Bad Berleburg. Bürgermeister, Kommunalpolitiker und Bundestagsabgeordnete kämpfen für die Brustkrebsbehandlung. Nur MdL Anke Fuchs-Dreisbach stützt den Minister.
Der Brief von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) löst starke Reaktionen in Wittgenstein und weit darüber hinaus aus. Der hatte Post von der SPD-Fraktion aus Bad Berleburg, den CDU-Frauen aus Bad Berleburg und den Bürgermeistern von Bad Berleburg, Bad Laasphe, Erndtebrück, Hallenberg und dem angrenzenden hessischen Hatzfeld beantwortet. In seinem Brief begründet Laumann das bevorstehende Aus für eine Schlüsselabteilung des Bad Berleburger Krankenhauses. Doch Vamed gibt den Kampf noch nicht auf und hat eine konkrete Forderung an Laumann.
Auch interessant
Über 35 politische Vertreter aus Wittgenstein und dem Umland hatten vor den schweren Folgen gewarnt. Verliert die Vamed Akutklinik die Zulassung zur Behandlung von Brustkrebs (Senologie), steht die gesamte Frauenheilkunde (Gynäkologie und Geburtshilfe) wegen Unwirtschaftlichkeit zur Disposition.
„Das Schreiben von Minister Laumann haben wir gestern erhalten, ohne dass uns die Entscheidung im Vorfeld mitgeteilt wurde. Wir sind sehr traurig und betroffen über die Aussagen des Ministers.“
In der Bad Berleburger Vamed Akutklinik ist die Stimmung gedrückt: „Das Schreiben von Minister Laumann haben wir gestern erhalten, ohne dass uns die Entscheidung im Vorfeld mitgeteilt wurde. Wir sind sehr traurig und betroffen über die Aussagen des Ministers“, berichtet die Referentin für Unternehmenskommunikation, Antje Gröpl-Horchler, über die Reaktionen im Haus.
„Hier appelliere ich eindringlich an Minister Laumann, den für den ländlichen Raum möglichen Ermessensspielraum zu nutzen und die Senologie für Wittgenstein zu erhalten.“
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Luiza Licina-Bode verteidigt die Grundsätze der Krankenhausreformen von Bund und Land. Aber die Bad Laaspherin sieht dringenden Nachbesserungsbedarf auf dem Land: „Die Vamed Klinik in Bad Berleburg ist schon aufgrund ihrer geografischen Lage bedarfsnotwendig für die Wittgensteiner Bevölkerung. Das hat das Land auch bereits für zahlreiche Leistungsbereiche der Klinik so bestätigt. Die in der Senologie angebotenen Leistungen entsprechen den gesetzten Qualitätskriterien bis auf die Fallzahl. Hier appelliere ich eindringlich an Minister Laumann, den für den ländlichen Raum möglichen Ermessensspielraum zu nutzen und die Senologie für Wittgenstein zu erhalten.“
Licina-Bode fordert, die geringeren Fallzahlen der Kliniken im ländlichen Raum müssten gegen die Fahrtzeiten der Patientinnen und auch die Wartezeiten gegenüber großen Kliniken abgewogen werden. „Gerade im Fall von Karzinomen können die dann wahrscheinlichen langen Wartezeiten über Leben und Tod von Patientinnen entscheiden“, sagt sie. „Ich hoffe, dass sich auch unsere heimischen Landtagsabgeordneten in Düsseldorf für den Erhalt der Senologie am Standort Bad Berleburg starkmachen. Wir müssen uns in unseren Gremien für unsere Region einsetzen, dafür sind wir gewählt worden“, appelliert Licina-Bode abschließend.
