Berlin. Die Schauspielerin Katja Riemann spricht über ihre Erfahrung mit Mobbing. In ihrer Arbeit geht sie deshalb einen besonderen Weg.

Ob Komödien wie „Fack ju Göthe“ oder Historienserien wie „Unsere wunderbaren Jahre“ – welche Sparte auch immer: Der Erfolg war ihr Begleiter. Nun fügt Katja Riemann (60) mit der Miniserie „Reset“ – Wie weit willst du gehen?“ (ab 11. März, 20.15 Uhr, ZDF) ihrer Filmografie ein neues Prestigeprojekt hinzu.

KatjaRiemann lässt sich nicht nur auf die Schauspielerei festlegen, sondern engagiert sich auch stark für humanitäre Anliegen. Im Interview spricht sie über ihre Sicht auf die Welt, über Nierenprobleme beim Dreh oder die aufreibende Arbeit an ihrem neuen Buch „Zeit der Zäune“.

Katja Riemann: Stress als Ursache ihrer organischen Probleme

Die Rolle in „Reset“ war offenbar so intensiv, dass Sie Nierenprobleme bekamen. Würden Sie sich derartigen Herausforderungen noch einmal aussetzen?

Katja Riemann: Oh natürlich. Wir suchen doch als Schauspielende nach den Extremen, den emotionalen oder auch physischen Zuständen, die uns in neue Räume katapultieren oder uns neue schauspielerische Mittel finden lassen. Meine Nierenprobleme hatten, wie meine Osteopathin es diagnostizierte, vermutlich damit zu tun, dass die Nieren auch emotionalen Stress abbauen.

Ich glaube, die armen Nierchen dachten, ich wäre in einer Lebenskrise, weil ich das ja auch die ganze Zeit gespielt hatte. Sie konnten nicht wissen, dass alles nur fake war, denn im Moment wird das ja tatsächlich erlebt. Tja, Schauspielerei kann gefährlich sein. Und auch ein Abenteuer, das ist sehr schön. Es bereichert das Leben.

Katja Riemann in der Rolle der Flo Bohringer in der Mini-Serie „Reset“. Bohringer, ihr Ex-Mann Jens (Thomas Loibl, vorne) und dessen Partnerin Kati (Annika Kuhl, l.) haben Luna (Hannah Schiller) wegen ihrer Depression in eine psychiatrische Klinik gebracht.
Katja Riemann in der Rolle der Flo Bohringer in der Mini-Serie „Reset“. Bohringer, ihr Ex-Mann Jens (Thomas Loibl, vorne) und dessen Partnerin Kati (Annika Kuhl, l.) haben Luna (Hannah Schiller) wegen ihrer Depression in eine psychiatrische Klinik gebracht. © ZDF | Tina Krohn

Das Abenteuer der Miniserie besteht darin, in die Vergangenheit zu reisen und dadurch Probleme der Gegenwart zu ändern. Würden Sie davon Gebrauch machen, wenn Sie das könnten?

Riemann: Ja, ich würde es wagen, glaube ich. Weil ich ja die Person von heute wäre, die in anderer Zeit freigesetzt werden würde, würde ich auf Umstände oder Herausforderungen möglicherweise anders reagieren, könnte ich mir vorstellen. Vielleicht würden mir viele Schmerzen und Kummer erspart haben, die ich heutzutage noch immer mit mir herumschleppe.

An welchen Punkt Ihres Lebens würden Sie dann reisen?

Riemann: Wohin ich reise, warum und worum es ginge, das ist, verzeihen Sie mir, ein bisschen sehr privat.

Fack-ju-Göthe-Star über die Befindlichkeit der heutigen Jugend

Ihre Figur tut diesen Schritt, um Ihre Tochter zu retten. Nachdem nun Zeitreisen bekanntermaßen nicht möglich sind – was kann man tun, um Jugendliche von heute zu unterstützen?

