Essen. Hunderttausende haben sich 2023 eine Mini-Solaranlage zugelegt. Der Boom der Balkonkraftwerke beschert auch Frust und Ärger. Was wichtig ist.

  • Viele Verbraucher ignorieren offenbar die Vorschriften und melden die gekauften Balkonkraftwerke nicht an
  • Wie viele Mini-Solaranlagen es in Deutschland es tatsächlich gibt, ist nicht bekannt. Hinzu kommt nun eine unbekannte Zahl defekter Wechselrichter
  • In diesem Artikel finden Sie die Antworten auf die wichtigsten Fragen zu Stecker-Solargeräten und was sich 2024 ändert

Hunderttausende Menschen in Deutschland haben sich in 2023 eine Mini-Solaranlage für Balkon, Hausfassade, Carport oder Garage gekauft. Einen relevanten Einfluss auf die Stromerzeugung hatten die Balkonkraftwerke nicht. Aber der Boom zeigte, dass Haushalte Dinge selbst in die Hand nehmen, um Energiekosten zu senken.

Tatsächlich werden die bläulich schimmernden Solarmodule mit Kabel und Stecker in Wohngebieten zum gewohnten Bild. Vor allem, seit die „Photovoltaik für den kleinen Mann“ als Massenware in Discountern, Baumärkten und Online-Shops verkauft wird. Genau das aber erfüllt Netzbetreiber und Verbraucherschützer nun mit Sorge: Die Mini-Revolution in Balkonien beschert auch Frust und Ärger.

Ein Großteil der Verbraucher ignoriert die Vorschrift, die Balkonkraftwerke bei Netzbetreiber oder Bundesnetzagentur anzumelden. Die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin hat auf Basis einer Befragung hochgerechnet, dass nur 37 Prozent der Besitzer ihre Anlage gemäß Vorschriften vollständig angemeldet haben. Andere Schätzungen gehen davon aus, dass gerade einmal zehn Prozent der Geräte registriert sind. Gehen Solaranlagen, auch die kleinen Balkonkraftwerke, ans Stromnetz, muss das Netzbetreibern und auch der Bundesnetzagentur gemeldet werden. Viele Besitzer kritisieren, dass die Anmeldeprozedur zu kompliziert sei.

Solarexperten: Riesige Dunkelziffer bei Balkonkraftwerken

Aus diesem Grund können Experten nur schätzen, wie viele Stecker-Solargeräte in Betrieb sind. Nach offiziellen Zahlen der Bundesnetzagentur sind 2023 rund 270.000 Mini-Solaranlagen neu ins Marktstammdatenregister eingetragen worden. Dies sei mehr als eine Vervierfachung gegenüber 2022. Weil jedoch die Stecker-Solargeräte eine geringe Leistung haben, liege ihr Anteil am gesamten Photovoltaik-Zubau bei knapp zwei Prozent. Die Bundesnetzagentur geht von einem noch höheren Anteil aus, da viele Anlagen nicht registriert würden.

Verkaufszahlen von Komponenten lassen vermuten, dass es auch über eine Million Anlagen sein könnten. In NRW soll laut Experten etwa ein Viertel aller Stecker-Solargeräte Deutschlands installiert sein. Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) schätzt, dass in NRW allein im ersten Halbjahr 2023 rund 30.000 neue Balkonkraftwerke ans Netz gingen. Aber: Eine offizielle oder amtliche Erhebung gibt es nicht.

In diesem Artikel lesen Sie, wie Sie eine Mini-Solaranlage anmelden und welche Strafen Ihnen theoretisch drohen, wenn Sie die Vorschriften ignorieren. Wir erklären zudem, welche neue Vorschriften im kommenden Jahr in Kraft treten und ob Anlagen künftig mit einem Schuko-Stecker angeschlossen werden dürfen.


Mit einem Klick auf die folgenden Themen springen Sie an die Stelle im Text:

Was unterscheidet Balkonkraftwerke von großen Solaranlagen?

Wie müssen Balkonkraftwerke angemeldet werden?

Was droht, wenn die Anlage nicht angemeldet wird?

Was ändert sich 2024 bei der Anmeldung?

Was gilt ab 2024 für alte Stromzähler?

Welche Leistung dürfen Balkonkraftwerke künftig haben?

Mit welchem Stecker dürfen Mini-Solaranlagen ans Netz?

Was steckt hinter dem Problem mit defekten Wechselrichtern?

Der Boom der Balkonkraftwerke in Deutschland hält an. Hunderttausende haben in 2023 eine Mini-Solaranlage gekauft.
Der Boom der Balkonkraftwerke in Deutschland hält an. Hunderttausende haben in 2023 eine Mini-Solaranlage gekauft. © Adobe Stock


Was unterscheidet Balkonkraftwerke von großen Solaranlagen?

