Berlin. Seine große TV-Zeit ist vorbei: Oliver Pocher ist zum Pöbler im Netz geworden. Ein Medienexperte glaubt, dahinter steckt deutlich mehr.
- Immer wieder greift Entertainer Oliver Pocher Influencer und Prominente scharf an
- Auch im Podcast mit Amira Pocher wird kräftig ausgeteilt
- Ist das Image vom Großmaul des Internets also gerechtfertigt?
Von Beruf ist Oliver Pocher Comedian. Also jemand, der die Menschen zum Lachen bringen soll. Doch seit langem macht er sich als ewiger Herumpöbler im Netz einen Namen, greift Promis wie Boris Becker oder den Wendler an, mit dem er sich wochenlang Schlammschlachten lieferte. Influencerin Anna Adamyan unterstellte er neulich, ihre Fehlgeburt für Werbezwecke auszunutzen. Bei einer weiteren Influencerin kramte der 45-Jährige ihre Pornovergangenheit hervor und machte sie öffentlich.
Ob auf Instagram oder im Podcast mit Ehefrau Amira Pocher – es wird kräftig ausgeteilt. Reicht das Ablästern aus, um noch wahrgenommen zu werden? Der Medien- und Socia-Media-Experte Ferris Bühler über das Phänomen Oliver Pocher und das Geschäftsmodell des Herumpöbelns.
Was ist die Triebfeder für diese Pöbeleien?
Ferris Bühler: Pocher hat früh erkannt, was er mit Pöbeln im Netz erreichen kann: Er erhält die volle Aufmerksamkeit der angepöbelten Person und deren Fangemeinde. Als TV-Persönlichkeit mit Reichweite und Relevanz wird zudem jede seiner Online-Fehden zu einem Thema in den klassischen Medien. Fertig ist das Rezept für den nächsten On- und Offline-Shitstorm. In der aktuellen Phase scheint es ihn zu reizen, wie weit er gehen kann. Dass er dabei Grenzen überschreitet, macht das Ganze für ihn nur noch spannender.
Nach seinen Erfolgen bei RTL in Shows wie „Pocher – gefährlich ehrlich“, „Der König der Kindsköpfe“ und „Jauch gegen...“ war seine Sendung „Pocher und Papa auf Reisen“ ein Flop. Jetzt tritt er in seinem Podcast und auf Instagram um sich. Mittlerweile gilt Pocher als meist gehasste Person im Netz – ein Geschäftsmodell?
Bühler: Nachdem Pocher bereits in der klassischen Showbiz-Welt stets unverblümt seine Meinung geäußert hat und dadurch immer wieder für Schlagzeilen gesorgt hat, war die Weiterführung der unzensierten Meinungsäußerung in den sozialen Medien nur die logische Konsequenz daraus. Dass er dadurch viele „Hater“ auf den Plan rufen würde, muss ihm von Anfang an klar gewesen sein. Neider und Hasser muss man sich schließlich zuerst einmal verdienen.
Lesen Sie auch: Eberhofer-Darsteller Bezzel lüftet Geheimnis einer guten Ehe
Was ist das Besondere an Pochers Humor?
Bühler: Für mich schafft es Pocher wie kaum ein anderer deutscher Entertainer, mit einfachen „Oneliner“ – also kurzen Einzeiler-Sprüchen – ein äußerst breites Publikum überall abzuholen. Sein Humor ist für mich „reduce to the max“, also simpel, für alle verständlich und vor allem eins: sehr effektiv in der Wirkung. Das ist vergleichbar mit einem Boxer, der sich im Boxring kaum bewegt, aber dann seinen Gegner mit nur einem Schlag KO schlägt. Beobachten Sie mal Pochers Mimik: Er würde am liebsten die Pointe gleich am Anfang erzählen und den Rest komplett weglassen.
Das Herabsetzen anderer ist Pochers lukratives Geschäftsmodell
Pochers Herumgepöbel scheint auch finanziell ein durchaus erfolgreiches Geschäftsmodell zu sein.
