Berlin. Ist Stefan Raab cool genug für ein TV-Comeback? Ein Experte über das Geheimnis der Kultfigur und Witze, die so gar nicht mehr gehen.

Stefan Raab (57) trug viele Titel: Ob „TV-Revoluzzer“ oder „Raabinator“ – er war der Mann, der die Show-Branche aufmischte und einen Erfolg nach dem anderen feierte, mit seinen neuen Fernsehformaten und vor allem mit seinem Frischekurs für den ESC. Im Dezember 2015 hatte der Entertainer in seiner letzten „tv total“-Show aus ProSieben seinen TV-Rückzug verkündet.

Doch jetzt hat Raab ein mediales Lebenszeichen abgegeben: Am 14. September soll in Düsseldorf ein Show-Kampf steigen – zwischen Raab und der Ex-Profiboxerin Regina Halmich. Und viele Fans hoffen, dass der TV-Erlöser zurückkommt auf die große Showbühne. Laut Bild.de soll er ein eigenes Streaming-Angebot planen., das auf Handynutzer abziele.

Könnte sein Comeback gelingen? Der Schweizer Medien-Experte Ferris Bühler hält den TV-Giganten für einen cleveren Strategen, der allerdings auch ein Defizit hat.

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Stefan Raab hatte ja einen echten Kultstatus inne. Zu Recht?

Ferris Bühler: Stefan Raab war meiner Meinung nach durchaus eine Kultfigur. Mit seinen selbst entwickelten Formaten hat der einstige Metzgersohn die deutsche Fernsehlandschaft geprägt und teilweise sogar neu erfunden. Er selbst wurde mit seiner Comedy-Show „TV total“ zum Kult-Moderator, bis er sich dann 2015 vom Bildschirm verabschiedete. Seine Live-Formate wie „Schlag den Star“, die „Wok-WM“ oder das „Turmspringen“ gibt es heute noch oder sie wurden neu lanciert. Kultstatus hat er aber sicherlich auch durch sein Mitwirken am Eurovision Song Contest erreicht.

Hat sich der Humor Marke „Wadde hadde dudde da?“, so der Songtext seines Auftritts beim ESC 2000, überlebt? Immerhin hat er den fünften Platz gemacht, bevor er Lena 2010 mit seinem Song „Satellite“ zur Siegerin machte.

Bühler: Gerade weil Stefan Raab eine Kultfigur ist, dürfte sein Humor auch noch heute funktionieren. Das sieht man alleine an der Performance seiner zwei Instagram-Videos, welche er über die Ostertage zu seinem Comeback mit seinem Ewig-Praktikanten Elton lanciert hat. Er weiß ganz genau, was es braucht, um zum öffentlichen Gespräch zu werden — und zwar in den klassischen wie auch sozialen Medien. Mit seinem nostalgischen Humor zelebriert er die TV-Spaßkultur von früher und scheint damit bei einem breiten Publikum anzukommen.

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Ist Raab mit seinen 57 Jahren auch einer der „alten, weißen Männer“?

Bühler: Auch mit fast 60 Jahren besitzt Stefan Raab zumindest optisch ein gewisses Lausbuben-Image. Das hat ihn bis heute jung gehalten und gibt ihm eine gewisse Narrenfreiheit. So denken die Leute: „Das ist halt der Raab, der kann das bringen.“ Gerade in der aktuellen Zeit mit wenig innovativen Unterhaltungsformaten sehnen sich viele TV-Zuschauer nach den guten, alten Zeiten und sehen Raab deshalb nicht als „alten, weißen Mann“, sondern eher als Retter.

Stefan Raab: „Er hat ein unglaubliches Gespür“

Er galt als TV- Revoluzzer. Woran lag das?

Bühler: Stefan Raab kümmerte sich von Anfang an nicht um die bestehenden Mechanismen und Gesetze der deutschen Fernsehunterhaltung. Während alle anderen Entertainer gepflegt in Sakkos nüchtern und sachlich moderierten, trug er in seiner Show ein weißes T-Shirt unter dem Hemd mit Jeans und plauderte einfach mal drauflos, griff manchmal spontan zur Ukulele und improvisierte einen Song — egal, ob ihm gerade ein Politiker oder Weltstar gegenübersaß. Auch bei der Kreation seiner TV-Live-Happenings überschritt er jegliche Logikgrenzen: Dort, wo in „Wetten, dass...?!“ die Saalwette aufhörte, dort fingen seine Shows erst an – je absurder, desto besser.

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Wie kann jemand so albern sein und dennoch Talente wie Lena Meyer-Landrut oder Max Mutzke entdecken und ihnen – vor allem im Fall von Lena – zu unglaublichen Karrieren verhelfen?

Bühler: Stefan Raab hat einerseits ein unglaublich gutes Gespür dafür, was das breite Publikum mag. Und andererseits hat er auch ein gutes Musikgehör. Das mag vielleicht von seiner Zeit beim Musiksender VIVA kommen. Er kann aber vor allem etwas: Talente in Menschen sehen, die bislang noch niemand wahrgenommen hat. Dies gilt nicht nur für Musiker, sondern auch beispielsweise bei Moderatoren wie Elton. So hat Raab aus Nachwuchstalenten über Nacht mit seinen reichweitenstarken Plattformen und Formaten Stars gemacht.

Ob „Wok-WM“, „Schlag den Star“, „Stock Car Crash Challenge“ oder „TV total“ – das waren Showkonzepte, die es bis dato nicht gab. Und dann seine ESC-Verdienste. Mittlerweile gilt so etwas wie die „Wok-WM“ als Gähn-Format. Und „TV total“ mit Nachfolger Sebastian Pufpaff bei Kritikern auch als ausgereizt. Zu Recht?

