Berlin. Küssen gilt als eine der romantischsten Gesten. Antike Tafeln verraten nun, dass die Menschen schon länger knutschen als gedacht.
Das flüchtige Küsschen auf die Wange zur Begrüßung, der dicke Schmatzer von Omma zum Geburtstag oder der innige Kuss für den Liebsten, wenn er am Valentinstag mit Blumen aufwartet – Küssen gehört zur universellen Sprache der Liebe. Und das schon wesentlich länger, als bisher angenommen, wie Forscher der Universität von Kopenhagen herausgefunden haben.
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„Es scheint, als sei Küssen über Jahrhunderte in verschiedenen antiken Kulturen praktiziert worden“, erklärt Assyrologe Dr. Troels Pank Arbøll. Sein Fachgebiet, auch Altorientalistik genannt, untersucht die Hochkulturen Vorderasiens und Mesopotamiens (Gebiet im heutigen Irak und Syrien, Anm. d. Red.). Zu ihren Überbleibseln zählen Tausende gut erhaltener Tonplatten aus der Zeit um 2500 v. Chr., die vom Alltag in der Antike zeugen – und damit auch vom Knutschen und Küssen.
Geschichte des Küssens: Knutschen war schon in Antike „Teil romantischer Beziehungen“
Arbøll und seine Co-Autorin Dr. Sophie Lund Rasmussen haben 2023 zahlreiche dieser Tonplatten auf die Ursprünge des Küssens hin untersucht. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im Magazin „Science.“ Die Platten, deren Existenz selbst in Forschungskreisen kaum bekannt war, wurden demnach zunächst von Schreibern für eine antike Form der Buchhaltung genutzt, wie Arbøll „CNN“ erklärte. Um 2600 v. Chr. begannen die Menschen jedoch, darauf auch Geschichten, Mythen und Alltägliches festzuhalten. „In einem der Mythen ist beschrieben, wie Götter Geschlechtsverkehr hatten und sich küssten“, so Arbøll gegenüber „CNN“. „Ein klarer Beweis für romantisches Küssen.“
Bislang hatten Experten den Ursprung des Phänomens in Südasien verortet – vor 3500 Jahren. Die Quellen aus Mesopotamien sind aber rund 1000 Jahre älter und weisen darauf hin, dass der Ursprung des romantischen Kusses nicht auf eine bestimmte Region eingegrenzt werden kann, wie Arbøll und Rasmussen daraus schließen. „Küssen galt bereits in der Antike als Teil romantischer Beziehungen, wie es auch zu Freundschaften oder zu Beziehungen zwischen Familienmitgliedern gehörte“, so Arbøll.
Antike Kuss-Regeln: Hier galt es als verpönt
Zu lesen ist von Küssen zwischen verheirateten Paaren oder sogar Unverheirateten – als Ausdruck von Verlangen. Die antiken Aufzeichnungen erklärten Küssen jedoch nicht nur zu schönen Nebensache, sondern mahnten auch zum gebotenen Anstand: Wer eine Priesterin küsste, die sich zur Keuschheit verpflichtet hatte, musste befürchten, seine Fähigkeit zu Sprechen zu verlieren.
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Auch gab es beim Küssen gewisse Regeln, was beispielsweise die Wahl des Partners oder des Ortes betraf. Knutschen in der Öffentlichkeit, etwa auf offener Straße, war im antiken Mesopotamien nicht gern gesehen. Vor 4500 Jahren küsste man also noch hinter verschlossen Türen, dennoch war es schon „eine sehr alltägliche Sache“, wie Arbøll gegenüber „CNN“ betont.
Krank durch Küssen? Quellen weisen auf Herpes-Infektionen hin
Eine Sache, die – vom Aberglauben einmal abgesehen – wahrhaftige Risiken mit sich brachte: Frühere Studien waren bereits zu dem Schluss gekommen, dass mit dem Küssen auch die Verbreitung des Herpes-simplex-Virus Typ 1 zunahm. Experte Arboll spricht von medizinischen Texte aus Mesopotamien, in denen eine mysteriöse Krankheit genannt ist, deren Symptome tatsächlich einem Herpes ähnelten.
Die „bu‘shanu“-Krankheit befalle den Quellen zufolge den Mund- und Rachenraum. Zu den Symptomen gehörten Bläschen in und um den Mund, wie sie typischerweise bei einem Herpes-Ausbruch vorkämen. Wenn man davon ausgehe, dass Küssen in einer Vielzahl antiker Kulturen verbreitet war, wäre anzunehmen, dass die Übertragung von Krankheitserregern mehr oder minder konstant war, so Rasmussen. Allerdings müssten bei dieser Interpretation die kulturellen und religiösen Umstände der Zeit in Betracht gezogen werden.
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Kama Sutra gehört zu frühsten Überlieferungen übers Küssen
Rasmussen führt noch eine weitere Theorie ins Feld, wonach die engsten Verwandten des Menschen – Bonobos und Schimpansen – ebenfalls gerne küssen. Das Phänomen könne demnach als inhärentes menschliches Verhalten gewertet werden, was wiederum erklären würde, warum es schon in frühen antiken Kulturen und Epochen verbreitet war.
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Einige Quellen legen nahe, dass die Praktik des romantischen Küssens aus Indien stammt. Darunter die „Veden“, eine hinduistische Sammlung religiöser Texte, entstanden um das Jahr 1500 v. Chr. In einem der Bücher – der „Rigveda“ – ist von Menschen die Rede, die ihre Lippen aneinanderpressen. Ebenso im Kama Sutra, dem berüchtigen Sex-Ratgeber aus dem 3. Jh. v. Chr.
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