Berlin. Caren Miosga löst Anne Will ab und moderiert ab Ende Januar eine neue Talkshow. Im Interview verrät sie, was die Zuschauer erwartet.
Für die ehemalige „Tagesthemen“-Moderatorin Caren Miosga beginnt ein neues Kapitel in ihrem Leben: eine wöchentliche Talkshow am Sonntagabend. Miosga löst damit Anne Will ab, die ihre gleichnamige Talkshow 16 Jahre lang moderierte. Bei der Sendung „Caren Miosga“ (Start am 21. Januar um 21:45 Uhr in der ARD) sollen politisch relevante Themen diskutiert werden. Im Interview erklärt die 54-Jährige aus Groß Ilsede im Landkreis Peine, warum ihr der Politikjournalismus erst nicht zugetraut wurde und wie sie mit den sozialen Medien umgeht.
Haben Sie zuletzt häufiger von Wolfgang Kubicki geträumt?
Caren Miosga: Nein. Gar nicht, nein.
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Sie ahnen, worauf ich hinauswill: Sie leiten bald die wichtigste Talkshow im deutschen Fernsehen. Ist die Vorstellung, dabei von Wolfgang Kubicki ständig unterbrochen zu werden oder Fragen zu stellen, die Sahra Wagenknecht partout nicht beantwortet, womöglich doch beunruhigend?
Miosga: Tja, natürlich sprechen Sie den wunden Punkt politischer Talkshows an. Politikerinnen und Politiker kommen dorthin, um vor großem Publikum ihre Botschaften loszuwerden. Das Schöne ist: Es gibt dafür mehr Zeit als ich das in Nachrichtenmagazinen gewohnt bin. Aber die Herausforderung für mich ist ganz klar diese: Ich stelle die Fragen, und ich erwarte natürlich, dass sie auch beantwortet werden.
Meine Schwiegermutter, die eigentlich Talkshows gar nicht so sehr mag, hat mir jüngst gesagt: Caren, ich verspreche Dir, dass ich am Sonntagabend einschalte – unter einer Bedingung: Dass Du die Politiker auch mal zum Schweigen bringst.
Moderatorin Caren Miosga: Warum Härte nicht ihr Stil ist
Ich lese Ihnen jetzt ein Zitat vor: „Es stellt sich die Frage, ob sie für die geübten Phrasendrescher der großen Politik wohl tough und routiniert genug ist.“ Wann mag das über Sie geschrieben worden sein?
Miosga: 2007?
Goldrichtig, das stand 2007 über Sie im „Spiegel“, als Sie Anne Will in den „Tagesthemen“ nachfolgten. Und nun stellt sich die Frage, ob sich die damals aufgeworfene Frage wieder stellt. Was meinen Sie?
Miosga: Ja, ich erinnere mich an die Anfangszeit der „Tagesthemen“. „Kann sie Politik?“, hieß es auch mal in der Überschrift eines anderen Artikels. Ich kam ja aus dem Kulturjournalismus. Ich bin aber überzeugt: Handwerk ist Handwerk. Und das hat sicher auch etwas mit der Sicht auf Frauen zu tun, denen manche Kollegen politisches Geraufe oft immer noch nicht so recht zutrauen.
Ich schätze, dass Ingo Zamperoni diese Frage nicht gestellt bekommen hätte. Abgesehen davon: Ist „tough“ eigentlich ein Kompliment, ist Härte wirklich eine Voraussetzung für das Moderieren einer Talkshow? Ich finde es wichtig, gut zuhören zu können. Und hinzu kommt dann eine Hartnäckigkeit in der Sache. Aber einen Fight Club muss ich glücklicherweise nicht moderieren, das ist auch nicht meine Art, so stelle ich mir unsere Debatten nicht vor.
Miosga: „Krawallrunden passen nicht in die Zeit“
Wie wäre denn Ihre Vorstellung? Roger Willemsen hat das Fernsehen mal als „elektronisches Lagerfeuer“ bezeichnet. Wie soll das brennen, prasselnd und lodernd oder eher gleichmäßig und konzentriert?
Miosga: Nein, nicht um jeden Preis prasselnd und lodernd. Ich finde, Krawallrunden passen nicht in die Zeit. Die Welt ist ohnehin in Aufruhr. Und ich weiß, dass Zuschauerinnen und Zuschauer der ARD in solchen Zeiten ein großes Orientierungsbedürfnis haben.