Riemann: Wir können immer mehr lieben, als wir es bereits tun. Liebe wächst umso mehr, je mehr man sie schenkt. Sie ist ein Perpetuum Mobile. Das ist doch wirklich erstaunlich. Warum, so frage ich mich, gehen wir dann so geizig damit um? Achtsamkeit, Aufmerksamkeit und Zuneigung helfen immer, da bin ich mir sicher. Die jungen Menschen in der derzeitigen Welt, die immer schneller und kleiner und konfliktreicher wird, stehen dem Ende der planetarischen Grenzen gegenüber. Und sollen das jetzt irgendwie alleine lösen? Das ist doch nicht in Ordnung.

Dass therapeutische und psychiatrische Kliniken für Teenager überfüllt sind, spiegelt doch den Zustand der jungen Menschen wider, oder nicht?

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Was waren die brennendsten Probleme in Ihrer eigenen Jugend?

Riemann: Oh, das ist ja lange her, das war eine andere Zeit. Da war man selbst verantwortlich, wenn einem Mobbing begegnete, das ich viele Jahre erlebte, ohne dass es dafür das Wort zur Tat gegeben hätte. Das prägt, das macht einsam, denn da war niemand. Und genau aus dem Grund versuche ich beispielsweise jungen Kolleginnen und Kollegen zur Seite zu stehen, deren Stimme man nicht hört oder hören will.

Schauspielerin Katja Riemann macht sich viele Gedanken über den Umgang miteinander. Liebe und Zuwendung hält sie dabei für außerordentlich wichtig.
Schauspielerin Katja Riemann macht sich viele Gedanken über den Umgang miteinander. Liebe und Zuwendung hält sie dabei für außerordentlich wichtig. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Britta Pedersen

Riemann: So erlangte sie ihre innere Stabilität

Sind Sie jemand, der in das Leben von nahestehenden Menschen eingreifen möchte, um ihnen schmerzhafte Erfahrungen zu ersparen?

Riemann: Natürlich. Wer möchte nicht seine Liebsten beschützen oder vor Schmerz bewahren. Einzugreifen bedeutet ja nicht zwingend, übergriffig zu werden und mit einer piccobello „Lösung“ anzukommen. Es kann auch meinen, anwesend zu sein, da zu bleiben, um der Person begreifbar zu machen, dass sie nicht allein ist. Es ist Fürsorge. Liebe. Manchmal stellt sie sich dar, indem man einen Tee kocht. Oder umarmt. Oder sagt: Ich finde dich großartig, ich liebe dich. Wir schaffen das – gemeinsam.

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In unserem letzten Interview vor einem Jahr meinten Sie, dass Ihre „seelische Stabilität aus dem Lot“ sei? Hat sich das gebessert?

Riemann: Ah, wie schön, Sie erinnern sich. Danke, dass Sie fragen. Ich habe daran earbeitet und ja, ich bin seelisch stabiler – dank Therapie und Meditation. Die Arbeit an meinem Buch „Zeit der Zäune“, für das ich 2022 an Orte der Flucht gereist bin, war extrem kraftraubend. 2023 habe ich nur noch geschrieben.

Katja Riemann über das Älterwerden: Humor kann Kummer überwinden

Der Zustand des Schreibens, bei dem man ja immer allein mit sich ist, ruft geistige Prozesse hervor und schärft das Denken. Somit macht er den Blick auf Situationen in meinem persönlichen Leben als auch auf gesellschaftsrelevante Ereignisse genauer. Ich glaube, es könnte für jeden Menschen gut sein, allein zu reisen oder sich zurückzuziehen und sich auf eine Sache zu fokussieren. Aber dabei muss man auch aushalten, dass man manchmal nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll.

Sie feierten letztes Jahr Ihren 60. Geburtstag. Wie haben Sie sich in den letzten zehn Jahren verändert?

Riemann: Ich bin gelassener geworden. Klüger wohl auch, in der Hinsicht, dass ich in der Lage bin, eine Haltung zu formulieren und komplex zu denken, ohne dass alles immer gleich lösungsorientiert sein muss. Ich kann auch sagen: Ich weiß es nicht. Ich habe begriffen, dass Humor Kummer überwinden kann. Ich schätze noch viel mehr die Beziehungen und Freundschaften, die ich habe. Jeden Tag. Jeden Moment.