffen.

Diese Träume würde sich Heike Drechsler gerne erfüllen

Hätte Sie eigentlich in jungen Jahren die Schauspielerei gereizt?

Drechsler: Ich komme aus einem einfachen Elternhaus. Meine Mutter hätte sich das niemals leisten können, nachdem mein Papa ja 1974 tödlich verunglückt war. Über die Schule bin ich dann zum Sport gekommen, wofür ich ja auch Talent hatte. Natürlich hätte ich gerne Klavier gelernt, wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte. Auch Tänzerin wäre schön gewesen. Man hat ja so Träume. Andererseits war ich nicht der eleganteste Typ.

Heike Drechsler gewann zahlreiche olympische Medaillen im Laufe ihrer Karriere.
Heike Drechsler gewann zahlreiche olympische Medaillen im Laufe ihrer Karriere. © picture alliance / HJS-Sportfotos | Hans-Jürgen Schmidt

Haben Sie noch Träume, die Sie sich erfüllen möchten?

Drechsler: Die gibt es immer. Deshalb freue ich mich eben über Chancen wie bei „Rote Rosen“. Ich könnte mir vorstellen, mich weiter darauf zu fokussieren, wenn die Möglichkeit besteht – auch in anderen Rollen. Ich wäre zum Beispiel nicht abgeneigt, mal einen Bösewicht zu spielen. Andererseits fühle ich mich im Gesundheitsmanagement, wo ich arbeite, sehr wohl.

Heike Drechsler: Diesen Herausforderungen stellt sie sich privat

Sie sprachen vom Klavierspiel. Es gibt ehemalige Sportler, die eine Musikkarriere hingelegt haben.

Drechsler: Ich weiß nicht so recht. Eine enge Freundin von mir ist Opernsängerin. Mit der habe ich mal Weihnachtslieder einstudiert. Aber als ich die Aufnahme gesehen habe, dachte ich mir: „Das will ich der Welt nicht antun.“ Es gibt auch andere Herausforderungen. Mein Mann ist gebürtiger Finne, und so würde ich gerne die finnische Sprache lernen. Er selbst spricht mit mir immer Deutsch und Englisch.

Sie machen selbst Hobbysport, wie Sie erzählten. Wie stark ist Ihr Ehrgeiz?

Drechsler: Ich habe mich dem SV Spandau angeschlossen, wo ich zweimal pro Woche zu trainieren versuche. Am Anfang hatte ich einen Trainingsrückstand, zumal ich mich auf vorher auf Ausdauer konzentriert hatte, was zulasten der Sprintfähigkeit geht. Und so war ich nicht besonders schnell im Vergleich zu den anderen. Die haben dann gefragt: „Es schauen bei dir so viele Leute zu. Kann man an dir vorbeilaufen?“ Die dachten, es wäre nicht schön, eine Olympiasiegerin zu überholen. Aber ich habe damit kein Problem. Ich hatte meine Zeit. Aber wer weiß: Vielleicht lasse ich das dann nicht mehr zu, wenn ich in einem halben Jahr schneller bin und der Ehrgeiz wieder kommt.