München. Schauspielerin Andrea Sawatzki hat genug von Männern, die Frauen unterschätzen. Im Interview verrät sie, was sie am meisten stört.

Mit ihren schwarzhumorigen Romanen über die Familie Bundschuh etablierte sich Andrea Sawatzki vor zehn Jahren erfolgreich als Autorin – und bescherte sich in den Verfilmungen eine Paraderolle als Schauspielerin. Inzwischen gibt es mehr Fernsehfilme als Bücher. Die neueste Folge etwa läuft am 2. Oktober um 20:15 Uhr im ZDF. Doch ihre Geschichten sind für die 60-Jährige nicht einfach gute Unterhaltung. Ihre starken weiblichen Charaktere lehnen sich auf gegen eine Gesellschaft, die Frauen chronisch unterschätzt. Im Interview offenbart Andrea Sawatzki, inwiefern sie selbst manchmal darunter leidet und wie ihre „Bundschuh“-Reihe ihr geholfen hat, sich ihren Selbstwert zu bewahren.

Andrea Sawatzki: Frauen werden immer noch auf ihr Äußeres reduziert

Macht es Ihnen noch Spaß, einen Bundschuh-Film nach dem anderen zu drehen oder ist das eine Pflicht geworden?

Andrea Sawatzki: Es macht mir großen Spaß, und ich glaube, ich spreche da für unser ganzes Team. Ich bin eng am Entstehungsprozess beteiligt und achte darauf, dass die Bundschuhs ihren bösen Witz behalten.

In der aktuellen Folge bewirbt sich die von Ihnen gespielte Gundula Bundschuh für das Amt der Bürgermeisterin, das man ihr nicht zutraut. Leben wir wirklich noch in Zeiten, wo Frauen derart unterschätzt werden?

Sawatzki: Gundula zeigt uns einmal mehr, dass Frauen alles erreichen können, wenn sich ihnen die Gelegenheit dafür bietet und sie dafür kämpfen. Es gibt viele Erfolge von Frauen in den verschiedensten Bereichen, aber wir müssen uns auch ständig weiterhin darum bemühen, dass Frauen die gleichen Chancen und Rechte wie Männer bekommen. Vieles ist heute schon selbstverständlich im Gegensatz zu der Zeit, in der ich aufgewachsen bin. Das ist toll. Aber es ist immer noch viel zu wenig.

Das Schauspielerpaar Christian Berkel und Andrea Sawatzki bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises im Mai 2023.
Das Schauspielerpaar Christian Berkel und Andrea Sawatzki bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises im Mai 2023. © dpa | Gerald Matzka

Was zum Beispiel liegt noch im Argen?

Sawatzki: Frauen werden eigentlich immer noch von außen beurteilt, so dass wir uns eben nicht wirklich frei fühlen können. Das ist das Fatale. Wir können noch so modern sein und so viele Rechte haben, uns zu kleiden, wie wir wollen. Wir bekommen bis ins Alter einen Stempel aufgedrückt.

Was bedeutet das konkret?

Sawatzki: Zum Beispiel bekommt man gesagt: „Du hast dich aber toll geschminkt.“ Dann steht man am nächsten Morgen vor dem Spiegel und denkst sich: „Jetzt muss ich mich wieder so schminken.“ Und irgendwann heißt es: „Sie sehen für Ihr Alter aber noch gut aus.“ Das ist als Kompliment gedacht, aber eigentlich ist es eine Unverschämtheit. Ich glaube nicht, dass Männern das genauso oft gesagt wird wie Frauen.

Andrea Sawatzki: Austausch mit Frauen fördert Selbstwertgefühl

Haben Sie in Ihrer Jugend nicht Ihre Mutter dazu um Rat gefragt?

Sawatzki: Nein, darüber hat man damals nicht gesprochen. Meine Mutter wurde 1931 geboren. Sie entstammte einer Generation, wo es als Schwäche galt, sich über Befindlichkeiten zu äußern. Die Haltung war: Man soll nicht jammern, sondern glücklich sein mit dem, was man hat und nach vorne gucken. Das wurde mir auch mitgegeben und zugegebenermaßen ist das für meinen Beruf durchaus hilfreich.