Bühler: Pocher schafft es durch seine ständige Präsenz in den sozialen Medien die Reichweite und auch die Zahl seiner Follower massiv zu steigern. Dadurch wiederum steigert er seinen Gesamtmarktwert enorm und ist dann umso interessanter für Kooperationen mit Werbe-Partnern für seinen Podcast oder Social-Media-Aktivitäten. Und natürlich auch für die klassische Unterhaltung im Fernsehen. Bei Gastauftritten in Reality- oder Talkshows ist er dann ja äußerst gefragt und kann ein entsprechend hohes Honorar verlangen.
Warum will er immer wieder in die Öffentlichkeit, obwohl er sich ständig blutige Nasen holt?
Bühler: Oliver Pocher ist für mich wie ein Lausbube, der auf dem Schulhof in jeder Pause eine Rangelei anzettelt und dafür eine Ohrfeige kassiert: Am nächsten Tag steht er wieder mitten drin und streitet weiter – im vollen Bewusstsein, eine weitere Ohrfeige einzufangen. Der Drang dabei zu sein und mitzudiskutieren, überwiegt dabei der Angst, erniedrigt zu werden.
Pocher: Einfach nur peinlich – oder doch ein kluger Kopf?
Ist Pocher im Grunde nicht nur ein peinliches Großmaul, sondern vielleicht sogar, sagen wir jetzt mal keck, ein kluger Kopf?
Bühler: Pocher als Großmaul oder gar als dumm zu bezeichnen, wäre total verfehlt. Im Gegenteil: Die richtigen Sprüche zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort hinauszuhauen, um damit die größte Wirkung zu erzielen, braucht viel Fingerspitzengefühl und einen hohen Intellekt. Mit fast 25 Jahren Erfahrung im Showbiz und in der Medienwelt kennt er die Mechanismen des Business ganz genau.
Das könnte Sie auch interessieren: Prinzen-Sänger Krummbiegel spricht über Kindheit in der DDR
Dass er „gehatet“ wird, ist klar. Aber es gibt auch viele Verehrer?
Bühler: Wenn eine in der Öffentlichkeit stehende Person „gehatet“ wird, so gibt es automatisch auch Menschen, denen die kritisierte Person leidtut und sich mit ihr solidarisieren. Oliver Pocher hat zudem nach wie vor eine breite Fanbase, die hinter ihm steht – auch wenn es in der Öffentlichkeit nicht immer so aussieht. Darunter sind sicherlich auch viele Menschen, welche zu ihm hochschauen und ihn buchstäblich verehren.
Wer gehört zu seinen Fans?
Bühler: Wir müssen zwischen zwei Gruppierungen von Fans unterscheiden: Da sind die Menschen, welche die Person Oliver Pocher generell cool finden, und dann gibt es jene, welche hinter einzelnen Aussagen, Aktionen und Botschaften von ihm stehen und ihn dafür feiern. Da sich Pocher oft über kommerziell tätige Personen wie beispielsweise Influencer lustig macht, könnte man auch schlussfolgern, dass wohl vor allem auch Menschen zu seinen Fans gehören, welche sich selbst ebenfalls an Kommerz stören.
Lesen Sie auch: Psychologin: Darum halten die Fans eisern zu Rammstein
Eins seiner Geheimnisse: Pocher kann über sich selbst lachen
Bei seiner Teilnahme bei der RTL-Tanzshow „Let’s Dance“ war er sehr originell. Und machte sich vor allem über sich selbst lustig. Auch eine Gabe, oder?
Bühler: Absolut. Über sich selbst zu lachen, gehört definitiv zur Strategie von Pocher. Denn wir wissen alle: Wer sich über andere lustig macht, muss auch über sich selbst lachen können. Das hat der Entertainer von Anfang an verstanden. Indem er sich selbst albern darstellt und Fehler macht, ist er menschlich und nahbar für das Publikum. Und das ist es auch, was ihn bis heute am Leben erhalten hat. Würde Pocher nur noch austeilen und selbst liebenden Perfektionismus ausstrahlen, so würde er bald komplett alleine da stehen.
