Essen. Eine Expertenkommission am Umweltbundesamt glaubt, dass von den Weichmacher-Spuren im Urin keine akute Gefahr ausgeht. Doch sie ist besorgt.
Von den gefundenen Spuren eines fruchtbarkeitsschädigenden Weichmachers im Urin von Kindern in NRW und Erwachsenen bundesweit geht nach Ansicht führender Toxikologen in Deutschland aktuell keine gesundheitliche Gefährdung aus. Das teilte das Umweltbundesamt nach Beratungen einer Expertenkommission mit. Gleichzeitig mahnten die Wissenschaftler dringend dazu, offene Fragen zu klären und gesundheitliche Folgen der Belastungen weiter zu erforschen.
Die Kommission Human-Biomonitoring am Umweltbundesamt legte in ihrer Sitzung erstmals einen gesundheitsbezogenen Beurteilungswert für das Abbauprodukt des Weichmachers DnHexP im Urin fest. Bis zu einem Wert von 60 Mikrogramm pro Liter Urin sei nach aktuellem wissenschaftlichem Kenntnisstand nicht mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des Menschen durch diesen Stoff zu rechnen, teilte die Kommission mit. Die rund tausend Urinproben in Deutschland, in denen bislang Belastungen nachgewiesen worden waren, liegen demnach ohne Ausnahme unter diesem Wert.
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In Ihrer Stellungnahme näherten sich die Experten damit der Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung an. Auch dieses Gremium hatte zuvor in den Belastungen kein unmittelbares Gesundheitsrisiko gesehen. „Wir können jetzt daran gehen, die aktuellen Befunde in Urinproben im Detail auszuwerten und eine fundierte gesundheitliche Einschätzung vorzunehmen“, sagte Claudia Röhl, Leiterin des Fachbereichs „Gesundheitlicher Umweltschutz, Schutz der Ökosysteme“ im Umweltbundesamt.
Die Experten wiesen jedoch auf eine Reihe ungeklärter Fragen hin. Die Kommission sei besorgt, dass es bei den Urinproben der Kita-Kinder in NRW innerhalb von drei Jahren eine Verzehnfachung einiger Belastungswerte gegeben habe. Wie hoch Kinder aktuell belastet seien, könne nicht gesagt werden, da die aktuelle Probeentnahme in NRW noch laufe, so die Kommission. Schnellstmöglich soll nun auch ermittelt werden, inwieweit die untersuchten Personen mit weiteren Weichmachern belastet sind. Wissenschaftler befürchten, dass sich die Stoffe untereinander in ihrer Wirkung verstärken können.
Die unabhängige Experten-Kommission sieht zudem ausreichende Hinweise dafür, dass verunreinigte Sonnenschutzmittel „maßgeblich“ zu den beobachteten Belastungen im Urin beigetragen haben könnten. Im Verdacht steht dabei der UV-Filter DHHB, bei dessen Herstellung es zu einer Verunreinigung mit dem Weichmacher DnHexP kommen kann, der als unerwünschtes Nebenprodukt entsteht.
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„Die Kommission Human-Biomonitoring empfiehlt deshalb dringlich, Maßnahmen zu ergreifen, die eine Verunreinigung durch DnHexP in Sonnenschutzmitteln und Kosmetika ausschließen oder zumindest so weit wie möglich minimieren“, teilte das UBA mit. Tests in Baden-Württemberg hätten gezeigt, dass es technisch möglich ist, DHHB-haltige Sonnenschutzmittel ohne nachweisbare DnHexP Verunreinigung herzustellen. Im rätselhaften Fall des Weichmachers DnHexP fordern Toxikologen und Behördenvertreter damit erstmals Unternehmen in Handel und Industrie zu Maßnahmen auf. Sowohl die Chemische Industrie als auch die Hersteller von Sonnencremes hatten bislang bestritten, dass kosmetische Produkte eine Quelle der im Urin gefundenen Belastungen seien.