Kreuztal. Was den Kofferturm am Bahnhof und den Wetterhahn in Fellinghausen verbindet: Zu 30 Stationen führt ein ungewöhnlicher Spaziergang durch Kreuztal.
Sie stehen nebeneinander: Die beiden Zwerge auf den Stufen zum Musikpavillon in Dreslers Park, der 1907 errichtet wurde. Und die drei Bewegungssäulen, die 2000 zur Eröffnung der Weißen Villa aufgestellt wurden. Von dem wachsamen und dem schlafenden Zwerg weiß man nichts, den Steinmetz oder Bildhauer konnte Frank W. Frisch nicht ermitteln. Die Bewegungssäulen hat der Buschhüttener Künstler Eberhard Stroot gefertigt, ein Geschenk von Architekt Helmut Blöcher, Handwerkern und Baufirmen an die Stadt.
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Säulen und Zwerge haben die Nummer 30 im Buch. Und auf dem Plan, den Frank W. Frisch für einen ganz anderen Spaziergang durch Kreuztal mitgibt. Der ehrenamtliche Kurator der städtischen Kunstsammlung, die inzwischen feste Ausstellungsräume in der Gelben Villa hat, hat sich im Laufe von 35 Jahren mit dem Werk der Künstlerinnen aus und in Kreuztal befasst. Und das befindet sich eben nicht nur gerahmt im Depot oder an den Wänden. Sondern auch am Bau. Frank W. Frisch, von Beruf Architekt und privat auch Kunstsammler, hat sich vier Jahre lang auf die Spuren der Kunst am Bau, oder allgemeiner: der Kunst im öffentlichen Raum in Kreuztal begeben. Stadtarchivarin Ria Siewert hat die Dokumente recherchiert, die Auskunft über das jeweilige Werk und seine Entstehung geben. Und Alexander Kiß, Fotokünstler und Mitarbeiter im städtischen Kulturamt, hat fotografiert.
Kreuztal: Wie der Gockel auf den Turm kommt
Die Eingangshalle der Grundschule Fellinghausen zieren Hirsche und Vögel, Schnecke, Pferd und Fisch. Reinhold Köhler, der ein Atelier im Dicken Turm in Siegen hatte, hat sie gemalt. Präziser, von Frank W. Frisch erklärt: „In einer ungewöhnlichen Mischtechnik erstellt, aus dreifarbigem Sgraffito und mosaikartig verlegten Platten verschiedenfarbiger Natursteinstücke.“ Bürgermeister Walter Kiß hat hierhin eingeladen, um den neuesten „Rückblicke“-Band aus dem Stadtarchiv vorzustellen. Denn auch der Trinkbrunnen ist von Köhler. Und der Hahn im Drahtgeländer vor dem Pflanzbeet am Fenster. Und der Gockel oben auf dem Glockenturm.
Kreuztaler Rückblicke
In der vom Stadtarchiv herausgegebenen Reihe „Kreuztaler Rückblicke“ sind bisher sechs Bände erschienen:
Dieter Pfau, Die Geschichte der Juden im Amt Ferndorf (1797 - 1943) | „Den Juden ist hier aber kein Leid zugefügt worden“ (2012)
Olaf Wagener, Burgen und Befestigungen in Kreuztal und Hilchenbach | ein kulturhistorischer Führer (2012)
Olaf Wagener, Grenze, Landwehr, Burgen | das nördliche Siegerland im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit (2015)
Katrin Stein, Ferndorf-Ferndorf | 50 Jahre Freundschaft zwischen Siegerland und Kärnten (2017)
Monika Molkentin-Syring, Frauen in Kreuztals Stadtgeschichte | für eine neue Sichtbarkeits- und Ansehenskultur (2024)
Frank W. Frisch, Kunst am Bau | Kunst im Öffentlichen Raum in der Stadt Kreuztal (2024)
Das Amt Ferndorf hat es ernst gemeint mit der Kunst am Bau, für die der Staat bei seinen Bauvorhaben jeweils zwei Prozent der Baukostensumme ansetzt: Reinhold Köhler hat 1957 auch in der Pausenhalle der Johann-Heinrich-Jung-Stilling-Schule in Kredenbach gearbeitet, das Porträt des Namensgebers auf einer Natursteinplatte graviert und ebenfalls einen Brunnen gestaltet. Und 1954 in der Friedhofskapelle Ferndorf den Engel der Auferstehung als Mosaik auf dem Putz angebracht.
Kreuztal: Wo die Bauleute aufpassen sollten
Die meisten, die durch die Fellinghausener Pausenhalle laufen, wissen gar nicht, an wie viel Kunst auf ihrem Weg ins Klassen- oder Lehrerzimmer vorbeilaufen, glaubt Bürgermeister Walter Kiß. „Das ist schon klasse, wenn man das einmal so vor Augen geführt bekommt.“ Natürlich ist das Buch von Frank W. Frisch ein schönes Weihnachtsgeschenk für Leute, die einmal mit anderen Augen durch die Stadt gehen wollen. Der Bürgermeister denkt aber auch ganz praxisnah an das eigene Team im städtischen Gebäudemanagement, das gerade jede Menge Um- und Anbauten in den Schulen stemmt. Das Buch gibt nämlich Hinweise auf die empfindlichen Ecken der Baustellen: „Da muss man aufpassen.“
Zum Beispiel an der Grundschule Eichen, deren Altbau gerade saniert wird. Im zentralen Treppenraum befinden sich Glasmalereien mit Motiven aus Rotkäppchen, Aschenbrödel und Schneewittchen, die der Maler L. Preckel aus Köln signiert hat. Am 31. März 1928 ist die evangelische Volksschule, die heute Grundschule ist, eingeweiht worden. Die Märchenfenster sind die erste von 30 Stationen, zu denen Frank W. Frisch einlädt. Die „Gesamtschulverbandsklasse von Eichen“ hat damals für die fünf Fenster mit Märchenbildern 150 Mark bezahlt, wie aus der im Stadtarchiv aufbewahrten Ausgabeanweisung hervorgeht.
