Berlin. Christine Wagner hat eine Tochter mit einem schwulen Mann. Co-Elternschaft nennt sich dieses Konzept, das Familienplanung neu denkt.
- Kinder bekommen ohne festen Partner – eine Möglichkeit ist die Co-Elternschaft
- Christine Wagner hat einen schwulen Mann gefunden, mit dem sie eine Tochter bekommen hat
- Um anderen die Suche nach einem Co-Elternteil zu erleichtern, hat sie eine Plattform gegründet
Ein Kind, auch ohne Mann. Dieser Wunsch kam bei Christine Wagner vor zwölf Jahren auf. Damals war die Ärztin noch mit ihrer Partnerin Miriam zusammen. Heute ist Wagner biologische Mutter einer Tochter, die sie zusammen mit einem sogenannten Co-Vater großzieht. Gefunden hat sie Gianni, den Vater ihrer Tochter, auf einer von ihr selbst gegründeten Plattform für Menschen mit Kinderwunsch, die in einer nicht konventionellen oder keiner Beziehung leben.
„Ich kam vor gut zwölf Jahren zu meiner Co-Elternschaft“, sagt Christine Wagner, „zu dem Zeitpunkt war ich Ende 20 und verspürte einen Kinderwunsch, der mich nicht mehr losließ.“ Die Berlinerin, die damals noch in ihrer Facharztweiterbildung steckt, bespricht ihren Wunsch mit ihrer Partnerin. Beiden ist klar: Sie wollen Eltern werden.
Co-Parenting: Viel Zeit nehmen bei der Suche nach dem anderen Elternteil
Als homosexuelles Paar hätten sie sich einen anonymen Samenspender suchen können, doch das wollten die Frauen nicht. „Uns war relativ schnell klar, dass wir uns beide einen Vater für unser Kind wünschen“, sagt die heute 40-Jährige, „und zwar nicht nur einen biologischen Vater, sondern jemanden, der die ganze Kindheit begleitet.“ Ihre Partnerin und sie begannen sich im Bekanntenkreis umzugucken: Freunde, Kommilitonen, aber irgendwie will das alles nicht so recht passen.
„Vor zwölf Jahren gab es in Deutschland noch kein Angebot für Co-Elternschaften“, erzählt Wagner. Erst später erfuhr das Paar, dass es das Modell, das auch Co-Parenting genannt wird, bereits in den USA gab. Es geht um die Ermöglichung des Kinderwunschs ohne eine sexuelle Beziehung zu haben. „Wir haben dann beschlossen, selbst eine Plattform auf die Beine zu stellen.“
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Abend für Abend setzten sie sich an den Computer und bereits vier Wochen später stand die Webseite: familyship.org. Die Plattform bietet eine Vielzahl an Optionen für Personen mit Kinderwunsch. Sowohl alleinerziehende, heterosexuelle Frauen, unfruchtbare Frauen als auch homo- und heterosexuelle Paare und Samenspender können sich registrieren und nach einem Co-Elternteil suchen.
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Ein Kinderwunsch solle selbstbestimmt möglich und nicht von starren Modellen abhängig sein, findet Wagner. Was alle Nutzer verbinde, sei der Kinderwunsch und eine gewisse Offenheit. Für die Suche sollte man sich Zeit nehmen und das andere Elternteil richtig kennenlernen, rät sie – immerhin sollen sich beide Parteien ein ganzes Menschenleben lang begleiten. „Eine Co-Elternschaft ist nichts, was ich einer Frau empfehlen würde, die kurz vor ihrem letzten Eisprung steht“, sagt Wagner. Dafür sei der Prozess zu zeitaufwändig und müsse das auch sein.
Co-Elternschaft: Das sind die Vor- und Nachteile
Christine Wagner und ihre damalige Freundin suchten auf ihrer Plattform dann auch gleich selbst nach einem potenziellen Vater für ihr Kind – und wurden nach einigen weniger passenden Dates fündig. Gianni, der wie die beiden Frauen in Berlin lebt, überzeugte sie. „Bei ihm stimmte sofort das Bauchgefühl“, sagt Wagner, „das weitere Kennenlernen hat das Gefühl noch untermauert.“ Aber braucht ein Kind überhaupt beide Elternteile, eine Mutter und einen Vater? „Ich weiß nicht, ob ich das heute noch so sehe“, sagt sie. Früher sei sie sich damit immer sicher gewesen, vielleicht auch, weil sie selbst ein so gutes Verhältnis zu ihrem Vater habe.
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Die Co-Elternschaft habe ihre Vor- und Nachteile. Einerseits sei man mit der Verantwortung nicht allein und könne, eben weil man sich die Elternschaft teile, auch Zeit allein genießen. Die 40-Jährige hat ihre Tochter alle zwei Wochen, sodass sie die Zeit bis dahin für ihre Arbeit und alles, was nicht ihre Tochter betrifft, nutzen kann. Ist ihre Tochter bei ihr, gehört die Zeit dann ganz allein ihr. Nachteile seien die Absprachen und die Verpflichtung, die andere Person immer mit einzubeziehen. Wenn man sich noch nicht so gut kenne, könne es dann zu Streit kommen.
Obwohl sich Christine Wagner entschieden hatte, gemeinsam mit Gianni eine Familie zu gründen, fiel ihr der Schritt anfangs trotzdem nicht leicht. Ihre Partnerschaft ging noch vor der Schwangerschaft zu Ende, sodass sie ganz auf sich gestellt war. „Mir war klar, dass ich Kinderwunsch und Partnerschaft trennen muss. Vom Kopf ging das gut, vom Gefühl brauchte es schon länger. „Den größten Gegenwind gab es von meinen Eltern“, erzählt Wagner. Sie komme vom Dorf und ihre Eltern seien sehr traditionell. Mit der Zeit habe sich ihre Einstellung aber geändert: „Heute sind sie super stolze Großeltern.“