„Die Senologie hat über viele Jahre hinweg einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung in unserer Region geleistet, dennoch sind bundeseinheitliche Standards auch für uns bindend.“
Den Ball nimmt die CDU-Landtagsabgeordnete Anke Fuchs-Dreisbach auf. „Ich habe mich mit großem Nachdruck für den Erhalt der Senologie in Bad Berleburg eingesetzt. Ich habe dutzende Gespräche mit Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann und weiteren Beteiligten geführt, um Lösungen für diese aus Sicht vieler Menschen in Wittgenstein wichtige Abteilung zu finden“, sagt die Bad Berleburgerin und erläutert, warum diese aus ihrer Sicht nicht fruchten: „Die Herausforderungen liegen vor allem in den bundesrechtlich vorgegebenen Standards des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Diese schreiben eine Mindestmenge von 100 Behandlungen pro Jahr vor, um eine Abteilung wirtschaftlich und strukturell abzusichern. Die Senologie in Bad Berleburg kommt aktuell auf lediglich etwa 30 Behandlungen im Jahr.“ Diese Mindestmengen dienten der Sicherstellung einer hohen Strukturqualität und seien vom Bund so festgelegt worden. „Es ist zutiefst bedauerlich, dass der Erhalt der Senologie unter diesen Voraussetzungen schwierig sein wird. Diese Abteilung hat über viele Jahre hinweg einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung in unserer Region geleistet, dennoch sind bundeseinheitliche Standards auch für uns bindend.“
„Ich persönlich vertrete da wie im Brief an den Minister beschrieben die Meinung, dass in der Folge die Wirtschaftlichkeit der gynäkologischen Abteilung in Gefahr gerät und damit eben die gesamte Gynäkologie. “
Die Zahl der Fälle hatte Vamed allerdings nicht mit 30, sondern mit 50 angegeben und zusätzlich zu der laut Klinik-Geschäftsführer Elmar Knoche nicht wissenschaftlich belegbaren Steigerung der Qualität durch die Festlegung von höheren Mindestfallzahlen noch ein weiteres - für viele Patienten - wichtiges Argument hervorgehoben. „Ist es für schwerkranke Frauen zumutbar, ab dem kommenden Jahr deutlich länger auf einen Untersuchungstermin sowie auf ihren Behandlungsbeginn zu warten, um anschließend unter körperlich und psychisch stark belastenden Therapien über zwei Fahrtstunden in Kauf zu nehmen? Bei den entsprechenden Witterungsbedingungen, die wir im Winter in Wittgenstein haben, ist es häufig schlicht nicht immer möglich, ins Siegerland zu fahren“, schreibt Antje Gröpl-Horchler in einer Stellungnahme. „Vergleichbare Situationen gibt es in Gebieten, die man ebenfalls als ländlich deklarieren kann, in dieser Form nicht und aus diesem Grunde sind wir der Meinung, dass sich der Minister vor Ort ein Bild von der Situation machen sollte, bevor er diesen gravierenden Einschnitt in die Versorgungssituation unternimmt“, erneuert Antje Gröpl-Horchler die Forderung nach einer wohnortnahen Versorgung.
„Wir dürfen unsere Berge für die Energiewende und Windkraftanlagen hergeben, aber müssen uns die medizinische Versorgung wegnehmen lassen. “
Das Thema der gleichwertigen Lebensumstände in Stadt und Land greifen auch die Bad Berleburger Stadträtinnen Iris Gerstmann (SPD) und Ulla Belz (CDU) auf. Beide hatten ebenfalls im Namen ihrer Fraktionen an Laumann geschrieben und Antwort erhalten. „Der Landbevölkerung gerade in Wittgenstein mutet man einiges zu!“, sagt Ulla Belz und präsentiert dem Gesundheitsminister dessen eigene Argumente: „Herr Laumann selbst bemüht die Klinik in Bad Berleburg als Beispiel dafür, dass es in ländlichen Regionen Kliniken gibt, die erhalten werden müssen, eben weil sie bedarfsnotwendig sind. Dazu gehört auch, dass sie wirtschaftlich überleben können. Ich persönlich vertrete da wie im Brief an den Minister beschrieben die Meinung, dass in der Folge die Wirtschaftlichkeit der gynäkologischen Abteilung in Gefahr gerät und damit eben die gesamte Gynäkologie. Ich werde daher nicht aufhören, darauf hinzuwirken, dass man für diese Region eine Ausnahmeregelung anerkennt und auch ausspricht.“ Iris Gerstmann wird noch drastischer in ihrem Vergleich des Stadt-Land-Gefälles: „Wir dürfen unsere Berge für die Energiewende und Windkraftanlagen hergeben, aber müssen uns die medizinische Versorgung wegnehmen lassen. Und dringend benötigte Straßen wie die Route 57 werden nicht vorangetrieben.“
In der Vamed Akutklinik sorgt eine weitere Äußerungen Laumanns für Kopfschütteln: „In Bezug auf seine Ausführungen zu den Themen medizinische Qualität und Ausstattung sind wir sowohl überrascht als auch enttäuscht. Erfahrene Ärzte, Pflegekräfte und Operationstechnische Assistenten operieren und behandeln seit Jahrzehnten erfolgreich Brustkrebs bei betroffenen Frauen. Unsere Qualitätszahlen sind überzeugend. Einen Mangel an Qualität und Ausstattung anzudeuten und der Bevölkerung damit eine Minderversorgung zu suggerieren, empfinden wir als unlauter.“
Vamed und die Bevölkerung setzen jetzt auf ein letztes Argument: „Wir ersuchen den Landesgesundheitsminister erneut, für die Vamed Klinik Bad Berleburg eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu erlassen, die zuletzt von mehr als 35 politischen Vertretern der Städte Bad Berleburg, Bad Laasphe, Hallenberg, Hatzfeld (Eder) sowie der Gemeinde Erndtebrück gefordert wurde.“