Bühler: Das Problem bei all diesen Formaten ist, dass sie rund um die Figur Stefan Raab konzipiert wurden. Eigentlich war das Thema immer „Raab wagt“, indem er sich als Normalo in ein neues Abenteuer stürzte. Die Zuschauer wollten sehen, ob er seine Missionen schaffte und wie er sich gegen seine Promifreunde schlug. Diese Formate sind ohne Raab selbst nur halb so spannend, da die Zuschauenden immer den Vergleich zu den Ursprungsformaten ziehen.

Ferres Bühler ist PR- und Medienexperte und Gründer der Storytelling-Agentur Ferris Bühler Communications.
Ferres Bühler ist PR- und Medienexperte und Gründer der Storytelling-Agentur Ferris Bühler Communications. © PR | Thomas Buchwalder

Was machen Leute wie Joko und Klaas heute anders?

Bühler: Auch Joko und Klaas wagen sich heute noch nach guter alter Raab-Manier in ungewisse Abenteuer. Sie wiederholen das Erfolgskonzept von Stefan Raab, aber viel größer: Statt nur im Fernsehstudio finden ihre Abenteuer mittlerweile auf der ganzen Welt statt. Mit einem kleinen, feinen Unterschied: Sie vermarkten sich online und erschliessen damit eine ganz neue Zielgruppe, die über das klassische, lineare Fernsehen hinausgeht. Und: Ihr Humor ist subtiler und kommt (fast) ohne Beleidigungen irgendwelcher sozialer Gruppierungen aus.

Experte: Darum konnte Raab sein Privatleben so stark abschirmen

Heute sagt man ihm Gags auf Niveau von Pubertierenden nach. Man denke nur an Lisa Loch, über deren Namen er sich böse lustig gemacht hatte. Loch erhielt dafür 70.000 Euro Schmerzensgeld. Wie schätzen Sie solche Aktionen ein? Und könnte man so etwas heute noch machen?

Bühler: Auch wenn sich der ältere Teil des TV-Publikums nach dieser Art des Humors sehnen mag, ist er nicht mehr zeitgemäß und dürfte heute jede Menge Shitstorms lostreten. Wenn Raab heute mehrheitsfreundliche Gags abliefern will, muss er seinen Humor zwingend den aktuellen Standards anpassen. Seine schwulenfeindlichen Witze von früher haben da keinen Platz mehr.

Warum hat sich Raab dann Ihrer Meinung nach komplett aus dem Showbusiness zurückgezogen?

Bühler: Ich denke, dass er nach so vielen Jahren vor der Kamera einfach genug hatte. Und wer ihn kennt, weiß, dass Raab keine halben Sachen macht. Deshalb war für ihn nur der komplette Rückzug von vor der Kamera eine Option. Hinter der Kamera ist er jedoch all die Jahre aktiv geblieben.

Er gehörte zu denen, der auch und vor allem sein Privatleben stets komplett abschirmte. Wie kann man das in der heutigen Zeit überhaupt schaffen? Und warum hat jemand, der von der Öffentlichkeit gelebt hat, ein solches Bedürfnis nach Rückzug?

Bühler: Stefan Raab wurde in einer Zeit als TV-Entertainer groß, in der es noch keine Pflicht war, dem TV-Publikum parallel auf Social Media Einblick in sein Privatleben zu geben. War der Bildschirm an, war Raab da und die Öffentlichkeit hatte ihn — war er aus, war Raab weg und verschwunden.

Nichtsdestotrotz war er eine Person des öffentlichen Lebens und irgendwann mag man einfach aus dem Scheinwerferlicht treten. Heute ist das anders: TV-Moderatoren sind gleichzeitig Influencer in den sozialen Medien und das Publikum erwartet, ihren Lieblingsstars rund um die Uhr folgen zu können, inklusive Einblicken ins Privatleben.

Stefan Raab und Regina Halmich: Die ehemalige Boxweltmeisterin und der Fernsehmoderator boxten bereits zwei Mal gegeneinander.
Stefan Raab und Regina Halmich: Die ehemalige Boxweltmeisterin und der Fernsehmoderator boxten bereits zwei Mal gegeneinander. © dpa | Rolf Vennenbernd

Wobei Raab nie so ganz weg war. Nach seinem Ende bei Brainpool im vergangenen Oktober hat er eine neue Firma gegründet: Mit dem „RTL EM-Studio – Alle Spiele, Tore, Emotionen“ setzt der Sender zur Fußball-EM in diesem Jahr das erste TV-Projekt mit Stefan Raabs neuer Produktionsfirma Raab Entertainment um. Moderiert wird die Sendung von Elton und Jan Köppen. Wieder ein Coup?

Bühler: Raab hält zu seinen Talenten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Protagonisten in der EM-Sendung alte Bekannte sind.

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Einerseits der Strippenzieher, dann der Draufgänger, der sich aber erneut von Regina Halmich vermöbeln lassen will? Zwei Mal hat sie ihn schon kleingekriegt und ihm sogar die Nase gebrochen. Warum tut sich ein fast 60-Jähriger so etwas an?

Bühler: Auch in dieser Sache bleibt Stefan Raab seinen Prinzipien treu: Live-TV-Happenings sind seine Spezialität — besonders, wenn er sich dabei auf Experimente einlässt. Dass das Konzept „Normalo gegen Boxweltmeisterin“ funktioniert, hat er schon zwei Mal bewiesen. Und weil wohl aller guten Dinge drei sind, ist es jetzt Zeit dafür. Da spielt weder das Alter noch das Übergewicht eine Rolle.

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