Siegen/Erndtebrück. 22-jähriger Erndtebrücker gibt Vergewaltigung zu. Langes Verfahren vor dem Landgerichts Siegen steht nun vor Abschluss.

Verteidiger Uwe Krechel geht nicht gerade sanft mit seinem Mandanten um. „Kann es sein, dass Sie es waren? Oder waren Sie es?“ Der Bonner Jurist schimpft und poltert, weil der Angeklagte noch immer nicht mit letzter Konsequenz zugegeben hat, am 18. März 2020 in Erndtebrück eine Frau vergewaltigt zu haben.

„Nicht mal Beelzebub oder Mephisto können Sie mehr retten“, drängt Krechel weiter, versucht dabei, seinem Mandanten zu verdeutlichen, wie positiv ein Geständnis „auch in letzter Minute“ noch für ein Urteil sein kann. „Ja, ich war es“, ruft dieser schließlich in den Raum. Was unter anderem beim Ehemann des Opfers eine kraftvolle Geste der Zufriedenheit und Genugtuung bewirkt.

Gutachter hat klares Bild vom Angeklagten

Direkt abgestritten hatte der 22-Jährige die Tat schon länger nicht mehr, sich aber auf einen völligen Blackout zurückgezogen. Auch noch am 11. April bei der Untersuchung durch den Gutachter, der ihm am Donnerstag eine dissoziale Persönlichkeitsstörung und ein Suchtproblem bescheinigt.

Für den Tatabend kann Nervenarzt Dr. Bernd Roggenwallner aufgrund einer Alkoholisierung von 2,27 Promille zuzüglich der Einnahme diverser Drogen einen mittelschweren Rausch nicht ausschließen, mithin eine vorübergehende krankhafte seelische Störung. Chancen für eine erfolgreiche Zwangsentziehung sieht er grundsätzlich positiv, weil der Angeklagte selbst Interesse geäußert habe. Es liege auch die Gefahr weiterer Straftaten vor, sagt der Sachverständige, weil der junge Mann selbst betont habe, unter Alkohol regelmäßig aggressiv zu werden. Am Ende müsse das Gericht aber über die Schwere einer Gefahr durch diese potenziellen Taten befinden.

Ehemann des Opfers ist empört

Genau da sieht die Kammer eine Schwierigkeit. „Wir gehen von einer Ausnahmesituation aus. Von einer einmaligen Tat“, sagt Richterin Elfriede Dreisbach. Sie verweist auf die vergleichsweise harmlosen Vorstrafen des jungen Mannes, die auch dazu geführt hätten, dem Antrag der Staatsanwältin auf einen Haftbefehl nicht zu entsprechen. Was später den Ehemann des Opfers ärgert, der sich einerseits darüber freut, dass die Wahrheit endlich ausgesprochen wurde, es aber für den ganzen Ort unerträglich findet, einen aus seiner Sicht durchaus gefährlichen Menschen auf freiem Fuß zu wissen.

Seine Frau ist am Vormittag vom Gutachter wie geplant noch einmal gehört worden, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Danach hat Dr. Roggenwallner ebenfalls Gelegenheit, die Ex-Freundin des Angeklagten zu befragen. Diese wird zunächst darauf hingewiesen, etwaige falsche Angaben aus ihrer ersten Vernehmung noch berichtigen zu können. Damals zeigte sie sich sicher, ihr Freund hätte so etwas niemals tun können. Genau dies habe er ihr auch versichert, wiederholt sie nun, hat aber noch zusätzliche Angaben zu machen. Er habe sie am Tatabend telefonisch zur Hauptschule bestellt und da bereits gesagt, dass er von einer Vergewaltigung wisse, die garantiert ihm „in die Schuhe geschoben“ werde. Weil das immer so gewesen sei.

Verteidiger nimmt Mandanten in die Mangel

Er habe die Polizei auf dem Schulhof reden hören. Oder das Opfer und ihren Mann, meint er dann, als ihm erklärt wird, die Beamten seien erst zwei Stunden später gekommen. „Das ist die Scheißhausantwort Nummer 1“, regt sich der Verteidiger auf und will eine klare Ansage in seine Richtung und die des Opfers hören. Er habe oft partielle Blackouts, versucht es der Angeklagte. Bei einer Auseinandersetzung mit seinem Vater könne er alles erinnern, bis auf die Schlägerei und die Polizei, lässt er sich ein. Und gibt schließlich auch noch zu, dass seine Erinnerung für den 18. März wieder einsetze, als das Opfer ihm einen Ellbogencheck versetzt habe. Dann bleibe ja nur eine Möglichkeit, wenn der wahre Täter nicht drei Minuten vorher zur Seite gegangen sei, drängt Uwe Krechel seinen Mandanten immer wieder in die Defensive. Bis dieser schließlich alles zugibt.

Staatsanwältin Jahan Memarian-Gerlach hatte Urlaub, möchte lieber längere Vorbereitungszeit für ihr Plädoyer. Alle Schlussvorträge sowie das letzte Wort sollen nun am 10. Mai gehört werden, am gleichen Tag das Urteil fallen.