Siegen. Elke Büdenbender, Ehefrau des Bundespräsidenten, macht bei der Gedenkstunde am Platz der Synagoge in Siegen Mut zur Zivilcourage.
Bloß nicht aufhören: zu träumen, zu beten, zu hoffen und zu handeln. Damit die Welt eine bessere wird, eine andere. Ohne Krieg, ohne Hass, ohne Gewalt. Mit Menschlichkeit und mit dem Mut, Frieden zu wagen. Das war die Botschaft, die am Sonntagnachmittag am Siegener Obergraben wiederholt zu vernehmen war. Fett unterstrichen von jungen Menschen aus Deutschland und aus Israel, engagiert vertreten von politisch-gesellschaftlich Verantwortlichen, verbunden mit der Klage über den Schrecken und einem Gedenken, das sich ganz eng mit dem Erinnern verknüpfte.
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Nicht vergessen werden soll, was am 10. November 1938 an diesem Ort geschah. Die von SS- und SA-Männern in Brand gesteckte Synagoge zerstörte nicht nur das Gotteshaus der jüdischen Gemeinde in Siegen. Das infame Tun löschte auch aus, was die Existenz der Jüdinnen und Juden in der Stadt ausmachte: ihr Leben, Arbeiten, Beten und Lachen.
1938 haben die Siegener zu- und weggeschaut
Der Siegener Synagogenbrand, am Tag nach dem deutschlandweiten Novemberpogrom, fand nicht im Verborgenen statt. Die Stadtgesellschaft schaute zu und sie schaute damit auch weg. „Erinnern wir uns daran, dass das niemals wieder geschehen darf“, mahnte Elke Büdenbender. Die aus dem Siegerland stammende Juristin, Ehefrau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, warb am Platz der einstigen Synagoge vehement dafür, die „Pflicht, aus der Geschichte zu lernen“ ernst zu nehmen und einen „Weg des Muts und der Zivilcourage“ zu begehen. „Wie leicht verfallen auch wir in eine Haltung der Passivität und des Wegschauens“, sagte sie und würdigte insbesondere den Einsatz der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (CJZ) Siegerland, auch im Verbund mit dem Aktiven Museum Südwestfalen, mit Stadt und Landkreis, „ein Bewusstsein für Toleranz und Respekt“ zu schaffen.
„Erinnern wir uns daran, dass das niemals wieder geschehen darf. Wie leicht verfallen auch wir in eine Haltung der Passivität und des Wegschauens.“
Mit Blick auf ihre eigene politische Herzensbildung erzählte Elke Büdenbender vor einem großen, interessierten Publikum von ihrer Großmutter, die ihr „Das Tagebuch der Anne Frank“ zum Lesen gegeben habe. „Elke, wenn jemand sagt, er habe nichts gewusst, dann sagt er nicht die Wahrheit“, seien die Worte der Oma gewesen. Sie habe gelesen und später – wie beim Besuch mit ihrem Mann in Auschwitz – auch gesehen, was passierte, aber begreifen könne sie all das nicht.
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Es sorge sie, so die prominente Gastrednerin aus Berlin, dass nach dem Massaker der Hamas auf Menschen in Israel am 7. Oktober 2023 auch in Deutschland Hass und Hetze gegen Jüdinnen und Juden zu erleben seien: „auf den Schulhöfen, an den Abendbrottischen, an den Universitäten“. Hoffnung mache ihr, dass Menschen aller Altersstufen dem etwas entgegensetzten. Wie Miriam Steup und Lenny Melmsheimer, Mye Weisbrod, Ella Shafran und Yelizaweta Zhabkowska, die mit Textbeiträgen und Musik die Möglichkeit beschworen, dass eines Tages dann doch alle Menschen in einer friedlichen und gerechten Welt miteinander leben könnten. „Imagine ...“
Siegens Bürgermeister Steffen Mues warnt: Aus Worten werden schnell Taten
„Gegen das Vergessen“, steht auf der Schleife des Kranzes, den die jungen Erwachsenen aus den Partnerkreisen Emek Hefer und Siegen-Wittgenstein vor dem Eingang zum Aktiven Museum niederlegten. Gegen ein gleichgültiges Zuschauen bei alledem, was sich augenblicklich an rechtsextremen und populistischen Tendenzen in der Welt entwickelt, sprach Siegens Bürgermeister Steffen Mues an. 86 Jahre nach dem Brand der Siegener Synagoge und 120 Jahre nach deren Errichtung sei zu beobachten, „wie schnell aus Hass Taten werden“. Deshalb brauche es „ein klares Nein zu Intoleranz und ein klares Ja zu Vielfalt“ - „laut und deutlich“.
Moderiert wurde die Gedenkveranstaltung am Sonntag von Pfarrer i.R. Raimar Leng. Der evangelische Vorsitzende der CJZ Siegerland hieß neben Elke Büdenbender und Steffen Mues ausdrücklich auch Landrat Andreas Müller willkommen sowie die weiteren Gäste aus dem israelischen Partnerkreis. Alon Sander, der jüdische Vorsitzende der CJZ Siegerland, sprach dieses Mal gleich drei hebräische Gebete: das jüdische Totengebet Kaddisch und zwei Gebete, die ausdrücklich das Gedenken benennen. Weil wer sich erinnert, nicht vergisst. Weder die Menschen noch deren Namen noch, was ihnen widerfuhr.
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