Berlin. Gesine Cukrowski spricht über die Objektifizierung von Frauen in Film und Fernsehen, männliche Egos – und wie sie damit heute umgeht.
Bei Gesine Cukrowski ist 2023 viel los. Einerseits hat die Schauspielerin („Der letzte Zeuge“) mit Fernsehprojekten wie der Serie „Hotel Mondial“, die am 4.10. in eine neue Staffel geht (jeweils 19:25 Uhr im ZDF), alle Hände voll zu tun. Andererseits hat die 54-Jährige mit Kolleginnen die viel beachtete Initiative „Let’s Change the Picture“ für ein zeitgemäßes Frauenaltersbild in Film und Fernsehen gestartet. Wie sehr die Schauspielerin dieses Thema bewegt, wird im Gespräch schnell klar – ob von den patriarchalen Strukturen der Showbranche oder von den Schubladen die Rede ist, in die man sie im Laufe ihrer Karriere zu stecken versuchte.
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War diese Ballung von verschiedensten Aufgaben in diesem Jahr bei Ihnen geplant?
Gesine Cukrowski: So etwas lässt sich nicht planen. Arbeit zieht Arbeit an. Entweder macht man nichts, und dann ist wirklich nichts, oder man bekommt ein Angebot, auf das gleich fünf andere folgen. Dass die Kampagne so erfolgreich wird und wir so viele neue Aufgaben dazu bekommen, ist wahnsinnig toll, war aber eben auch nicht vorhersehbar.
Gesine Cukroswki: Patriarchale Strukturen halten Frauen zurück
Woran machen Sie den Erfolg der Kampagne fest? Gibt es denn schon zeitgemäßere Figuren in den Drehbüchern für Frauen ab 47?
Cukrowski: So schnell geht das nicht. Im ersten Schritt ging es darum, Strukturen und Muster zu erkennen. Wir haben im ersten Dreivierteljahr gelernt, dass viele Entscheider in kreativen Berufen gar nicht merken, wie sehr sie aus diesen etablierten Denkmustern heraus über Stoffe bestimmen. Wir müssen erstmal das Bewusstsein dafür schaffen. Auch wir Frauen selbst stecken so sehr in diesen Strukturen drin, dass uns gar nicht sofort auffällt, wie sehr wir dieser patriarchalen Struktur entsprechen.
Der Erfolg von „Hotel Mondial“ dürfte doch belegen, dass authentische Geschichten über Frauen ab dem zitierten Alter im Kommen sind.
Cukrowski: Ich freue mich über jede Figur, die nicht stereotyp erzählt wird und vielleicht den Horizont von dem erweitert, was man vom typischen Fernsehprogramm erwartet. Deshalb macht mir das auch unheimlichen Spaß, diese Rolle zu spielen, aber mit einer Rolle verändert man diese Strukturen nicht. Unsere Untersuchung hat ergeben, dass die Problematik viel früher anfängt. Nahezu alle jungen Frauenfiguren werden auf irgendeine Art und Weise sexualisiert und von einer männlichen Sichtweise zum Objekt gemacht. Infolge dessen gibt es dann keine Einfälle mehr für ältere Frauenfiguren. Das heißt, die Veränderung muss viel früher anfangen.
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Wie oft wurden Sie zum Objekt gemacht?
Cukrowski: Die Objektifizierung von Frauen in Film und Fernsehen ist ein normaler Vorgang. Also oft. Ich empfehle den Film „Brainwashed - Sexismus im Kino“ von Nina Menkes. Er ist gerade in der Mediathek zu sehen und erklärt den männlichen Blick sehr genau.
Gesine Cukrowski: Frauen werden regelrecht „etikettiert“
In den Medien wurden Sie als „deutsche Sharon Stone“ bezeichnet...
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Cukrowski: Es war in Deutschland sehr beliebt, unseren Schauspielern ein Hollywood-Etikett aufzudrücken. Ich habe es damals nicht verstanden, und ich verstehe es heute nicht.
Wobei eine Sharon Stone schon ein sehr sexualisiertes „Etikett“ ist. Jedenfalls wenn man von den Filmen ausgeht, mit denen dieser Hollywoodstar bekannt wurde.
Cukrowski: Warum? Das ist auch eine sehr patriarchale Zuordnung. Ich bin nicht die einzige, der man sowas draufpappt. Ich kenne noch mindestens drei andere blonde und blauäugige Kolleginnen, die man so „etikettiert“ hat. Hatte man als Mann weniger Haare auf dem Kopf, war man der deutsche Bruce Willis. So etwas kann man doch nicht ernst nehmen.
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Aber es gibt zudem ganz konkret Machos, mit denen Sie es auch in der neuen Staffel zu tun bekommen. Wie gehen Sie mit denen in der direkten Begegnung um?
Cukrowski: Mit den Figuren, oder den Kollegen die sie spielen? In der Staffel wird einer der Gegenspieler von Götz Otto gespielt. Weil er groß und stark ist, wird er oft für diese testosterongebeutelten Bösewichte besetzt. Dabei ist er ein zauberhafter, feministischer und sehr witziger Mann. Er ist privat also genau das Gegenteil von dem, was er oft spielen muss. Es ist immer eine Freude mit Götz zusammenzuarbeiten. Wir haben in unserer Branche oft mit ausgeprägten männlichen Egos zu tun, umso schöner, dass es in unserem Schauspielensemble so harmonisch ist.
„Ich lasse mir die Butter nicht vom Brot nehmen“
Wie also gehen Sie konkret mit diesen Egos um?
Cukrowski: Sehr offen. Ich lasse mir die Butter nicht vom Brot nehmen. Und wenn ein Mensch glaubt, sich aufgrund seines Geschlechts erheben zu müssen, dann mache ich meinen Spruch. Wenn ich etwas ungerecht finde, äußere ich das – schon immer.
Wann zum Beispiel hatten Sie es mit einem übergroßen männlichen Ego zu tun?
Cukrowski: Es gibt einige Kollegen, die es nicht aushalten, wenn die Frauenfiguren in einer Geschichte klüger sind, oder besser rüberkommen als ihre. Deshalb versuchen sie gerne mal das Drehbuch umzuschreiben, oder die Situation spontan am Set zu verändern. Das ist unter uns Kolleginnen oft Gesprächsthema. Nicht nur einmal musste dann im Schnitt, oder im Nachsynchron die Storyline gerettet werden, weil diese Veränderungen die ganze Geschichte durcheinander gebracht haben.
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Bei „Hotel Mondial“ dürften Ihnen diese Kämpfe vermutlich erspart bleiben.
Cukrowski: Genau. Da ist keiner dabei, der sich aus Egogründen besser, cooler oder klüger schreiben will. Das ist eine der glücklichen Ensemblesituationen wo so etwas überhaupt nicht vorkommt. Deshalb macht es umso mehr Spaß.
Aber kämpferische Personen haben auch Nachteile. Haben Sie deshalb zum Beispiel bestimmte Rollen nicht bekommen?
Cukrowski: Das glaube ich nicht. In meiner Arbeit bin ich leidenschaftlich und konstruktiv. Mich interessiert die Geschichte und nicht das Ego von einzelnen Personen. Regisseurinnen und Regisseure wissen das zu schätzen, das ist meine Erfahrung.
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