Weiter geht es nach Ernsdorf. Bildhauer Hermann Kuhmichel hat zwei Reliefs zu den Mahnmalen am Eingang der Friedhofskapelle gefertigt, außerdem ein Wandrelief im Aufbahrungsraum („Lazarus komm heran“). Einen „Engel der Auferstehung“ als Drahtplastik und Kalligrafien mit den Namen der im Krieg getöteten Menschen aus Kreuztal hat Theo Meier-Lippe beigesteuert. Das Außengitter der Arkade zum Dorf stammte von Reinhold Köhler. „Leider ist das Gitter nicht mehr vorhanden.“ An seiner Stelle befinden sich Glas-Beton-Elemente.
Welche Kreuztaler Schätze nicht nur Schulen haben
In der Grundschule an Dreslers Park finden sich Bildhauerarbeiten von Hermann Kuhmichel. Sgrafittos von Kuhmichel befinden sich an der Außenwand der St.Martin-Grundschule („St. Martin teilt den Mantel“), in der Eingangshalle der Adolf-Wurmbach-Grundschule Littfeld („Lehrer und Schüler“) und im Saal der Kapellenschule Litttfeld („Geht hin in alle Welt“). Und so geht es weiter: Willi Schütz in der Kapellenschule Littfeld, Mahnmale in Kredenbach, Krombach, Ferndorf, Buschhütten und Littfeld, Udo Donalies in der heutigen Kindelsbergschule in Ferndorf, Theo Meier-Lippe an der St. Martin-Schule, Wolfgang Kreutter an der Ernst-Moritz-Arndt-Realschule.
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Die 1950er und die frühen 1960er Jahre müssen die hohe Zeit der Kunst an städtischen Gebäuden in Kreuztal gewesen sein. Die wohl letzten Werke dieser Epoche markieren schon den Übergang zu einer moderneren Bildersprache: der Anbau der Grundschule Eichen (1965) ausdrücklich mit „abstrakten Formen und Figuren“, die „zeitlos schön und auch von späteren Generationen anerkannt“ sein sollen, und die Fenster der Friedhofshalle Kredenbach (1967/68).
Der Krombacher Bierbrunnen von Hermann Kuhmichel (1958) und die Reliefplatten am Kindelsbergturm sind populäre Beispiele für Kunst im öffentlichen Raum, ebenso der Schmied in der Kredenbacher Grünanlage und die Brunnen an der Realschule, in der Fritz-Erler-Siedlung und in Ferndorf.
Wie Kreuztal modern wird
Zur Gegenwart gehören die Röhren-Skulptur vor der Clara-Schumann-Gesamtschule, 2000 aus einem Wettbewerb gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus hervorgegangen, der Rote Platz mit Wasserfläche in Basaltbecken, Fontänenfeld und Bücherstapel, die Hans-Werner Kalkmann 2016 gestaltet hat. Toyota Keller hat in Fellinghausen vier Keramiksäulen stehen, die Rolf Eichenlaub den Keramiken von Friedensreich Hundertwasser nachempfunden hat. In Krombach stehen auf dem Gelände von Umweltservice Lindenschmidt die zwei „Müllmänner“ – Skulpturen von Christel Lerchner, der auch die Busch-Brüder im Siegener Schlosspark zu verdanken sind. Annette Besgen und Ulrich Langenbach haben 2008 Ateliers im Kreuztaler Kulturbahnhof bezogen Sie errichteten 2010 den Kofferturm, gefüllt mit Koffern, Rucksäcken und Reisetaschen Kreuztaler Bürgerinnen und Bürger. „Die Frage lautet nicht wohin“, hat Langenbach dazugeschrieben.
Kreuztal: Was nicht mehr da ist und was fehlt
Die Eisendrahtplastiken am Dorfgemeinschaftshaus Oberhees sind vor dem Abriss von Nachbarn in Sicherheit gebracht worden, das Wasserbecken mit wasserspeiender Stele an der ehemaligen Grundschule Eichen nicht – sie seien 2009 beim Umbau entfernt worden, bedauert Frank. W. Frisch: „Es ist leider nichts dazu dokumentiert worden und somit aus der Erinnerung geraten.“ „Es ist auch mal was kaputtgegangen“, räumt Bürgermeister Walter Kiß ein. Zum Beispiel der Brunnen zwischen Platanen auf dem „alten“ Roten Platz, den Anneliese Langenbach 1982 geschaffen hat. Der Frost … „Wir haben die Reste gesichert und eingelagert. Irgendwann wird der irgendwo einen Platz finden.“
Es gibt auch Kunst an Privathäusern und in privaten Gärten, die Frank W. Frisch erwähnt, von der historistischen Hygieia-Statue an der Ferndorfer Apotheke (1865) bis zum Bewegungsturm im Garten von Eberhard Stroot in Buschhütten (1990/91). Nur angedeutet sind die Kunstwerke in Kirchen und Gemeindehäusern. Sie, so findet Frank W.Frisch, verdienen ein eigenes Buch.
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