Balkonkraftwerke sind kleine Solargeräte für Balkone, Fassaden oder Terrassen, die mit einem Wechselrichter über einen Stecker direkt an das häusliche Stromnetz angeschlossen werden. Je nach Lage können die Besitzer für relativ kleines Geld etwa zehn Prozent des Stroms im Haushalt selbst erzeugen und so die Stromrechnung senken. In Zeiten massiv gestiegener Energiepreise machen sich die einfach zu installierenden Stecker-Solargeräte schnell bezahlt.

Je mehr Sonnenstrom verbraucht wird, um so weniger Haushaltsstrom muss teuer eingekauft werden. Beispiel: Eine optimal ausgerichtete Anlage mit 600 Watt kann knapp über 480 Watt erzeugen. Bei einem Strompreis von 30 Cent pro Kilowattstunde wäre das eine Einsparung von rund 150 Euro im Jahr. Damit hätte sich eine 800 Euro teure Anlage in weniger als sechs Jahren amortisiert. In einigen Kommunen werden Kauf und Installation gefördert. Eine Übersicht über Förderungen in NRW-Städten führt die Initiative Solarmetropole Ruhr.
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Wie müssen Balkonkraftwerke angemeldet werden?

Die erzeugten Strommengen von Mini-Solaranlagen werden in der Regel direkt von den ständig laufenden Haushaltsgeräten verbraucht. Dennoch könnten Balkonkraftwerke potenziell Strom in das öffentliche Netz einspeisen. Daher wollen die verantwortlichen Stellen informiert sein. Wer ein Stecker-Solargerät in Betrieb nimmt, muss nach geltenden Bestimmungen zwei Anmeldungen vornehmen:

  • Registrierung bei der Bundesnetzagentur. Dazu muss sich der Anlagenbetreiber im Marktstammdatenregister der Behörde eintragen. Benötigt werden technische Daten, etwa die Leistung des Wechselrichters und der Solarmodule (beides in der Bedienungsanleitung) oder geografische Daten der Anlage. Die Bundesnetzagentur stellt eine Ausfüllhilfe und ein Video-Tutorial zur Verfügung. Die Anmeldung ist kostenlos.
  • Anmeldung beim Netzbetreiber. Der zuständige Netzbetreiber ist in der Regel das örtliche Stadtwerk oder ein Energieversorger. Erfragen lässt sich das durch einen Anruf beim Stromlieferanten, dessen Kontaktdaten auf der Stromrechnung stehen. Auch für dieses Anmeldeformular werden technische Daten sowie die Nummer des Stromzählers und das geplante Inbetriebnahme-Datum benötigt. Hinweis: Ab 2024 soll die Anmeldung beim Netzbetreiber entfallen.
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Was droht, wenn die Anlage nicht angemeldet wird?

Wird ein Balkonkraftwerk nicht im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur registriert, gilt das als Ordnungswidrigkeit. Theoretisch sieht Paragraf 95 des Energiewirtschaftsgesetzes ein Bußgeld vor, das von wenigen Euro bis zu maximal 50.000 Euro reichen kann. Experten zufolge ist jedoch kein Fall bekannt, bei dem ein Bußgeld wegen fehlender Anmeldung eingefordert wurde. Thomas Seltmann vom Bundesverband Solarwirtschaft etwa bezweifelt, dass die Bußgeldvorschriften im Detail wirksam sind.

Durchaus möglich aber sind Strafzahlungen an den Netzbetreiber, wenn die Anlagen nicht der Norm entsprechen. Dazu gehört etwa, wenn ein nicht konformer Stromzähler oder Wechselrichter verwendet wird. Die Strafzahlungen betragen bis zu zehn Euro monatlich pro Kilowatt installierter Leistung. Damit ist nicht die Leistung des Wechselrichters, sondern des Solarmoduls gemeint. Beispiel: Kann das Solarmodul 400 Watt (0,4 Kilowatt) leisten, würde die monatliche Strafzahlung vier Euro betragen, also 48 Euro im Jahr. Eine kleine Summe, die allerdings die Anlage unrentabel machen kann.
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Was ändert sich 2024 bei der Anmeldung?

Das Bundeskabinett hat das Solarpaket 1 verabschiedet. Es sieht einen Abbau von Bürokratie vor und soll insbesondere den Betrieb von Balkonkraftwerken vereinfachen. Demnach müssen Stecker-Solargeräte ab dem 1. Januar 2024 nur noch im Marktstammdatenregister eingetragen werden. Die verpflichtende Anmeldung beim Netzbetreiber entfällt.
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Was gilt ab 2024 für alte Stromzähler?

Rückwärtslaufende Stromzähler waren in Deutschland bislang verboten. Wer noch einen alten analogen Zähler ohne Rücklaufsperre (Ferraris-Zähler) hatte, musste ihn durch ein modernes Gerät ersetzen. Verhindert werden sollte, dass sich der Zähler rückwärts dreht, wenn die Solaranlage mehr Strom einspeist, als gerade im Haushalt verbraucht wird. So würden der Stromverbrauch wie auch die zu zahlenden Steuern und Abgaben fehlerhaft erfasst, lautete die Begründung der Netzbetreiber. Für die Verbraucher aber führte das dazu, dass sie den nicht genutzten Sonnenstrom verschenkten.