Die Pandemie, der Angriffskrieg gegen die Ukraine, der Krieg in Nahost, all dies verunsichert die Menschen. Es ist wichtig, die Dinge zu ordnen und echte Gespräche zu führen. Ja, das Lagerfeuer soll lodern. Aber es soll nicht das ganze Studio entfachen.
Und die Quote? Wie werden in der Redaktion oder beim Sender die Diskussionen verlaufen, wenn die Gespräche gut und nachdenklich sind, aber die Zuschauer sich für Shows entscheiden, in denen es mehr Rabatz gibt?
Miosga: Da machen Sie sich mal keine Sorgen. Ich plane ja kein besinnliches Einschlafprogramm. Aber es geht doch um Erkenntnisgewinn. Weil wir eben bei Roger Willemsen waren: Er hat auch mal gesagt, eine Frage sei dann gut, wenn man die Antwort noch nicht kennt. Das heißt, ich wünsche mir von Politikerinnen und Politikern, dass sie nicht nur das zu sagen, was sie schon x-mal gesagt haben. Und ich darf aber auch nicht die Fragen stellen, die schon x-mal gefragt wurden.
Und eine gewisse Lebendigkeit kommt dann meist von alleine. ich neige dazu, manchmal auch in ernsten Situationen Heiterkeit zu verbreiten. Das nehme ich mir nicht vor, sondern das geschieht einfach. Auch wenn wir über schwere Themen zu sprechen haben: Ich finde schön, wenn es im Gespräch auch muntere Momente gibt.
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Caren Miosga: „Eigentlich nervt es, noch über Ost-West-Thema reden zu müssen“
Sie wissen, dass einige Leute genau darauf achten, wie viele Menschen aus welcher Partei, wie viele Frauen, wie viele mit Migrationshintergrund und wie viele in Ostdeutschland Geborene sich präsentieren dürfen. Fühlen Sie sich eingeengt?
Miosga: Ich finde es in Ordnung, übers Jahr auch diese Kriterien im Blick zu haben. Was den letzten Punkt angeht: Die drei Landtagswahlen im Osten werden dafür sorgen, dass ostdeutsche Belange ohnehin eine große Rolle spielen. Auch von der AfD wird in diesem Zusammenhang viel die Rede sein, das steht ja schon fest. Eigentlich nervt es, dass wir mehr als dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung noch über das Ost-West-Thema reden müssen, aber da Ostdeutsche in Schlüsselpositionen immer noch unterrepräsentiert sind, ist es so.
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Sie haben Slawistik studiert und sprechen Russisch. Unsere Zeit wird entscheidend geprägt durch Russlands imperialen Größenwahn. Werden Sie der Sendung an dieser Stelle eine besondere Note verleihen?
Miosga: Ich habe zum Thema Russland womöglich einen besonderen Zugang. Und da wir befürchten müssen, dass Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine noch lange nicht zu Ende ist, werden wir auch darüber weiter reden. Auf der einen Seite gibt es sehr virulente Themen, an denen kommt man nicht vorbei. Auf der anderen Seite gibt es berechtigte Kritik an dem manchmal tatsächlich zu kleinen Themenspektrum. Ich finde es wichtig, gelegentlich einen Kontrapunkt zu setzen und etwa zu sagen: Heute geht es mal um Bildung.
Miosga rechnet mit Hass in den sozialen Medien
Sie sind seit langem ein „Fernsehgesicht“. Rechnen Sie trotzdem damit, dass Sie nun bald noch ganz anders im Blickpunkt stehen und zum Ziel von Gehässigkeiten und üblen Anwürfen werden? Auch nach dem Motto: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die große Politik stecken eh unter einer Decke…
Miosga: Ja, damit rechne ich. Aber ich will mich davon nicht beschweren lassen. Ich lese schon lange nicht mehr alle Kommentare bei Twitter beziehungsweise X. Wenn es unter die Gürtellinie geht, halte ich mir die Ohren zu. Ich will nicht über jeden Müll Bescheid wissen, der über Social Media ausgeschüttet wird. Ich will mit Neugierde, und Freude an die neue Aufgabe gehen, aber auch mit Demut und allen anderen Eigenheiten, die mich die bodenständige norddeutsche Tiefebene gelehrt hat.
Und was das „unter einer Decke stecken“ angeht: Ich habe schon oft erklärt, dass Politikerinnen und Politiker keinen Einfluss auf die ARD-Berichterstattung nehmen – und dass sie auch großen Ärger mit uns bekämen, wenn sie das zu tun versuchten.