Jungs und Männer haben doch sicher immer für Sie geschwärmt. Hat das Ihrem Selbstwertgefühl gut getan?

Sawatzki: Natürlich, immer wieder. Auch meine Mutter hat mich so genommen, wie ich war, und fand mich okay. Im Leben bekommt man immer wieder Zuwendung und das gibt einem Kraft, aber das hindert einen nicht, diese Urängste immer wieder hervorzukramen.

Sagt Ihnen Ihr Mann nicht, wie großartig Sie sind?

Sawatzki: Natürlich. Das ist mir auch das Wichtigste, aber trotzdem lasse ich mich manchmal von außen beeinflussen.

Was machen Sie in solchen Fällen?

Sawatzki: Ich habe gelernt, mit meinen Ängsten umzugehen. Das Schizophrene an meinem Beruf ist, dass man einerseits sehr sensibel sein muss, aber andererseits eine Lederhaut braucht, um auch die Kritiken und Anfeindungen ertragen zu können.

In den Verfilmungen ihrer „Bundschuh“-Romane spielt Autorin Andrea Sawatzki selbst die Rolle der Gundula Bundschuh an der Seite von Schauspielkollege Axel Milberg, der den Gerald Bundschuh gibt.
In den Verfilmungen ihrer „Bundschuh“-Romane spielt Autorin Andrea Sawatzki selbst die Rolle der Gundula Bundschuh an der Seite von Schauspielkollege Axel Milberg, der den Gerald Bundschuh gibt. © ZDF

Was hat Ihnen geholfen, die alten Denkmuster loszuwerden?

Sawatzki: Mir hat es sehr viel Selbstbewusstsein gegeben, mit den Bundschuhs auf Lesereise zu gehen und mit den Frauen meines Alters zu sprechen, denen es ähnlich geht. Eine der Erfahrungen dieses Jahres, die sehr ermutigend war, war auch unsere kleine Organisation „Let’s Change the Picture“, mit der wir für mehr Präsenz von Frauen über 47 in Film und Fernsehen eintreten. Die haben wir mit unserer Hauptinitiatorin Gesine Cukrowski zur Berlinale ins Leben gerufen und wir haben großen Zuspruch bekommen.

Rückzugsort Andalusien: Was Andrea Sawatzki von den Spaniern lernt

Würde es Sie eigentlich reizen, das Leben unserer Gesellschaft als Politikerin zu gestalten, so wie Gundula Bundschuh das vorhat?

Sawatzki: Ich würde auf gar keinen Fall in die Politik gehen. Ich unterstütze aber, wo ich kann, und setze mich für Themen wie Altersversorgung, Kinder, Tierschutz ein. Das sind meine drei Bereiche.

Wäre die Welt besser, wenn Frauen überall das Steuer in der Hand hätten?

Sawatzki: Vielleicht an der einen oder anderen Stelle, aber so pauschal kann man das nicht sagen. Das hängt natürlich von vielen Faktoren ab. Auf jeden Fall wäre eine ausgewogene Geschlechterbeteiligung ein riesiger Fortschritt.

Sie ziehen sich aber mit Ihrem Mann auch aus der Gesellschaft zurück. In Andalusien haben Sie ein kleines Domizil, wo sie beide schreiben. Was gibt Ihnen das Leben dort?

Sawatzki: Zum einen eine starke Verbindung zur Natur. Und ich liebe auch die Lebensart unserer spanischen Freunde. Ich bin dabei, das zu lernen – nämlich, dass man für ein glückliches Leben gar nicht so viel braucht. Es reicht, wenn man mit Freunden zusammen sein kann und ein gutes Essen hat. Man könnte viel bescheidener sein. Ich lerne, dankbar zu sein für das, was ich habe.