Ein Schukostecker auf einem Solarmodul: Eine neue VDA-Norm soll die technischen Vorschriften für den Betrieb von Stecker-Solargeräten neu festlegen.
Ein Schukostecker auf einem Solarmodul: Eine neue VDA-Norm soll die technischen Vorschriften für den Betrieb von Stecker-Solargeräten neu festlegen. © dpa/Picture Alliance

Wer ab 2024 ein Balkonkraftwerk in Betrieb nimmt, muss nicht mehr abwarten, bis der Netzbetreiber einen modernen Zähler einsetzt. Die Messstellenbetreiber haben künftig für den Austausch vier Monate Zeit. Bis dahin darf sich der Zähler auch rückwärts drehen. Betreiber eines Balkonkraftwerks sparen dann für jede eingespeiste Kilowattstunde den üblichen Strompreis ein.
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Welche Leistung dürfen Balkonkraftwerke künftig haben?

Aktuell sind in Deutschland Stecker-Solargeräte mit einer Leistung von maximal 600 Watt erlaubt. Gemeint ist dabei grundsätzlich die Leistung des Wechselrichters, der die eingespeiste Strommenge der Anlage beschränkt. Ab 2024 dürfen Balkonkraftwerke eine Leistung von 800 Watt haben, wie es in vielen anderen EU-Ländern bereits üblich ist.

Die Solarmodule können höhere Leistungen aufweisen und somit bei geringerer Sonneneinstrahlung eine höhere Einspeiseleistung erzielen. Ein Balkonkraftwerk darf also mit mehreren Solarmodulen betrieben werden – sofern der Wechselrichter nicht mehr als 600 Watt (ab 2024: 800 Watt) Leistung hat. Pro Stromnetz der Wohnung ist jedoch nur ein Balkonkraftwerk erlaubt. Die Gesamtleistung der Solarmodule darf ab 2024 maximal 2000 Watt betragen.
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Mit welchem Stecker dürfen Mini-Solaranlagen ans Netz?

Wieland-Stecker für Balkonkraftwerke.
Wieland-Stecker für Balkonkraftwerke. © Wieland

Über die „Steckerfrage“ wurde lange gestritten: Darf ein Balkonkraftwerk mit einem haushaltsüblichen Schuko-Stecker angeschlossen werden? Der Verband der Deutschen Elektrotechnik (VDE) hatte das bis Anfang 2023 kritisch gesehen, nun aber grünes Licht gegeben. Hintergrund sind sicherheitstechnische Bedenken: Am Stecker eines Balkonkraftwerks herrscht hohe Spannung, die Kontakte eines Schukosteckers aber liegen frei. Der VDE empfiehlt in seiner Norm einen sogenannten Wieland-Stecker, der deutlich teurer ist und dessen Einspeisesteckdose von einer Elektro-Fachkraft installiert werden muss.

Einspeisesteckdose von Wieland.
Einspeisesteckdose von Wieland. © Wieland


Das Betreiben einer Mini-Solaranlage mit einem Schuko-Stecker ist aktuell nicht grundsätzlich verboten. Manche Netzbetreiber sowie Förderrichtlinien schreiben jedoch einen Wieland-Stecker vor. Die Vorgaben sollen künftig vereinheitlicht werden und ein Schukostecker erlaubt sein. Die „Steckerfrage“ werde jedoch nicht im Solarpaket 1, sondern in einer überarbeiteten VDE-Norm geregelt werden.
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Was steckt hinter dem Problem mit defekten Wechselrichtern?

In Deutschland wurden mutmaßlich Hunderttausende Stecker-Solargeräte in den Verkehr gebracht, bei denen es eine Sicherheitslücke gibt. Das Problem: In den enthaltenen Wechselrichtern fehlt ein wichtiger Sicherheitsschutz (N/A-Schutz). Das nur wenige Euro teure Bauteil soll in Sekundenbruchteilen dafür sorgen, dass die Anlage stromfrei ist, sobald der Stecker aus der Steckdose gezogen wird. Sonst besteht die Gefahr eines Stromschlags, falls die Stecker-Kontakte berührt werden. Ohne dieses Relais verstößt die Anlage gegen die VDE-Norm AR-N 4105 und darf in Deutschland nicht betrieben werden.

Die Bundesnetzagentur hat inzwischen betroffene Anlagenbetreiber aufgefordert, die Balkonkraftwerke stillzulegen. Doch vier Monate nach Bekanntwerden des Sicherheitsproblems fehlt noch immer eine offizielle Information für Verbraucher, welche Modelle betroffen oder nicht betroffen sind. Eine Gruppe YouTuber hatte die Sicherheitsprobleme entdeckt. Auf ihrer Webseite führen sie eine Datenbank untersuchter Geräte. Dort können Verbraucher nachsehen, welche Modelle betroffen sind.

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Serie: Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Photovoltaik

Sie interessieren sich für eine Solaranlage? Unsere Photovoltaik-Serie klärt über alle wichtigen Fragen auf. Lesen Sie hier alle Folgen:

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