Bad Berleburg/Siegen. Das Schöffengericht hatte den Lokführer verurteilt. Er sollte den Anschlag inszeniert haben. Jetzt wird der Fall in Siegen ganz neu aufgerollt.

Das Bad Berleburger Schöffengericht hatte den Lokführer am 2. Oktober vergangenen Jahres bereits schuldig gesprochen und verurteilt, jetzt wird der Fall des Gullydeckel-Attentats auf einen Regionalzug in Raumland erneut in der 3. Kleinen Strafkammer des Landgerichtes Siegen aufgerollt. Verteidiger Dennis Tungel aus Lünen hatte Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt und geht in Berufung – am Freitag, 13. August, geht die Verhandlung von vorne los.

Der Fall

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In ganz Deutschland wurde die Tat, die sich am 13. April 2019 in Raumland ereignete, aufgrund ihrer Brisanz bekannt: In der Nacht zu jenem Samstag waren mehrere gusseiserne Gullydeckel – befestigt an Seilen und einer Kette – von der Straßenüberführung am Steinchen/Vorderstöppel bei Raumland über die Eisenbahnstrecke der Rothaarbahn RB93 heruntergelassen worden: Genau auf Höhe der Frontscheibe des Regionalzuges, der am frühen Morgen – es war eine Leerfahrt – die Strecke entlang fuhr. Der Lokführer – der späterere Angeklagte – habe großes Glück gehabt, weil er sich noch rechtzeitig weggeduckt hatte, hieß es zunächst.

Einen Terroranschlag hatten die Ermittler zwar schnell ausgeschlossen, jedoch werteten sie die Attacke als Mordversuch. Bei den weiteren Ermittlungen der Mordkommission „Gleis“ geriet schließlich der Lokführer, ein Familienvater aus Lünen mit Zweitwohnung in Erndtebrück, selbst ins Fadenkreuz der Beamten. Die Indizien reichen schließlich für eine Anklage: Am 18. September 2020 startet der Prozess gegen den Lokführer. Der bestreitet bis zum Schluss, die Tat begangen zu haben.

Das Urteil

Nach drei Verhandlungstagen war es für das Bad Berleburger Schöffengericht am 2. Oktober 2020 klar: Der damals 52-jährige Mann ist schuldig, hat die Gullydeckel selbst in die Gleise gehängt. Verurteilt wurde er zu 21 Monaten Haft ohne Bewährung wegen vorsätzlicher Gefährdung des Bahnverkehrs und Vortäuschens einer Straftat. Im Indizienprozess, bei dem neben DNA- und Faserspuren sowie Handydaten des Angeklagten auch die Ermittlungen der Mordkommission den Verdacht auf den Lokführer eingrenzen konnten, glaubte das Gericht dem Angeklagten nicht, er habe mit der Sache nichts zu tun. Thema wurde bei der Verhandlung auch das Vorlebendes Angeklagten – bei einem Raubmord, dem seine Mutter zum Opfer gefallen war, gehört er zu den Verdächtigen. Dazu kamen drei Wohnungseinbrüche im Haus des Angeklagten und zwei Fahrzeugbrände zu seinem Nachteil. „Wir haben keine Zweifel daran, dass er den Unglücksfall selbst verursacht hat. Der Tatnachweis beruht auf einer Ketten von Indizien“, machte es damals Richter Torsten Hoffmann deutlich.

Die Berufung

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Eine Sache sei bei der Urteilsfindung jedoch nicht bedacht worden, machte schließlich Verteidiger Dennis Tungel klar: Es gebe kein klares Motiv. Die Frage danach blieb auch während des Prozesses in Bad Berleburg unbeantwortet. Das Urteil könnten weder Tungel noch sein Mandant akzeptieren. Der Verteidiger hatte einen Freispruch gefordert. Vor dem Landgericht kann nun die gesamte Beweisaufnahme erneut aufgerollt werden – die Zeit dafür ist angesetzt: Drei Verhandlungstermine sind derzeit geplant. Mit mehr als den 21 Monaten Haft muss der Angeklagte aber in keinem Fall rechnen.