Es ist ja schon selten, dass jemand so wenig Angst vor Blamagen hat. Muss man dazu besonders unsensibel sein – oder ist es einfach ein Spiel, das nur die wirklich gut spielen können, die ein starkes Selbstbewusstsein haben? Oder gerade nicht?
Bühler: Es liegt in der DNA von Oliver Pocher, stets im Mittelpunkt stehen zu wollen. Diese Lust scheint definitiv größer zu sein, als die Angst, blamiert zu werden. Ich denke, dass Pocher in den vielen Jahren seiner Showbiz-Karriere bereits viel einstecken musste und dadurch nur gewachsen ist, was wiederum sein Selbstbewusstsein gestärkt hat. Deswegen scheint er heute praktisch furchtlos zu sein.
Pocher als Großmaul und dann wieder moralische Instanz
Manchmal hat man den Eindruck, dass sich der Komiker für eine moralische Instanz hält, wenn er sich über das Lebern anderer echauffiert.
Bühler: Ich denke, dass sich Pocher durchaus für eine Art „Wächter über Gut und Böse“ sieht – zumindest im Show- und Influencer-Business. Gerade, wenn er Influencerinnen unter die Lupe nimmt und investigativ Dinge aufdeckt, die seiner Meinung nach nicht rechtens sind, so stellt der die Personen auch ohne zu zögern an den Online-Pranger. Er lässt es sich dann aber nicht nehmen, auch selbstkritisch über sein eigenes Privatleben zu sprechen.
Auch interessant: Beatrice Egli: Schlagerstar denkt über neue Karriere nach
Pocher denkt immer groß: Zu seinen Lebensgefährtinnen zählten Promis wie Tennis-Star Sabine Lisicki, Monica Invancan, die erste „Bachelorette“ Alexandra Meyer-Wölden. Er hat fünf Kinder. Augenscheinlich kommt er bei starken erfolgreichen Frauen gut an. Wieso ist das so?
Bühler: Pocher bewegt sich seit bald 25 Jahren im Showbiz und durfte dadurch berufsbedingt auch unzählige prominente Frauen kennenlernen. Die Kombination aus seinem Humor, Lausbuben-Charme, Schlagfertigkeit und Furchtlosigkeit machen ihn sicherlich zu einer äußerst interessanten Partie – abgesehen davon ist er ja auch geschäftlich sehr erfolgreich.
- Selbstliebe: Achtsamkeit – Warum der Trend problematisch sein kann
- Positives Denken: Optimismus lernbar? Experten geben wichtige Tipps
- Null Fehlertoleranz: Wann Perfektionismus schädlich ist
- Sexsucht:Betroffene berichtet – „Ich hatte keine Kontrolle mehr“
Experte: Deshalb kann Pocher so enorm viel wegstecken
Pocher kriegt oft auf den Deckel. Wird sogar von Betroffenen juristisch angegangen. Und setzt dann so ein spitzbübisches Jungengesicht auf. Er tut so, als könne er Kritik vertragen – ist das so?
Bühler: Ich denke, dass Oliver Pocher enorm viel wegstecken kann. Wer solange im Showbiz tätig ist und über Jahre von allen Seiten kritisiert wird, entwickelt automatisch eine dicke Haut und wird Kritikresistenz. Ein breites Grinsen auf einem Lausbubengesicht hilft dabei noch zusätzlich.
Wie lange kann jemand die immer gleiche Masche durchziehen?
Bühler: Solange Pocher sich selbst und seinen Grundsätzen treu bleibt, funktioniert seine Methode. Und solange der Entertainer ein Gespür dafür hat, was das breite Publikum beschäftigt, erhält er das Gehör der Öffentlichkeit.
Wann schadet er sich definitiv selbst?
Bühler: Sollte Pocher damit beginnen, sich selbst zu ernst zu nehmen oder seine Meinung als einzig wahre Botschaft zu betrachten, verliert er die Anerkennung in der Öffentlichkeit. Mit seinen Sprüchen darf er weiterhin frech und dreist sein, aber nicht krass werden.
Lesen Sie auch: „Hart aber fair“ – Sind die Deutschen wirklich so böse?